Nachdem der erste Covid-bedingte Ausverkauf 2020 insbesondere in den Schwellenländern zu spüren war, schlugen sich Letztere im anschließenden Aufschwung gut. Als Gruppe verzeichneten die Schwellenländer 2020 starke Zugewinne und stellten die Industrieländer in den Schatten. Doch dahinter verbarg sich ein starkes Performancegefälle zwischen den einzelnen Regionen und Anlageklassen der Schwellenländer.
Unregelmäßige Zuflüsse ausländischer Investoren – wichtiger Indikator für das Vertrauen der Investoren in EM-Anlagewerte
Bei EM-Anleihen erreichten die ausländischen Zuflüsse bei Ausbruch der Pandemie im März einen Tiefpunkt, erholten sich dann aber schnell. 2020 waren die Nettozuflüsse der meisten Schwellenländer in den einzelnen Regionen mit dem Vorjahr vergleichbar. Afrika, der Nahe Osten und die europäischen Schwellenländer verzeichneten 2020 höhere Nettozuflüsse als 2019.
Bei EM-Aktien bot sich ein uneinheitlicheres Bild. EM-Aktien verbuchten 2020 ausländische Nettozuflüsse von nur 4,6 Mrd. USD – deutlich weniger als die 60,26 Mrd. USD im Jahr 2019. Einzig in Lateinamerika und Afrika sowie dem Nahen Osten waren die Nettozuflüsse 2020 höher als 2019. Am stärksten schrumpften die Nettozuflüsse in asiatischen Schwellenländern: 2020 sanken sie um 0,4 Mrd. USD und damit deutlich unter die 65,7 Mrd. USD von 2019.
Die Pandemie trifft die Schwellenländer in unterschiedlichem Ausmaße
Die Anleger taten gut daran, 2020 bei Ausbruch der Pandemie zwischen den einzelnen Schwellenländern zu differenzieren. Asiatische Schwellenländer profitierten von der starken Erholung der chinesischen Konjunktur. Außerdem gingen asiatische Länder mit Technologiegiganten wie Alibaba, TSMC, Tencent und Samsung als klare Gewinner aus dem neuen Trend hervor, zu Hause zu bleiben und zu Hause zu arbeiten. Folglich erhielten Aktienmärkte in Ländern wie Südkorea, Taiwan und China Auftrieb.
In anderen Ländern, in denen Technologie- und Kommunikationsunternehmen praktisch nicht vertreten sind, richtete Covid den größten Schaden an den Finanzmärkten an. Besonders hart traf es lateinamerikanische Volkswirtschaften, die auf Rohstoffexporte angewiesen sind.
Was ist 2021 mit Blick auf die Aktien und Anleihemärkte der Schwellenländer zu erwarten?
Nach unserer Einschätzung wird der Ausblick für EM-Anlagewerte 2021 von zwei gegensätzlichen Faktoren bestimmt. Einerseits dürften die staatlichen Stimulierungsmaßnahmen Chinas im Jahresverlauf nachlassen. Das könnte der Nachfrage nach Exporten aus anderen Schwellenländern einen Dämpfer verpassen. Andererseits dürfte die US-Konjunktur zulegen, wenn die ambitionierten Ausgabenpakete von US-Präsident Biden umgesetzt werden.
Insgesamt sind wir der Auffassung, dass diese Faktoren EM-Anlagewerten im ersten Halbjahr 2021 ein weitgehend günstiges Umfeld bescheren werden. Das verleiht risikoreicheren Vermögenswerten wie EM-Aktien einen Vorteil gegenüber renditeschwachen EM-Anleihen. Grund hierfür ist, dass die Einführung der Impfstoffe und die allmähliche Wiederöffnung der Wirtschaften für eine anhaltend positive Stimmung unter den Anlegern sorgen werden. Außerdem wird der positive Wachstumsausblick die Aussichten für die Aktiengewinne verbessern.
Im Hinblick auf das zweite Halbjahr 2021 sind wir vorsichtiger. Wir erwarten, dass die Geldpolitik in China leicht gestrafft wird. Ein solches Szenario dürfte weitere Aktiengewinne deckeln.
Wo sind die besten Anlagechancen?
EM-Aktien
Im Multi-Asset-Bereich belassen wir Aktien übergewichtet. Unsere bevorzugten Regionen sind die USA, Japan und die Schwellenländer. Im Aktiensegment setzen wir besonders auf Themen im Zusammenhang mit nachhaltigem Wachstum, die über Körbe sorgfältig ausgewählter Titel vertreten sind.
In den Schwellenländern engagieren wir uns beispielsweise über spezielle Rohstoffe in diesem Thema, die unseres Erachtens dieses Jahr und längerfristig von einer steigenden Nachfrage profitieren werden. Insbesondere Kupfer ist ein wichtiger Rohstoff für Technologien rund um erneuerbare Energien und Elektrofahrzeuge.
