Viele europäische Konsumgüter- und Luxusmarken haben eine lange Tradition. Sie sind sehr begehrt und können nur schwer kopiert werden.
Europäische Unternehmen profitieren von führenden Positionen in zahlreichen globalen Branchen wie Industrie und Pharma. Viele europäische Konsumgüter- und Luxusmarken haben eine lange Tradition. Sie sind sehr begehrt und können nur schwer kopiert werden. Verschiedene Unternehmen warten mittlerweile mit einem hohen Maß an Produktinnovation auf und können es in Bereichen wie Technologie und Finanzdienstleistungen mit der weltweiten Konkurrenz aufnehmen.
Die Politik in Europa ist erfahrungsgemäß komplex, da die einzelnen EU-Mitgliedstaaten unterschiedliche politische, wirtschaftliche und kulturelle Prioritäten setzen. Einige Anleger haben sich mit diesem Mangel an koordinierter Politik schwer getan. Im Zuge der Covid-19-Pandemie scheint sich dies jedoch geändert zu haben. Die Europäische Union hat vielfach dezidiert entschieden und nachdrücklich reagiert. Beim EU-Aufbaupaket „Next Generation EU“ steht der Klimawandel ganz oben auf der Prioritätenliste. Darüber hinaus rief EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für das Jahr 2020 den Beginn des „digitalen Jahrzehnts“ in Europa aus.
Dabei geht es nicht nur um politische Ambitionen und Initiativen auf Länderebene – es gibt konkrete Anzeichen für eine Entwicklung weg von der „Old Economy“ innerhalb des europäischen Marktes hin zu wachstumsstärkeren Sektoren. Technologie ist mittlerweile der größte Sektor im Euro STOXX50, während der Anteil von Finanz- und Energiewerten in den letzten zehn Jahren deutlich zurückgegangen ist. Nach und nach dürfte sich dies in einem stärkeren Gewinnwachstum niederschlagen.
Die Daten lassen auf einen hohen Innovationsgrad am Markt schließen. Der Innovationsindex von Bloomberg für das Jahr 2021, der Faktoren wie F&E-Intensität, Wertschöpfung der Produktion, Produktivität und Patentaktivität berücksichtigt, führt sieben europäische Unternehmen unter den Top 10. Die USA sind dagegen aus den Top 10 gerutscht und China rangiert auf Platz 16.
Das industrielle Erbe und der Aufstieg der großen Nischenplayer
In der Vergangenheit vermittelte das industrielle Erbe Europas den Eindruck, der Markt sei zyklisch. Er hat aber auch einige der am besten positionierten Unternehmen des Kontinents hervorgebracht. In ganz Europa finden sich zahlreiche große Nischenplayer. Diese Unternehmen profitieren von der Kraft ihrer Tradition, einem starken Fokus auf Kernkompetenzen innerhalb ihrer Nischen sowie langfristigen Zeithorizonten, häufig ermöglicht durch Familienbesitz. Der deutsche Mittelstand – eine Reihe kleiner und mittlerer Unternehmen, die in attraktiven Nischen tätig sind – verkörpert dies vielleicht am besten. Sie befinden sich in der Regel in Familienbesitz und sind oft sehr innovativ.
In Europa gibt es zahlreiche große Nischenanbieter. Nachfolgend einige Beispiele.
- Knorr Bremse (Bremssysteme)
- MTU (Triebwerke)
- Atlas Copco (Industriekompressoren)
- Assa Abloy (Schlösser)
- Kone (Fahrstühle)
- Kingspan (Isolierung)
Technologische Innovation in der „New Economy“
Das Markenerbe und die technische Kompetenz gehören zu den wesentlichen Pluspunkten der großen Nischenanbieter in Europa. Allerdings spielen europäische Unternehmen mittlerweile auch in aufstrebenden und schnell wachsenden Teilen der Wirtschaft zunehmend eine dominierende Rolle.
Betrachten wir zum Beispiel Nemetschek. Seine komplexe Software unterstützt Architekten, Ingenieure und die Bauindustrie dabei, Bauprojekte über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg besser zu steuern und zu verwalten. Die Lösungen erstrecken sich auf sämtliche Prozesse von der Stahlfaserbeton-Messung und -Berechnung bis hin zum Ausschluss von Mängeln vor Baubeginn. Dies fördert die Effizienz und kann gleichzeitig Abfall und Kosten reduzieren.
Führend bei Konsumgütern
Viele verbinden Europa mit der Luxusgüterindustrie und Unternehmen wie Hermes, LVMH, Richemont oder Kering. Diesen Ruf verdankt Europa zum Teil seiner langen Tradition im Bereich der handwerklichen Fertigung, kombiniert mit Familienbesitz, der in vielen Fällen über mehr als ein Jahrhundert stabil geblieben ist. Hermes wurde zum Beispiel 1837 gegründet und belieferte zunächst die Oberschicht mit Sätteln. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erfolgte dann der Umstieg auf die bekannten Lederhandtaschen Laut Reuters besitzt die Familie immer noch 67% der Firmenanteile.
