Risiko und Ertrag sind zwei Seiten derselben Medaille. Das Verständnis der mit einer Anlage in kleinere Unternehmen verbundenen höheren Risiken kann erklären, warum Anleger höhere Erträge verlangen sollten. Dies ist ein oft behandeltes Thema.
Weniger Beachtung finden indes die Risiken, die bei kleineren Unternehmen niedriger ausfallen als bei großen Firmen. Die Anleger müssen aber nicht nur ein Verständnis der Risiken aufweisen, die größer oder kleiner sind, sondern auch derjenigen, die einfach anders sind. Diese ermöglichen eine ganzheitliche Betrachtungsweise der Anlageklasse und stellen eine potenzielle Möglichkeit zur Risikodiversifizierung dar.
Zudem sind auch jene Risikofaktoren nicht außer Acht zu lassen, die allen Unternehmen – groß und klein – gemein sind.
Ermittlung der Small-Cap-Prämie
Die niedrigere Marktbewertung eines kleineren Unternehmens kann zwei Gründe haben:
- das Unternehmen ist klein (dies lässt sich auf verschiedene Art und Weise definieren)
- eine Anlage in das Unternehmen ist relativ riskant
Die Anleger sollten bei riskanteren Unternehmen einen höheren Abschlag auf die künftigen Cashflows ansetzen. Ein höherer Abschlag hat eine niedrigere Bewertung zur Folge. Anders ausgedrückt weist bei zwei Unternehmen mit demselben Jahresumsatz das riskantere Unternehmen die kleinere Marktkapitalisierung auf. Das Verständnis dieser Risiken kann dazu beitragen, den Wert eines Unternehmens zu erkennen.
Das Verständnis dieser Risiken kann dazu beitragen, den Wert eines Unternehmens zu erkennen.
Allgemein kann die Small-Cap-Prämie als die Vergütung bezeichnet werden, die im Ausgleich für die potenziell schwache Wertentwicklung kleinerer Unternehmen während Zeiträumen mit Marktstress geboten wird. Die Anleger müssen entscheiden, ob der Ertrag das Risiko wert ist. Das Fazit ist, dass die Unternehmen, aus denen sich Small-Cap-Indizes zusammensetzen, zusammengenommen höhere Risiken aufweisen als ihre Large-Cap-Pendants. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Small-Cap-Unternehmen nicht auch einen wertvollen Bestandteil eines Anlageportfolios darstellen können. Anleger können versuchen, diese Risiken in ihren Portfolios zu steuern, z.B. indem sie den Schwerpunkt auf kleinere Unternehmen höherer Qualität legen.
Höheres Risiko
1. Illiquiditätsrisikolliquidity risk — Die Aktien kleinerer Unternehmen sind weniger liquide als jene ihrer großen Mitbewerber. Zudem befinden sie sich zu einem größeren Teil in Insiderbesitz, woraus sich ein kleinerer Streubesitz für externe Aktionäre ergibt. Dieses Risiko kann im Portfoliokontext gemindert werden. Dies hat allerdings höhere Kosten beim Aufbau und bei der Veräußerung von Positionen zur Folge.
2. Rezessionsrisiko — Kleinere Unternehmen sind in der Vergangenheit während Rezessionen und Abschwungphasen am Markt hinter ihren größeren Pendants zurückgeblieben. Man beachte nur einige Marktabschwünge im 21. Jahrhundert: Während des Markteinbruchs im Zusammenhang mit dem Platzen der Dotcom-Blase1 haben Small Caps2 mit -44% etwas schlechter abgeschnitten als Large Caps,3 die ein Minus von 43% verzeichneten.4 Ein ähnliches Muster war während der globalen Finanzkrise5 zu beobachten, als Small Caps um 54% im Vergleich zu -51% bei Large Caps nachgaben.6 Jüngst hat sich diese Entwicklung wiederholt, als der Markt im Zuge der COVID-19-Krise ein Tief markierte. In dieser Zeit7 büßten Small Caps 41% ein, während Large Caps Verluste in Höhe von 34% verzeichneten.8
Allerdings ist zu bedenken, dass wir Rezessionen oder Bärenmärkte nur im Nachhinein so genau erkennen können. Zudem verlaufen Konjunktur- und Marktabschwünge nicht immer zeitgleich.
