Volkswirtschaften, Unternehmen und Anleger rund um den Globus beteiligen sich an der „Race to Zero“-Kampagne der Vereinten Nationen und verpflichten sich zur Einhaltung der Netto-Null-Ziele bis 2050. Schätzungen zufolge sind für die Erreichung der Netto-Null-Ziele bis 2050 jedes Jahr Investitionen in Höhe von etwa 1 bis 2 Billionen US-Dollar¹ erforderlich. Anleger spielen daher aufgrund ihrer Kapitalallokation und ihres Engagements eine entscheidende Rolle bei der Verwirklichung der Netto-Null.
Wir bei ASI haben den Anspruch, eine konstruktive Rolle bei der Dekarbonisierung der Weltwirtschaft zu spielen und unsere Kunden dabei zu unterstützen, ihre Netto-Null-Ziele zu erreichen. Aus diesem Grund haben wir uns der Net Zero Asset Manager Initiative angeschlossen. Wir entwickeln Netto-Null-Lösungen, mit denen Bestands- und potenzielle Kunden zusätzlich risikobereinigte Erträge erzielen können. Darüber hinaus wollen wir den prozentualen Anteil unseres verwalteten Vermögens, der auf die Netto-Null ausgerichtet ist, nach und nach erhöhen, um so den Zielen und Erwartungen unserer Kunden gerecht zu werden.
Welche Rahmenbedingungen müssen gegeben sein, um Investitionen auf den Weg zu bringen, die der Verwirklichung der Netto-Null-Ziele bis 2050 förderlich sind?
Es ist von entscheidender Bedeutung, dass sich die immer häufigeren Netto-Null-Versprechen auch in politischen Strategien und Maßnahmen widerspiegeln, die Investoren Sicherheit und die richtigen Anreize bieten, Kapital langfristig im Sinne der Netto-Null-Ziele anzulegen. Auf Länder mit Netto-Null-Zusagen entfallen fast 70% des BIP und mehr als 60% der globalen Treibhausgase², was äußerst ermutigend ist. Aber leider sind wir noch weit davon entfernt, die Netto-Null-Ziele bis 2050 zu erreichen. Aus dem jüngsten UN-Emissionslückenbericht geht hervor, dass wir selbst dann, wenn alle aktuellen Netto-Null-Versprechen eingehalten würden, immer noch nicht in der Lage wären, die Erderwärmung auf unter 2°C zu begrenzen. Darüber hinaus reichen die national festgelegten Beiträge (Nationally Determined Contributions, NDCs) der meisten Länder nicht aus, um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen, wie im jüngsten UN NDC Synthesis Report⁴ hervorgehoben wird. Noch vor dem COP26-Klimagipfel müssen bei den politischen Verpflichtungen deutliche Fortschritte erzielt werden, um so die richtigen Signale bezüglich Netto-Null-Investitionen an Unternehmen und Anleger zu senden.
Wir sind der Meinung, dass Investitionen in Unternehmen, die statt Veräußerungen ehrgeizige und glaubwürdige Dekarbonisierungsziele anstreben, eher zum Erreichen von Netto-Null-Zielen in der realen Welt beitragen.
Was genau bedeuten Investitionen für die Netto-Null?
Es ist wichtig, zwischen dem Erreichen von Netto-Null-Zielen in der realen Welt und in einem Portfolio zu unterscheiden. Entscheidend ist die Dekarbonisierung in der realen Welt. Ein Portfolio ließe sich leicht dekarbonisieren, indem man Engagements bei Unternehmen in kohlenstoffintensiven Sektoren wie Stahl, Zement und Stromerzeugung reduziert oder streicht. Die Bewertung von Portfolios hinsichtlich ihrer Ausrichtung an einem Temperaturszenario wäre äußerst hilfreich. Aber wir werden diese Sektoren auch im Jahr 2050 noch brauchen, und sie benötigen das Kapital von Investoren, um innovativ sein zu können, sich zu dekarbonisieren und den Wandel zu vollziehen – und eine bedeutende Rolle bei der Dekarbonisierung der Volkswirtschaften zu spielen. Wir sind daher der Meinung, dass Investitionen in Unternehmen, die statt Veräußerungen ehrgeizige und glaubwürdige Dekarbonisierungsziele anstreben, eher zum Erreichen von Netto-Null-Zielen in der realen Welt beitragen.
Dies ist auch die Kernbotschaft des kürzlich lancierten IIGCC Net Zero Investment Framework (NZIF)⁵, zu dem ASI beigetragen hat. Dieser Rahmen bietet uns eine Grundlage für die Entwicklung von Netto-Null-Lösungen. Nachfolgend die wichtigsten Punkte.
- Dekarbonisierung durch Investitionen in „Transition Leaders“, also in Unternehmen, die im Hinblick auf die Energiewende führend sind: Wir betrachten dabei nicht nur den Kohlenstoff-Fußabdruck, sondern blicken voraus und prüfen glaubwürdige Übergangsstrategien.
