Während der landesweiten Feiertage vom 1. bis zum 5. Mai begaben sich 230 Millionen Chinesen auf Inlandsreisen1 – dies ist mehr als die Hälfte der Gesamtbevölkerung der Europäischen Union. Die Zahlen dürften wesentlich dazu beitragen, das Anlegervertrauen in das Wachstumspotenzial Chinas wiederherzustellen.
Während der Feiertage strömten überdies 44 Millionen chinesische Touristen wieder in die Kinos, wobei sie die vergünstigten Ticket-Preise ausnutzten. Der Erlös an den Kinokassen belief sich auf insgesamt 1,7 Mrd. RMB (263 Mio. USD).
Die im Süden des Landes gelegene Provinz Hainan ist ein Mekka für Inlandstouristen, die Luxusgüter steuervergünstigt erwerben wollen. Die Besucherzahlen stiegen dort um 20% gegenüber dem im Jahr 2019 vor der Pandemie verzeichneten Niveau. Die Duty-Free-Shops der Provinz wurden von 121.000 Käufern aufgesucht, die im Verlauf der Feiertage Ausgaben in Höhe von insgesamt 154 Mio. USD tätigten.2
Zu den zehn beliebtesten Reisezielen zählten der Shanghai Disneyland Park, die Gärten des Neuen Sommerpalastes in Peking und das Zuchtzentrum für Große Pandas in Sichuan. Aus den Online-Reisedaten geht hervor, dass es sich bei zwei Dritteln der Touristen um Menschen im Alter bis 35 Jahre und bei einem Drittel um Familien handelte.
Insgesamt fiel die Zahl der Reisenden um 3% höher aus als das im Zuge der Feierlichkeiten zur Goldenden Woche im Oktober 2019 – nur wenige Monate vor Ausbruch des tödlichen Coronavirus – registrierte Vorpandemiehoch. Daraus lässt sich schließen, dass der starke Reiseverkehr im Inland zumindest zum Teil auf die globalen Reisebeschränkungen zurückzuführen ist.
Obschon der Gesamtumsatz im Tourismusbereich während der fünftägigen Feiertagspause mit 17,5 Mrd. USD eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Vorjahr darstellte, blieb er doch um 23% hinter dem 2019 erreichten Niveau zurück.3 Dies ist wahrscheinlich zum Teil eine Folge der Gebührenbefreiungen und der Ausgabengutscheine, die zur Belebung der sozialen Aktivitäten verteilt wurden.
Die Behörden haben dem Wachstum im Tourismusbereich den Weg geebnet, indem sie ihre Impfbemühungen Ende März intensivierten. Mittlerweile werden in China Berichten zufolge täglich sieben Millionen Impfdosen verabreicht. Das Land befindet sich somit auf dem Weg, bis Juli 40% und bis September zwei Drittel seiner Bevölkerung geimpft zu haben.
Es hat zudem den Ausblick für den Konsum und die Unternehmensgewinne angehoben. Dies steht in deutlichem Kontrast zur Situation vor einigen Monaten, als die Behörden die Bürger infolge eines vorübergehenden sprunghaften Anstiegs der Covid-19-Infektionszahlen dazu angehalten hatten, während des chinesischen Neujahrsfestes im Februar von nicht unbedingt notwendigen Reisen abzusehen.
In diesem Zeitraum kam es auch zu einer deutlichen Korrektur am Aktienmarkt, da die chinesische Zentralbank als Reaktion auf die Konjunkturerholung im Land von einer lockeren auf eine neutrale Geldpolitik umschwenkte.
Die Angst vor einer geldpolitischen Straffung veranlasste die Anleger dazu, von wachstumsorientierten Sektoren in Substanz- und zyklische Segmente umzuschichten. Der Basiskonsumgütersektor büßte im Monat nach dem chinesischen Neujahr 23% ein, während Gesundheitstitel ebenfalls um 23% einbrachen und zyklische Konsumgüterwerte ein Minus von 16% verzeichneten.4
Die Nutzung konventioneller geldpolitischer Instrumente zur Verringerung der Marktliquidität stellte jedoch keine Straffung per se dar, sondern diente dazu, die Geldpolitik wieder neutraler auszurichten. China behält nach wie vor eine orthodoxe Politik bei. Die Zentralbanken in den Industrieländern scheinen hingegen bereits längst vergessen zu haben, was das bedeutet.
Mitte März hoben die chinesischen Entscheidungsträger die Reisebeschränkungen im Inland auf. Das Leben ist mit Ausnahme des Auslandsreiseverkehrs derart schnell wieder zu einer gewissen Normalität zurückgekehrt, dass die Bürger schon gar nicht mehr von einer Wiedereröffnung sprechen. Zusammen mit den Impfbemühungen hat dies wesentlich dazu beigetragen, das Verbraucher- und Anlegervertrauen zu stärken.
Ab Mitte April erlebten zahlreiche Qualitäts-Konsumgüterunternehmen allmählich einen Anstieg ihrer Aktienkurse. Ermutigend für Anleger ist aber, dass eine Reihe von Qualitätstiteln nach wie vor um 15-25% günstiger bewertet sind als vor dem chinesischen Neujahrsfest, während sich die Fundamentalfaktoren weitgehend unverändert gestalten.
Mit Blick auf die Zukunft spricht vieles für einen positiven Ausblick am Markt für chinesische A-Aktien. Die Wirtschaft des Landes dürfte in diesem Jahr um 9% wachsen.
Unter den im S&P 500 vertretenen Unternehmen sind Aktienrückkäufe, die oftmals durch günstige Kredite finanziert werden, weit verbreitet. Chinesische Unternehmen legen den Schwerpunkt hingegen auf die Entschuldung und versuchen, das finanzielle Risiko zu mindern.
Darüber hinaus sind chinesische A-Aktien auf Basis des Kurs-Buchwert- sowie des Kurs-Gewinn-Verhältnisses mittlerweile beinahe 50% bzw. über 30% günstiger bewertet als S&P-500-Titel.5
Wir sind nach wie vor stark vom Premiumisierungstrend in China und somit davon überzeugt, dass die Urbanisierung und der wachsenden Wohlstand der Mittelschicht die Nachfrage nach Premiumgütern und -dienstleistungen langfristig ankurbeln werden. Zu unseren bevorzugten Segmenten zählen Gesundheit, Vermögensverwaltung, Versicherungen und Luxusgüter.
Wir rechnen zudem mit einem Wachstum in den Bereichen Cloud Computing, 5G, Gaming und Lieferdienste angesichts der sich infolge von Covid-19 wandelnden Arbeits- und Konsummuster sowie bei erneuerbaren Energien, die von den diesbezüglichen Maßnahmen der Regierung profitieren.
Die Ferientage anlässlich des Tages der Arbeit haben den Anlegern allen Grund dazu gegeben, China wieder positiv einzuschätzen, und uns allen einen Blick darauf gewährt, wie sich das Leben nach den Lockdowns gestalten könnte.
1 Kultur- und Tourismusministerium Chinas
2 Goldman Sachs Equity Research
3 Citi Research
4 CSI300 Index, 10. Februar – 19. März 2021, Bloomberg, Aberdeen Standard Investments
5 Bloomberg, Aberdeen Standard Investments, 7. Mai 2021