3. Kreditrisiko — Die Kreditkosten fallen bei kleineren Unternehmen höher aus. Tatsächlich sind auch die Kapitalkosten höher. Die niedrigeren durchschnittlichen Bewertungen für Aktienkäufer ziehen höhere Kosten für die Unternehmen nach sich, die diese Papiere begeben. Dies steht im Einklang mit der Underperformance der Aktien kleinerer Unternehmen in schwierigen Zeiten. Die Small-Cap-Prämie fällt bei niedrigen Zinsen höher aus als bei einem hohen Zinsniveau. Dasselbe gilt für Zinsanstiege und -rückgänge.
4. Inflationsrisiko — Wenn das Angebot niedrig und die Nachfrage hoch ausfällt, kann die Inflation steigen. In Zeiten steigender Inflation sehen sich kleine Unternehmen unter Umständen größeren Schwierigkeiten gegenüber als ihre Large-Cap-Pendants, da sie es schwerer haben, höhere Ausgaben zu absorbieren. Kleinere Unternehmen weisen in der Regel eine höhere Arbeitsintensität auf als große Firmen. Wenn also die Arbeitskosten im Zuge der stärkeren Teuerung steigen, könnte dies die Gewinne von Small-Cap-Unternehmen gefährden.
5. Kursvolatilität — All diese Risiken ziehen bei einem Index aus kleineren Unternehmen eine höhere Ertragsvolatilität nach sich, als dies bei größeren Unternehmen der Fall wäre.
Niedrigeres Risiko
6. Komplexität — Große Unternehmen sind komplex. Dies gilt umso mehr für „Alleskönner“-Megaunternehmen. Kleinere Unternehmen sind in der Regel eher in Nischensegmenten tätig und stärker fokussiert. Ein Unternehmen mit einem einzigen Schwerpunktbereich weist somit ein inhärent niedrigeres Komplexitätsrisiko auf als ein Großkonzern, der in verschiedenen Segmenten mitmischt.
7. Indexkonzentration — Der Aufbau von Marktindizes spiegelt Erfolge in der Vergangenheit wider. Manchmal wird der Markt von einem Thema beherrscht. Heute machen beispielsweise die FAANG-Titel (Facebook, Apple, Amazon, Netflix, Google/Alphabet), bei denen es sich um US-Technologiewerte handelt, rund 19% des S&P 500 Index aus.9 Andere Einzelländerindizes weisen ähnliche Konzentrationen auf. Zum Beispiel entfallen 29% des MSCI Korea Index auf Samsung Electronics.10 Somit können bereits einige wenige Large Caps die Gesamtperformance marktkapitalisierungsgewichteter Aktienportfolios beeinflussen. Da kleinere Unternehmen eine kleinere Marktkapitalisierung aufweisen, werden sich bei entsprechenden Indizes kaum so enorme Konzentrationen finden lassen wie bei Large-Cap-Indizes, die Unternehmen mit sehr hoher Marktkapitalisierung beinhalten.
Unterschiedliche Risiken
8. Währungsexposure — Kleinere Unternehmen erwirtschaften einen größeren Anteil ihres Umsatzes im Inland als große, multinationale Firmen, da sie in der Regel eher in Nischensegmenten tätig sind und den Fokus auf Kunden vor Ort legen. In den USA erwirtschafteten die im S&P SmallCap 600 Index vertretenen Unternehmen 2019 beispielsweise 79% ihrer Umsätze im Inland. Bei den Unternehmen im S&P 500 Index waren es im Vergleich dazu 62%.11 Dies bedeutet, dass kleine und große Unternehmen unterschiedlich auf Währungsbewegungen reagieren.
9. Titelspezifisches Risiko — Titelspezifische Risiken wirken sich wesentlich stärker auf die Performance kleinerer Unternehmen als auf jene größerer Firmen aus. Dagegen reagieren größere Konzerne anfälliger auf andere Faktoren wie Land, Sektor und Stil.
Abbildung 1: Durchschnittliches titelspezifisches Risiko (in %)
Quelle: Axioma, 30. September 2021
10. Unterschiedliche Unternehmen — Ein Small-Cap-Portfolio umfasst ganz andere Unternehmen als ein Large-Cap-Portfolio. Dies ist ein grundlegender Sachverhalt, der aber dennoch nicht außer Acht gelassen werden sollte. Der MSCI ACWI Small Cap Index, der globale Small Caps abdeckt, umfasst 6.233 Unternehmen. Dies übersteigt die Zahl der im MSCI ACWI Index – einem Referenzindex für globale Large-Cap-Werte mit 2.975 Konstituenten – um mehr als das Doppelte.12 All diese Unternehmen weisen verschiedene Vor- und Nachteile sowie ein unterschiedliches Risikoexposure auf.
