Studie zur demografischen Entwicklung: Die Schwellenmärkte sind ihres eigenen Schicksals Schmied

Oftmals wird mit einer günstigen demografischen Entwicklung für eine Anlage in die Schwellenmärkte (Emerging Markets, EM) geworben. Eine jüngere, wachsende Bevölkerung gilt als Garant für eine vitale Wirtschaft und vielfach wird angeführt, das wirtschaftliche Schicksal werde durch die demografische Entwicklung bestimmt. abrdn | 22.02.2022 07:30 Uhr
© Photo by Joseph Chan on Unsplash
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Wie wir jedoch in unserer jüngsten Studie – Emerging market demographics – implications for patterns of growth, interest rates and inflation – festgestellt haben, sind die wirtschaftlichen Auswirkungen der demografischen Entwicklung keineswegs vorherbestimmt. Einzelne Schwellenländer haben unterschiedliche Voraussetzungen.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen der demografischen Entwicklung sind keineswegs vorprogrammiert. Einzelne Schwellenländer haben unterschiedliche Voraussetzungen.

Wachsende Weltbevölkerung

Die Welt erlebt ein starkes Bevölkerungswachstum. Laut Basisszenario der Vereinten Nationen wird die Weltbevölkerung bis 2050 um nahezu 2 Milliarden auf 9,7 Milliarden Menschen wachsen. Bis Ende des Jahrhunderts könnte sie auf 11 Milliarden steigen.

Dabei überrascht es kaum, dass dieser Anstieg nahezu vollständig auf die Schwellenländer zurückgeht.

Auf den Standort kommt es an

Allerdings wird es zwischen den einzelnen Schwellenländern große Unterschiede geben. Afrika dürfte für einen Großteil des Anstiegs innerhalb der Schwellenländer verantwortlich sein – allein in Nigeria wird bis Ende des Jahrhunderts ein Bevölkerungswachstum von über 500 Millionen Menschen erwartet.

Dagegen könnte die alternde chinesische Gesellschaft um 375 Millionen schrumpfen. China ist mit dem Rückgang zwar ein extremes Beispiel – was seiner Ein-Kind-Politik geschuldet ist –, allerdings dürften die meisten großen Schwellenmärkte eine spürbare Alterung ihrer Gesellschaft und damit ein langsameres Wachstum ihrer erwerbsfähigen Bevölkerung (oft als die Bevölkerungsgruppe zwischen 15 und 64 Jahren definiert) verzeichnen.

Hier einige unserer wichtigsten Erkenntnisse:

  • Die Qualität der Arbeitnehmer ist wichtiger als die Anzahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter. Die negativen Folgen einer Überalterung der Gesellschaft dürften durch eine steigende Teilnahme Älterer am Arbeitsmarkt ausgeglichen werden. Qualität ist wichtiger als Quantität – es bleibt genügend Spielraum, sodass ein besseres Bildungsniveau und höher qualifizierte Arbeitnehmer dazu beitragen können, ein langsameres Wachstum der Arbeitnehmerzahl wettzumachen. Lediglich in fortgeschrittenen asiatischen Volkswirtschaften und Osteuropa wird sich die Alterung der Gesellschaft spürbar auf das Wirtschaftswachstum auswirken.
  • Die demografische Entwicklung bildet zwar einen bedeutenden Faktor für den Konjunkturausblick von Schwellenländern, besiegelt aber sicherlich nicht deren Schicksal. Eine geringere Kapitalintensität – die Menge an Maschinen und Ausrüstungen pro Arbeitnehmer – und ein schwächeres Produktivitätswachstum sind in vielen Ländern stärker für die Verlangsamung des Potenzialwachstums verantwortlich als der demografische Wandel. Demnach ist die demografische Entwicklung nur einer von vielen Faktoren für den langfristigen Wirtschaftsausblick.
  • China und Indien werden die Landschaft der Schwellenländer im Jahr 2050 zunehmend dominieren. während Indonesien und Nigeria am deutlichsten aufsteigen und unter die fünf größten Schwellenländer aufrücken werden. Indonesien und Nigeria wiederum werden am stärksten an Bedeutung gewinnen und unter die fünf größten Schwellenmärkten aufrücken. Nur China dürfte auf absoluter Ebene mit der US-Wirtschaft mithalten können und die USA um das Jahr 2033 herum sogar hinter sich lassen.
  • Auffälliger ist noch die sich verändernde Zusammensetzung des Wachstums in den Schwellenländern, wobei der Aufstieg der Mittelschicht zu einem wichtigen Treiber für globale Trends avancieren wird. 2050 könnte der chinesische Konsummarkt sein US-Pendant um 20% übertreffen, und die Gesundheitsausgaben könnten um das Vierfache größer ausfallen.

Was bedeutet dies für Anlagen?

Die demografische Entwicklung ist ein bedeutender Faktor für den langfristigen Konjunkturausblick der Schwellenländer und beeinflusst Unternehmensgewinne sowie Aktienmärkte. Aber der demografischen Wandel wird sich auf weitaus mehr auswirken als nur auf das Wirtschaftswachstum.

Zinsen

Eine alternde Gesellschaft wird mit einem langsameren Wachstum in Verbindung gebracht, ist aber auch verantwortlich für sinkende Ersparnisse. Diese Faktoren wirken sich gegensätzlich auf die Zinsen aus, sodass die Folgen für die zugrunde liegenden realen Gleichgewichtszinsen – das natürliche Zinsniveau – nicht ganz eindeutig sind.

Es ist unklar, ob eine alternde Gesellschaft mit steigenden Zinsen verbunden ist, wie manchmal behauptet wird. Unseres Erachtens könnte der langfristige Abwärtstrend bei den Gleichgewichtszinsen in den nächsten fünf Jahren zwar etwas verhaltener und weniger breit basiert ausfallen, dennoch wird die demografische Entwicklung die Zinsen weiterhin belasten.

Da die Zinsen den Preis einer Reihe von Vermögenswerten beeinflussen, werden niedrigere Zinsen den Wert künftiger Cashflows erhöhen – wodurch die Preise der Vermögenswerte insgesamt gestützt werden dürften.

Inflation

Die Integration der Schwellenmärkte in das globale Finanz- und Handelssystem prägt weiterhin die Anlagelandschaft. Obwohl sich die Globalisierung im letzten Jahrzehnt verlangsamt hat, sorgten globale Faktoren weiterhin für Abwärtsdruck auf die Zinsen und die durchschnittliche Inflation.

Die Anleger müssen sich keine Sorgen darüber machen, dass die demografische Entwicklung die Inflation nach oben treiben könnte.

Womöglich sorgt der demografische Wandel im Zuge einer alternden Gesellschaft für gewissen Aufwärtsdruck auf die Preise. Allerdings handelt es sich dabei um eine moderate und langsame Entwicklung. Ein anhaltender Inflationsdruck ist nur dann wahrscheinlich, wenn die politischen Entscheidungsträger ihm nichts entgegensetzen. Das spricht dafür, dass sich die Anleger eher auf die Stärke der Institutionen, beispielsweise der Zentralbanken, konzentrieren sollten, anstatt zu zählen, wer die meisten grauen Haare hat.

Robert Gilhooly, Senior Emerging Markets Research Economist, Research Institute, Aberdeen Standard Investments

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