Aber waren die Gespräche nun ein Erfolg oder nicht? Wieviel näher ist die Welt ihrem Ziel gekommen, den globalen Temperaturanstieg auf höchstens 1,5 C im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu begrenzen?
In einem früheren Beitrag – Letzte Chance für das Klima – nannten wir sechs Punkte, die wir uns für die COP26 wünschten.
Dabei handelte es sich um eine Liste an Maßnahmen, die ergriffen werden müssen, um letztendlich das 1,5 C-Ziel zu erreichen.
Was wir gesagt haben: Die Länder sollten ihre Emissionsreduzierungsziele anheben, sodass die globalen Gesamtemissionen dem Ziel eines Temperaturanstiegs von unter 2 C entsprechen.
Was geschah: Die während der Konferenz angekündigten Maßnahmen könnten potenziell zu einer Erderwärmung von unter 2 C beitragen. Das Klimaabkommen von Glasgow (Glasgow Climate Pact) verankert das Ziel von 1,5 C (das ambitioniertere der Ziele des Übereinkommens von Paris aus dem Jahr 2015), und es war das erste Mal, dass die Regierungen tatsächlich Emissionsziele verabschiedeten, die auch ambitioniert genug sind, um die globale Erwärmung auf unter 2 C zu begrenzen. Die Länder haben den „Ratschenmechanismus“ angepasst, um das Datum, an dem die Ziele für 2030 überprüft werden sollen, von 2025 auf 2022 vorzuziehen. Zuversichtlich stimmt auch, dass China und die USA – und damit die beiden größten Emittenten – bekanntgaben, in Sachen Klimaschutz enger zusammenarbeiten zu wollen.
Viele der Versprechen können jedoch als „Pläne für Pläne“ bezeichnet werden. Es sind nur wenige Einzelheiten darüber bekannt, wie sie erreicht oder finanziert werden sollen. Darüber hinaus besteht eine zu große Abhängigkeit von zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht entwickelten Technologien. Es sind Maßnahmenpläne vonnöten, die die globalen Emissionen bis 2030 um die Hälfte senken, und nicht nur vage längerfristige Ambitionen. Selbst wenn alle im Rahmen der COP26 abgegebenen Versprechen rasch umgesetzt werden, wird im Best-Case-Szenario mit einer Erderwärmung um 1,8 C gerechnet. Eine Analyse der glaubwürdigen Emissionsreduzierungsverpflichtungen zwischen heute und 2030 legt einen Temperaturanstieg von eher 2,4 C nahe. Unserer Klimaszenarioanalyse liegt die Annahme zugrunde, dass die wahrscheinlichste Entwicklung etwa in der Mitte dieser beiden Ergebnisse angesiedelt ist.
Was wir gesagt haben: So viele Industrieländer wie möglich müssen sich zu Netto-Null-Zielen bis 2040 verpflichten.
Was geschah: Diejenigen Industrieländer, die Netto-Null-Ziele verfolgen, legen den Fokus weiterhin auf 2050 als Zieljahr. Und vielen dieser Ziele mangelt es nach wie vor an Glaubwürdigkeit. Sofern die Schwellenländer nicht eine vollständige Dekarbonisierung bis 2050 erreichen, müssen die wohlhabenden Nationen ihre Emissionsreduzierungsbemühungen vorantrieben, damit das 1,5 C-Ziel eine realistische Möglichkeit bleibt. Ansonsten reicht es hinten und vorne nicht.
Dies ist auch deshalb wichtig, damit ein „gerechter Übergang“ sichergestellt wird, in dessen Rahmen reiche Nationen ihre Emissionen schneller senken, um die zu erwartende und plausible langsamere Entwicklung in ärmeren Ländern auszugleichen. Beispielsweise war Indien eines von mehreren Ländern, die für eine Abschwächung der Verpflichtungen in Bezug auf Kohle von einem „Ausstieg“ zu einer „Verringerung“ plädierten. Denn neben dem Übergang zu einer nachhaltigeren Wirtschaft hat Indien zudem mit Armut zu kämpfen. Das Land hat seine Emissionsreduzierungsziele verstärkt (Klimaneutralität bis 2070 und Strom zu 50% aus erneuerbaren Energien bis 2030), benötigt aber gleichzeitig finanzielle Unterstützung, um diesen Wandel umzusetzen. Indonesien strebt ebenfalls Netto-Null-Emissionen bis 2060 an. Um dies zu schaffen, ist das Land aber auf angemessene finanzielle Hilfsleistungen angewiesen.
Das Unvermögen der Industrieländer, ihre Dekarbonisierungspläne im Rahmen der COP26 vorzuziehen, ist einer der Hauptgründe, warum wir es nach wie vor für unwahrscheinlich halten, dass die im Zuge des Übereinkommens von Paris formulierten Ziele erreicht werden.
