„Hinsichtlich der politischen Veränderungen gibt es sowohl Gewinner als auch Verlierer. Erfreulich ist, dass die Regierung die Binnenwirtschaft stärken und die Eigenständigkeit des Landes ausbauen möchte. Im Fokus stehen der Binnenkonsum und nationale Marken. Die Regierung fördert zudem das Streben nach heimischer Technologieführerschaft in Branchen wie der Halbleiterindustrie. Da in China derzeit eine grüne Revolution mit starkem Engagement für Netto-Null-Emissionen stattfindet, wird der Versorgungssektor gerade grundlegend umgebaut. Den Immobiliensektor könnte es härter treffen, da erschwinglicher Wohnraum zu den Prioritäten der Regierung gehört, doch die Unternehmen dürften sich an die neuen regulatorischen Anforderungen anpassen.
Zwei weitere Bereiche, bei denen unseres Erachtens ebenfalls Negativeffekte zu spüren sein könnten, sind der Gesundheits- und der Bildungssektor. Gesundheit soll nach dem Willen der chinesischen Führung erschwinglich werden, und alle Bürger sollen Zugang zu medizinischen Grundversorgungsleistungen bekommen. Das dürfte den Sektor unter Druck setzen. Da Forschung und Entwicklung jedoch weiterhin vorangetrieben werden, dürften sich in diesem Bereich auch immer wieder interessante Chancen eröffnen. Im Bildungssektor missfällt der Regierung offenbar das Engagement des Privatsektors. Unternehmen, die Dienstleistungen wie Privatunterricht anbieten, mussten daher Verluste hinnehmen.
Gemeinsamer Wohlstand
Betrachtet man das Streben nach gemeinsamem Wohlstand nicht als Feldzug gegen Milliardäre, sondern als Ambition, dass mehr Menschen über ein höheres Einkommen verfügen, vermehrt lokale Marken entwickelt werden und China Unternehmen vorweisen kann, die das Land auf der internationalen Bühne repräsentieren, ergibt sich ein positiveres Bild. Bildung, Wohnraum und Gesundheit sind wichtige Themen für die Bevölkerung, weshalb die ergriffenen Maßnahmen bei den Bürgern gut ankommen werden. Zwar ist davon auszugehen, dass weitere regulatorische Vorschriften erlassen werden. Die Regierung wird jedoch darauf bedacht sein, weder das Wachstum noch die Innovationen zum Erliegen zu bringen, was ausgleichende Wirkung haben sollte.
China und ESG-Belange
Inzwischen können wir auch mit jedem chinesischen Unternehmen in einen Dialog über ESG-Belange treten, und selbst die Aufsichtsbehörden sind offen für Gespräche über das Thema ESG. Das war vor zehn Jahren noch anders. Allerdings ist das Bewusstsein für ESG-Aspekte in China weniger stark als in anderen Ländern. Es liegt in unserer Verantwortung als Anleger, einen Beitrag zur Schärfung des Bewusstseins für ESG-Aspekte und zur Förderung von ESG-Belangen zu leisten. Dass chinesische Unternehmen häufig schlecht abschneiden, liegt aber häufig nicht an ihrem mangelnden Interesse an ESG-Themen, sondern daran, dass sie diese Informationen nicht offenlegen.
Eine Kaufgelegenheit?
China ist derzeit weltweit führend. Es bekam die Auswirkungen des Coronavirus als erstes zu spüren, und erholte sich als erstes Land von der Pandemie. Allerdings verlangsamt sich das chinesische Wachstum gegenwärtig wieder, und bei größeren Unternehmen hat eine Abschwungphase eingesetzt. China wird unseres Erachtens wieder Lockerungsmaßnahmen ergreifen, und wir gehen davon aus, dass eine Konjunkturerholung einsetzen wird. Zwischenzeitlich könnte auch in anderen Volkswirtschaften eine erneute Abschwächung eintreten, während die chinesische Wirtschaft bereits wieder zum Aufschwung ansetzt.
Unseres Erachtens bieten sich daher gute Gelegenheiten, in chinesische Titel zu investieren. Für die meisten ausländischen Anleger ist der Online-Handel besonders interessant. Wir würden uns derzeit aber noch mit einem Engagement zurückhalten. Bei diesen Unternehmen handelt es sich jedoch um starke Werte, die auf längere Sicht gut abschneiden dürften, da sie bei der Entwicklung des Landes nach wie vor eine wichtige Rolle spielen. Wir konzentrieren uns auf jene Unternehmen, die von den Regulierungen weniger stark betroffen oder anpassungsfähig sind. So ist die Regierung darauf bedacht, Innovationen, grüne Technologien, bezahlbare Gesundheitsleistungen, verbesserte Lebensbedingungen und den inländischen Konsum zu fördern.
Basierend auf dem Kurs-Buchwert-Verhältnis bleibt der MSCI China A Onshore derzeit 50 % hinter dem S&P 500 zurück und ist bezogen auf das KGV 35 % günstiger bewertet als sein Pendant aus den USA. Dieser Abschlag verdeutlicht, dass ein Großteil des Risikos bereits eingepreist ist."