11. Langfristige Wertentwicklung — Diese unterschiedlichen Risiken verdeutlichen, warum kleinere Unternehmen trotz der Small-Cap-Prämie mal über- und mal unterdurchschnittlich abschneiden. Die Zyklen, in denen Small Caps oder Large Caps jeweils besser abschneiden, sind von Land zu Land unterschiedlich und können mehrere Jahre andauern.
Gleiche Risiken
12. Traditionelle Risikokennzahlen — Portfoliomanager müssen im Hinblick auf eine Anlage in Small Caps nach wie vor das Länder-, Sektor- und Branchenexposure berücksichtigen. Erforderlich ist zudem ein Verständnis des Exposures gegenüber Stilfaktoren, darunter Qualität, Momentum und Substanz. Insbesondere müssen sie sich der titelspezifischen Risiken bewusst sein. Die genannten Risiken kommen bei allen Anlageklassen zum Tragen und lassen sich am besten mittels einer fundamentalen Analyse verstehen. Das Verständnis der mit einer Anlage in Small Caps verbundenen Risiken und der Vergleich dieser Risiken mit jenen für andere Anlageklassen ist entscheidend bei der Festlegung einer potenziellen Small-Cap-Allokation.
GENAUER HINGESCHAUT
Worin unterscheidet sich ein Portfolio kleinerer Unternehmen von einem mit größeren Unternehmen? Mit Fakten und Zahlen verdeutlichen wir die Unterschiede.
Fundamentaldaten der Unternehmen — Kleinere Unternehmen sind im Allgemeinen weniger profitabel als ihre größeren Mitbewerber und weisen zudem geringere Schuldenquoten auf.
Quelle: Worldscope/Factset, 30. September 2021
Länder- und Branchengewichtungen — Zwischen dem MSCI AC World Index und dem MSCI ACWI Small Cap Index bestehen Unterschiede in Bezug auf das Sektor-Exposure (vgl. Abb. 2). So sind im Index der kleineren Unternehmen Industriewerte stärker gewichtet, wohingegen es im Index der größeren Unternehmen Informationstechnologietitel sind.
Abbildung 2: Das Sektorexposure variiert zwischen Small- und Large-Cap-Indizes
Quelle: MSCI, 30. September 2021. Small Caps dargestellt durch den MSCI ACWI Small Cap Index. Large Caps dargestellt durch den MSCI World Index.
Bei den Ländergewichtungen bestehen hingegen geringere Unterschiede. Beispielsweise weist der Large-Cap-Index ein um rund 7% höheres Exposure gegenüber den USA auf, während die Gewichtung Japans im Small-Cap-Index um 3% höher ausfällt.
Abbildung 3: Ländergewichtungen – Large vs. Small Caps
Quelle: MSCI, 30. September 2021. Small Caps dargestellt durch den MSCI ACWI Small Cap Index. Large Caps dargestellt durch den MSCI World Index.
Abdeckung durch Analysten — Von den Unternehmen im MSCI ACWI Small Cap Index wurden 61% von sieben oder weniger Analysten beobachtet. Im MSCI AC World Index traf das auf nur 15% der Firmen zu. 13
1. 10. März 2000 – 9. Oktober 2002
2 Dargestellt durch den Russell 2000 Index
3 Dargestellt durch den S&P 500 Index
4 Quelle: abrdn, FactSet, Bloomberg per 30. September 2021. Es wurden keine Gebühren oder Ausgaben berücksichtigt. Sie können nicht direkt in einen Index anlegen. Es wurden keine Gebühren oder Ausgaben berücksichtigt. Nur zu Illustrationszwecken.
5 6. Juni 2008 – 9. März 2009
6 Quelle: abrdn, FactSet, Bloomberg per 30. September 2021. Es wurden keine Gebühren oder Ausgaben berücksichtigt. Sie können nicht direkt in einen Index anlegen. Es wurden keine Gebühren oder Ausgaben berücksichtigt. Nur zu Illustrationszwecken.
721. Februar 2020 – 23. März 2020
8 Quelle: abrdn, FactSet, Bloomberg per 30. September 2021. Es wurden keine Gebühren oder Ausgaben berücksichtigt. Sie können nicht direkt in einen Index anlegen. Es wurden keine Gebühren oder Ausgaben berücksichtigt. Nur zu Illustrationszwecken.
9 Investopedia, „FAANG Stocks”, August 2021.
10 MSCI, 31. August 2021.
11 Forbes, „Investing Basics: Large-Cap Stocks“, 27. Oktober 2021.
12 MSCI, per 31. September 2021.
13 Per 31. Oktober 2021