Was wir gesagt haben: Die Länder müssen ihre Zielsetzungen durch konkrete Maßnahmen wie verbindliche Gesetze, höhere CO2-Preise, gemeinsame politische Maßnahmen auf allen Regierungsebenen und höhere Ausgaben für die Forschung und Entwicklung kohlenstofffreier Alternativen untermauern.
Was geschah: Es wurden ehrgeizige Ziele von ranghohen Regierungsvertretern formuliert, aber es mangelt nach wie vor an Belegen dafür, dass diese Bestrebungen auch durch die Gesetzgebung gestützt werden. Zwar ist es noch zu früh, wesentliche Fortschritte in diesem Bereich auszuschließen. Die aktuelle Lage deutet aber darauf hin, dass Gesetzesänderungen nicht ausreichen werden. Dies liegt zum Teil daran, dass die inländische Politik eine große Rolle bei dieser letztendlich globalen Herausforderung spielt.
Indes kommt den Gerichten eine hohe Bedeutung zu, da sie ein immer wichtigeres Instrument gegen Untätigkeit darstellen werden. Den Mittelpunkt künftiger Gesetzgebung wird das Thema „Verlust und Schaden“ darstellen. Damit sind die Auswirkungen des Klimawandels gemeint, an die wir uns nicht anpassen können und bei denen die Schäden oft umfangreich und permanent sind. Allerdings muss man sich auch der Grenzen des Rechtsweges bewusst sein: Die meisten Gerichte weisen einen nur begrenzten Zuständigkeitsbereich auf, in vielen Ländern sind sie politisch nicht unabhängig und sie können durch kulturelle Vorurteile beeinflusst werden.
Was wir gesagt haben: Durch höhere CO2-Preise generierte Einnahmen müssen in fortschrittliche politische Initiativen gelenkt werden, darunter eine Reform der Steuer- und der Übertragungsmechanismen.
Was geschah: In beinahe jeder Volkswirtschaft mangelt es weiterhin an einer angemessenen CO2-Bepreisung. Beispielsweise sind nur rund 20% der globalen Emissionen mit einem CO2-Preis belegt, der in den meisten Fällen viel zu niedrig angesetzt ist. Daher werden nicht sehr viele Einnahmen generiert, die in andere Klimainitiativen gelenkt werden können. Selbst in der Europäischen Union, die in Sachen Klimaschutz eine Führungsrolle einnimmt, wird ein Großteil der Einnahmen für den Ausgleich bei CO2-Emittenten aufgewendet. Dies war Teil des Deals, mit dem Länder mit hohem CO2-Ausstoß dazu bewegt werden sollten, sich dem Programm anzuschließen. Das bedeutet aber, dass weniger Mittel zur Finanzierung anderer Initiativen zur Verfügung stehen.
Wir hoffen, dass sich dies ändert. Bis die national festgelegten Beiträge (Nationally Determined Contributions, NDCs), bei denen es sich um die Ziele der einzelnen Länder zur Minderung der Treibhausgasemissionen handelt, im nächsten Jahr im Rahmen des Ratschenmechanismus einer Prüfung unterzogen werden, halten wir Ausschau nach wesentlichen Gesetzesänderungen. Dazu zählen Bestrebungen, die CO2-Preise den jüngsten Versprechen anzugleichen.
Was wir gesagt haben: Die Länder müssen den Umfang des Green Climate Fund (GCF) verdreifachen und Sustainable Development Mechanism (SDM) vorantreiben, um der fairen Wende unter die Arme zu greifen.
Was geschah: Die wohlhabenden Länder waren nicht in der Lage, ihre Hilfszahlungen an die Schwellenländer deutlich auszuweiten. Diese sollen die ärmeren Länder beim Übergang und der Anpassung an den Klimawandel unterstützen. Für diesen Zweck wurden 100 Mrd. USD pro Jahr zugesagt, und die erste Auszahlung dürfte unseres Erachtens 2023 erfolgen. Japan hat zusätzliche Mittel in Aussicht gestellt. Überdies wurde finanzielle Unterstützung speziell für die Anpassung an den Klimawandel zugesichert. Schätzungen zufolge übersteigen die Anpassungskosten in den armen Ländern die zur Verfügung stehenden Mitteln jedoch um das 5- bis 10-Fache. Diese Lücke wird sich mit zunehmender Schwere der physischen Auswirkungen des Klimawandels noch vergrößern.