- Kapital für Klimalösungen bereitstellen: Wir investieren in Vermögenswerte und Unternehmen, die die Welt bei der Dekarbonisierung unterstützen – von erneuerbarer Infrastruktur und kohlenstoffarmen Gebäuden bis hin zu Herstellern von Elektrofahrzeugen und Anbietern energieeffizienter Technologien.
- Netto-Null-Stewardship: Wir entwickeln eine klare Netto-Null-Engagement-Strategie mit Meilensteinen und Zielen, wobei der Fokus auf den kohlenstoffintensivsten Unternehmen im Portfolio liegt.
Wie gehen wir in der Praxis vor?
Wir entwickeln derzeit Rahmenwerke und Lösungen für Kunden mit Netto-Null-Ambitionen. Die Phoenix Group, unser größter Kunde, hat sich im Dezember 2020 das Ziel gesetzt, mit ihren Anlageportfolios bis 2050 das Netto-Null-Ziel zu erreichen. Wir erarbeiten Netto-Null-Lösungen über verschiedene Anlageklassen hinweg, um so die Phoenix Group beim Erreichen ihrer Ziele zu unterstützen. Ein Beispiel:
- Unser Active Equities Team arbeitet an einem Active Climate Transition (ACT) Investmentansatz, der auf den Grundlagen des NZIF basiert. Der Fokus liegt dabei auf dem Aufspüren von und der Anlage in „Transition Leaders“. Dazu ermitteln wir das Dekarbonisierungspotenzial und die entsprechende Strategie von Unternehmen, indem wir die Ergebnisse unserer Klimaszenarioanalyse mit unserer Bewertung von Unternehmenszielen und unserem fundamentalen Research zusammenbringen. Wir konzentrieren uns auch auf Investitionen in Klimalösungen und Net Zero Stewardship als wichtigen Hebel, um Einfluss auf die Dekarbonisierung zu nehmen. Einzelheiten dazu werden wir in einem zukünftigen Artikel erläutern.
- Unser Fixed-Income-Team setzt auf eine Kombination aus Analysten-Expertise, internen Daten aus der Analyse von Klimaszenarien und externen Daten aus Quellen wie CDP (Carbon Disclosure Project), der Transition Pathway Initiative (TPI) und MSCI und kreiert darauf aufbauend Tools zur Bewertung von Portfolios und Benchmarks im Hinblick auf die Netto-Null-Ziele. Mit diesen Instrumenten sollen diejenigen Emittenten ermittelt werden, die zur Klimawende beitragen und sich am Übereinkommen von Paris orientieren sowie als Anbieter von Klimalösungen infrage kommen.
- Wir untersuchen, was Netto-Null für die Private Markets bedeutet und sind aktives Mitglied der IIGCC-Arbeitsgruppe der Paris Aligned Investment Initiative für Infrastruktur und Private Equities. Wir haben uns verpflichtet, mit allen unseren Immobilienkunden zusammenzuarbeiten, um ihre Portfolios bis 2050 auf die Netto-Null-Ziele auszurichten. Wir haben einen Rahmen für Netto-Null-Investitionen in Immobilien entworfen, den Sie hier einsehen können.
- Wir beziehen auch Netto-Null-Überlegungen in unsere Strategische Asset Allocation (SAA) mit ein, um den Klimawandel so als weitere Dimension bei der Risiko-Rendite-Optimierung zu berücksichtigen. Mehr zu diesem Thema finden Sie in unserem prämierten SAA Research Paper. Gemeinsam mit der Phoenix Group werden wir im April 2021 einen Artikel zum Thema Netto-Null in der SAA veröffentlichen.
Wie lässt sich beurteilen, ob ein Portfolio auf dem Weg zur Netto-Null im Jahr 2050 ist?
1 Dafür bedarf es eines robusten Zielsetzungsrahmens.
Eine der Herausforderungen bei Netto-Null-Investitionen besteht darin, belastbare und sinnvolle Ziele zu entwickeln und zu verstehen, welche Treiber für Fortschritte in Richtung dieser Ziele sorgen. Der Fortschritt bei der Dekarbonisierung muss im Vergleich zum Netto-Null-Emissionspfad 2050 verfolgt werden – das bedeutet eine Emissionsreduzierung von etwa 40-50 % bis 2030. Die Net Zero Asset Owner Alliance schlägt in ihrem Zielsetzungsprotokoll ein Emissionsreduktionsziel von 16-29% bis 2025 vor, wobei absolute oder intensitätsbezogene Kohlenstoffmetriken zum Einsatz kommen sollen. Bei Letzteren werden die absoluten Emissionen normalisiert; zum Beispiel, indem die Emissionen durch den Umsatz oder den Fondswert dividiert werden. Intensitätsmetriken sind zwar als Barometer für den Status quo auf dem Weg zu den Dekarbonisierungszielen nützlich, müssen aber sorgfältig interpretiert werden. Die intensitätsbezogene Kohlenstoffmetrik könnte aufgrund von Veränderungen des Nenners (z.B. steigende Umsätze) selbst dann sinken, wenn die absoluten Emissionen ansteigen.