Die Luxusindustrie ist zu einem „Winner takes all“-Markt geworden, in dem die 20 größten Unternehmen, von denen die meisten in Europa ansässig sind, den gesamten wirtschaftlichen Gewinn erzielen. Eine begehrte Marke mit langer Tradition stellt einen enormen immateriellen Wettbewerbsvorteil dar. Daher wenden die europäischen Luxusgüterunternehmen viel Zeit, Mühe und Geld auf, um dieses Image weiter zu pflegen. Dies ist eine wertvolle Qualität in einer Branche, in der Wachstum attraktiv ist. Da der Anteil der Käufe seitens chinesischer Konsumenten zunimmt, dürfte dies auch in Zukunft so bleiben. Wie das Branchenportal Business of Fashion berichtet, entfällt auf China ca. 30 % der Branchennachfrage – und diese wächst in einem Ausmaß, das Europas Vorherrschaft im Luxusbereich in den nächsten zehn Jahren untermauern dürfte.
In Europa gibt es auch außerhalb der Luxusbranche Unternehmen mit robusten Markenportfolios. Konsumgüterhersteller aus der EU geben in der Regel mehr für den Schutz und die Entwicklung dieser Marken aus als ihre Konkurrenten. Auch fallen die Forschungs- und Entwicklungsausgaben relativ zu den Umsätzen höher aus als bei ihren US-Pendants, was sich in der Regel auf lange Sicht in einem überlegenen Wachstum niederschlägt.
Champions in Sachen Umwelt
Europa nimmt auch im Bestreben nach einem „verantwortungsbewussten Kapitalismus“ eine Vorreiterrolle ein. Der Kontinent ist fest in der globalen Wertschöpfungskette der erneuerbaren Energien verankert und einige der weltweit bedeutendsten Entwickler in diesem Bereich sind hier ansässig. Der Sektor stand nach der globalen Finanzkrise vor großen Herausforderungen, da Überkapazitäten an den Stromerzeugungsmärkten die Gewinne belasteten. Die entsprechenden Unternehmen haben jedoch mutige Schritte in Richtung Umstrukturierung und Investitionen unternommen, um diese Herausforderungen zu meistern und sich als weltweit führende Anbieter im Bereich der erneuerbaren Energien zu etablieren.
Die Offshore-Windindustrie ist ein interessantes Beispiel. Bis vor Kurzem war diese Branche auf Europa fokussiert. Inzwischen erleben wir eine rasante internationale Expansion. Eines der Unternehmen, die hier tätig sind, ist Orsted. Es steht in dem Ruf, die Komplexitäten der Branche meistern zu können. Corporate Knights – das Magazin für sauberen Kapitalismus – krönte Orsted im Januar 2020 zum nachhaltigsten Unternehmen der Welt.
In Europa finden sich auch Unternehmen, die innerhalb der Lieferkette für erneuerbare Energien operieren, wie zum Beispiel die Windturbinenhersteller Vestas und Siemens-Gamesa. Europa als Region ist diesbezüglich durchaus bedeutsam. Die Märkte sind aber globaler Natur. Tatsächlich bilden die USA den größten Einzelmarkt für Vestas. Dort wird das Thema Klimawandel unter der Regierung von Präsident Biden wieder in den Mittelpunkt gerückt.
Abschließende Erwägungen …
Assoziiert man Europa lediglich mit der „Old Economy“, mit fehlender Innovationskraft und schwachem Wachstum, so werden wichtige fundamentale Veränderungen außer Acht gelassen. Europa ist Heimat einiger der führenden Industrieunternehmen und Konsumgütermarken, von denen wir glauben, dass sie auch langfristig gut positioniert sind. Wie wir dargelegt haben, erfolgt auch eine Entwicklung hin zur „New Economy“. Besonders hervorzuheben ist, dass sowohl die Politik als auch die Unternehmen bei der Bewältigung der ökologischen Herausforderungen eine klare Führungsrolle übernehmen. Zusammengenommen eröffnen diese Faktoren unserer Meinung nach viele attraktive Möglichkeiten für engagierte Bottom-up-Anleger.
Tom Dorner und Stuart Brown, Investment Directors, European Equities, ASI
Die Unternehmensauswahl dient lediglich Illustrationszwecken und als Beispiel für den beschriebenen Anlagestil, sie stellt keinerlei Anlageempfehlung oder Hinweis auf die künftige Entwicklung dar.