Für die Industrieländer besteht eine Reihe von Gründen, Hilfe zu leisten: Die Schwellenländer tragen die geringste Mitschuld am Klimaproblem, müssen aber einen enormen Teil ihres Haushalts zur Bekämpfung der Schäden aufwenden, vielen Schwellenländern mangelt es – zumindest bislang – an tragfähigen Energiealternativen und die Dekarbonisierung gestaltet sich für eine rasch wachsende Volkswirtschaft schwieriger, da die Reduzierung der CO2-Intensität bei starkem Wachstum mit jedem Jahr höher ausfallen muss. Daher müssen die Industrieländer noch mehr tun. Sie müssen prüfen, wie sie ihre Bemühungen ausweiten und ihre Netto-Null-Bestrebungen vorantreiben, Subventionen für fossile Brennstoffe einstellen und die Versprechen in Bezug auf die Klimafinanzierung einhalten können. Nur dann werden die Schwellenländer in der Lage sein, ihren Teil beizutragen.
Was wir gesagt haben: Die Finanzbranche muss klare Rahmenwerke für Klimaberichte und Standards im Einklang mit den Empfehlungen der Task Force on Climate-Related Financial Disclosures (TCFD) implementieren.
Was geschah: Die Finanzbranche stellte einen wichtigen Aspekt im Rahmen der COP26 dar, wobei Großbritannien den Ton angab. Die Briten planen, das weltweit erste Finanzzentrum zu etablieren, das sich an den Netto-Null-Zielen orientiert. Die Glasgow Financial Alliance for Net Zero (GFANZ) gab bekannt, dass 450 ihrer Mitglieder (zu denen auch abrdn zählt), die rund 130 Bio. USD an Privatvermögen verwalten, bereit sind, ihr Kapital zur Erreichung der Netto-Null-Ziele zur Verfügung zu stellen. Dies entspricht rund 40% der globalen Finanzanlagen.
Dennoch sollte diese Zahl nicht einfach für bare Münze genommen werden, da sie das Gesamtvermögen der GFANZ-Mitglieder widerspiegelt und nicht jenes, das mit den Netto-Null-Zielen in Einklang steht. Die meisten Mitglieder sind sich im Klaren darüber, dass die globale Politik den Weg ebnen muss, damit sie ihre eigene Finanzierung am 1,5 C- oder auch nur dem 2 C-Ziel ausrichten können.
Gleichwohl haben alle Mitglieder zugesichert, gemeinsam mit ihren Kunden an Lösungen zu arbeiten, die zu den Netto-Null-Zielen beitragen, und Best Practices für die Branche zu entwickeln. Um eine einheitliche Offenlegung zu fördern und eine umfangreiche Basis für globale Standards in Bezug auf Nachhaltigkeitsberichte zu bieten, wurde das International Sustainability Standards Board (ISSB) ins Leben gerufen. Die meisten Anleger erkennen die Bedeutung der Energiewende- und Dekarbonisierungstrends rund um den Globus. Viele von ihnen nutzen Klimaszenarioanalysen, um Anlagerisiken und -chancen zu identifizieren.
War die COP26 also ein Rückschritt?
Die Klimakonferenz COP26 sendete ein starkes Signal dahingehend, dass positive Veränderungen im öffentlichen wie auch im privaten Sektor stattfinden. Allerdings fallen diese nicht umfangreich genug aus, um die Erderwärmung auf 1,5 C oder gar deutlich unter 2 C zu begrenzen.
Im Rahmen der Konferenz wurden 1,5 C als das globale Klimaziel verankert, wobei Verpflichtungen in Bezug auf die Entwaldung, den Methanausstoß und die Glasgow Breakthroughs Agenda gemacht wurden, die den Fokus auf die Bereitstellung sauberer Technologien legt.
Erstmals wurde auch spezifisch auf einen „allmählichen Ausstieg“ aus Kohle und eine Einstellung der Subventionen für ineffiziente fossile Brennstoffe eingegangen – obschon der Wortlaut zur Enttäuschung vieler Stakeholder in letzter Minute abgeschwächt wurde.
Die Änderungen am Ratschenmechanismus unterstreichen die Dringlichkeit des Klimaproblems, begrenzen das Potenzial für weiteres Zögern und heben die Bedeutung der COP27 hervor.
Allerdings wurden die meisten Änderungen, die wir als notwendig erachteten, nicht umgesetzt (was jedoch nicht überraschend war).
Das Unvermögen, diejenigen Veränderungen umzusetzen, die für ein Erreichen der Ziele des Übereinkommens von Paris nötig sind, bedeutet nicht, dass die Energiewende zum Stillstand kommt. Es legt jedoch nahe, dass sie weiterhin nur langsam voranschreiten wird, was sich wiederum auf die damit verbundenen Anlagerisiken und -chancen auswirkt.
Ob die COP26 ein Erfolg oder ein Misserfolg war, wird sich erst dann zeigen, wenn ersichtlich ist, wie viele Länder ihre Versprechen in glaubwürdige, rechtlich bindende Maßnahmen überführen, um den aktuellen Emissionsanstieg rasch wieder umzukehren. Bis dahin ist das Erreichen der Ziele des Übereinkommens von Paris alles andere als sicher.