Darüber hinaus ist es wichtig, geeignete Ziele auf Portfolio-, Länder-, Branchen- und Unternehmensebene sorgfältig zu bewerten. Auf Sektorebene können sich die Kosten der Emissionsminderung und die verfügbaren Technologien erheblich unterscheiden, was wiederum Auswirkungen auf die optimalen Dekarbonisierungspfade hat. Was zum Beispiel für die Stromerzeugung angebracht ist, wo kostengünstige erneuerbare Energien die Dekarbonisierung vorantreiben können, wäre für den Langstreckentransport wie die Schifffahrt nicht geeignet. Auch eine geographische Dimension sollte mit einfließen, da die Industrieländer die Dekarbonisierung vermutlich schneller vorantreiben als die meisten Schwellenländer, selbst wenn sich alle auf einem Netto-Null-Pfad befinden. Wenn es um die Netto-Null-Ziele von Unternehmen geht, untersuchen wir in unserem Artikel „Netto-Null-Emissionen – leere Versprechungen??“,
wie sich ihre Glaubwürdigkeit einschätzen lässt. Wir entwickeln derzeit einen Rahmen für die Festlegung von Netto-Null-Zielen, in den diese Überlegungen einfließen werden.
2 Eine zukunftsgerichtete Perspektive
Außerdem ist es wichtig, bei der Portfoliozusammenstellung vorausschauend vorzugehen. Wir blicken dabei nicht nur auf die gegenwärtigen Kohlenstoffemissionen, sondern beschäftigen uns darüber hinaus mit der Frage, wie sich die Emissionen eines Unternehmens oder eines Vermögenswerts auf der Grundlage der Übergangspläne künftig entwickeln werden – und ob dies mit dem angestrebten Dekarbonisierungsziel in Einklang steht.
Um hier eine Einschätzung treffen zu können, setzen wir auf ein profundes Research mit ausgefeilten Tools, darunter z.B. unser Rahmenwerk für die Klimaszenarioanalyse. So können wir die mit verschiedenen Klimaszenarien (darunter Netto-Null bis 2050) verbundenen Risiken und Chancen bewerten sowie die angestrebten Dekarbonisierungsziele und die Auswirkungen des Szenarios von Netto-Null bis 2050 auf die Vermögenswerte nachvollziehen. Weitere Einzelheiten sind hier unserem kürzlich veröffentlichten Whitepaper zu Klimaszenarien nachzulesen.
Bei unseren aktiv verwalteten Produkten beurteilen wir darüber hinaus die Positionierung der Unternehmen sowie die Dekarbonisierungsstrategien und -ziele der Managementteams, um selbst einschätzen zu können, wie gut die Unternehmen auf den Übergang vorbereitet sind – dies gilt insbesondere für die größten Emittenten. Die Grundlage hierfür bilden aktives Research und Engagement, unterstützt durch Kennzahlen wie dem SBT- und dem TPI-Score.
Was kommt als Nächstes?
Wir sind stolz darauf, Teil der Net Zero Asset Management Initiative zu sein, und werden auch künftig gemeinsam mit unseren Mitbewerbern und Kunden Best Practices bei Netto-Null-Investitionen fördern, beispielsweise durch unsere langfristige Unterstützung der IIGCC Paris Aligned Investment Initiative. Wir arbeiten an der Entwicklung von Netto-Null-Lösungen über verschiedene Anlageklassen hinweg, wobei wir uns auf die Energiewende in der realen Welt konzentrieren. Zu gegebener Zeit werden wir genauer darüber informieren.
Zudem werden wir uns im Rahmen unserer Global Climate Action Veranstaltungsreihe auf dem im Juni stattfindenden nächsten Event mit dem Thema Netto-Null-Anlagelösungen befassen und unsere Erkenntnisse zu verschiedenen Anlageklassen vorstellen. Hier können Sie sich die vorherigen Veranstaltungen ansehen.
Eva Cairns, Senior ESG Investment Analyst, Aberdeen Standard Investments
¹ Energy Transitions Commission: Making Mission Possible, September 2020
² Energy & Climate Intelligence Unit, Zugriff am 18. März 2021: https://eciu.net/netzerotracker
³ UN Emissions Gap report 2020, Zugriff am 19. März 2021: https://www.unep.org/emissions-gap-report-2020
⁴ UNFCC NDC Synthesis report, Februar 2021, Zugriff am 19. März 2021
⁵ IIGCC Net Zero Investment Framework, März 2021