Zu unseren bevorzugten Themen gehört die beschleunigte Einführung sauberer Energie in China, die in dessen neuestem, ab 2021 beginnendem Fünfjahresplan festgeschrieben ist. Chinas Zusage, bis 2060 Netto-Null-CO2-Emissionen zu erreichen, setzt umfassende und zügige Investitionen in saubere Energietechnologien und -anlagen über viele Jahre voraus.
EM-Anleihen
Im Bereich der EM-Anleihen bevorzugen wir hochverzinsliche Anleihen wie chinesische und südafrikanische Staatsanleihen. Deren Renditen sind attraktiver als die Renditen in Industrieländern, die nahe Null oder im negativen Bereich liegen. Hinzu kommt, dass chinesische Anleihen mehr und mehr in wichtige globale Anleiheindizes aufgenommen werden, was diesen Anlagen zusätzlichen Auftrieb verleiht.
Hartwährungsanleihen oder Lokalwährungsanleihen?
Hartwährungsanleihen lauten auf US-Dollar und damit auf eine Währung, die als vergleichsweise stabil und leicht handelbar gilt. Dagegen lauten Lokalwährungsanleihen auf die Währung des emittierenden Landes.
Unsere EM-Portfolios sind sowohl in Hart- als auch in Lokalwährungsanleihen engagiert. Aus taktischer Sicht jedoch haben wir unseren Anteil von Hartwährungsanleihen verringert und den Anteil von Lokalwährungsanleihen beibehalten. Letztere sind gegenüber einem potenziellen Anstieg der US-Zinsen, wenn die US-Konjunktur wieder an Fahrt aufnimmt, weniger empfindlich.
EM-Währungen
Aufgrund der günstigen Konjunkturaussichten für die USA haben wir eine Position im mexikanischen Peso aufgebaut. Die USA sind der wichtigste Handelspartner Mexikos, sodass der mexikanische Peso immer dann Auftrieb erhält, wenn sich die US-Wirtschaft gut behauptet. Da dieses Jahr rohstoffbezogene Währungen im Aufwind sind, schätzen wir auch den chilenischen Peso. Auch wenn die politische Lage des Landes mit Risiken verbunden ist, signalisieren der günstige Ausblick für Kupfer und die dortigen Fortschritte bei der Impfung der Bevölkerung eine weitere Aufwertung der Währung.
Eine weitere erfolgreiche Strategie, an der wir während der Covid-Krise festhielten, betrifft einen Long-/Short-Währungskorb. Mit diesem Korb zeigen wir, dass wir eine bestimmte Gruppe von EM-Währungen gegenüber anderen bevorzugen. Der Korb ist dynamisch ausgelegt, d. h., dass wir unsere Währungspräferenzen je nach wirtschaftlicher und finanzieller Entwicklung überprüfen und neu ausrichten. Um den fundamentalen Wert einer Währung besser einzuschätzen, ziehen wir unsere Schwachstellenanalyse heran. Dies hat sich in Zeiten mit hoher Ungewissheit und Volatilität am Devisenmarkt als erfolgreiche Methode erwiesen, um die „Performance-Rosinen“ herauszupicken.
Zu beachtende Risiken
Die Einführung des Impfstoffs und die schrittweise Wiederöffnung von Volkswirtschaften sind ein gutes Omen für 2021. Auf die Schwellenländer bezogen könnte diese Einschätzung insbesondere dadurch gefährdet werden, dass China die Finanzierungsbedingungen schneller verschärft als erwartet. Das würde die positiven Ausstrahlungseffekte Chinas auf die restlichen Schwellenländer verringern. Dämpfend für den Aufschwung wäre insbesondere eine schwächere Nachfrage nach EM-Exporten.
Ein weiteres Damoklesschwert ist die erneute Ausweitung des Wachstumsgefälles zwischen den USA und dem Rest der Welt. Hierdurch könnte der US-Dollar aufwerten und sich als Belastungsfaktor für EM-Anlagewerte entpuppen. Eine rege US-Konjunktur beflügelt in der Regel die Weltwirtschaft und das Anlegervertrauen. Allerdings sind die Schwellenländer weniger stark mit den USA verzahnt als noch vor 20 Jahren.
Eine weitere mögliche Folge einer zulegenden US-Konjunktur ist eine höhere Inflation. Sollte sich abzeichnen, dass sich die hohe Inflation verfestigt, könnte die US-Notenbank (Fed) die geldpolitische Unterstützung allmählich drosseln. Wir gehen aber davon aus, dass sich die Inflation in Grenzen halten wird. Außerdem ist die Eintrittswahrscheinlichkeit aufgrund des neuen Fed-Mantras einer durchschnittlichen Inflationsrate gering. Dennoch ist dies in die US-Zinsen eingeflossen und wird von uns aufmerksam beobachtet.
Probleme bei der Einführung des Impfstoffs in Schwellenländern könnten die Wiederöffnung der Wirtschaft behindern, insbesondere da die Schwellenländer in diesem Bereich hinter den Industrieländern hinterherhinken.
Carolina Martínez, Investment Strategist, Global Active Allocation, Aberdeen Standard Investments
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