Globale Small- und Mid-Caps: Ein Schnappschuss aus den USA

abrdn | 27.04.2022 08:53 Uhr
© Foto von Nextvoyage von Pexels
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Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Das Gespräch mit Unternehmensführern ist wichtiger Bestandteil unseres Researchprozesses bei Small- und Mid-Cap-Unternehmen, die sich durch Qualitäts-, Wachstums- und Momentummerkmale auszeichnen. 

In den letzten zwei Jahren fanden Meetings aufgrund der Covid-19-Beschränkungen natürlich nur online statt. Der große Vorteil daran war, dass wir die Zeit, die wir normalerweise mit Reisen verbringen, in Meetings mit noch mehr Unternehmen investieren konnten.

Ich lege schon immer Wert darauf, zu hören, wie die Geschäftsleitung über ihr Geschäftsmodell, ihre Strategie und ihren ESG-Ansatz spricht.

Ein persönliches Gespräch ist natürlich ideal. Mir ist es wichtig, zu hören, wie die Geschäftsleitung über ihr Geschäftsmodell, ihre Strategie und ihren ESG-Ansatz (Umwelt, Soziales, Governance) spricht. Außerdem beobachte ich „weichere“ Aspekte, beispielsweise wie Führungskräfte miteinander und mit den Investoren umgehen und wie sie auf schwierige Fragen reagieren. 

Ich nehme auch immer gerne an großen Konferenzen teil, denn hier lernen wir die Geschäftsführung von bestehenden Positionen kennen, erhalten neue Ideen für unsere globalen Small- und Mid-Cap-Strategien und Einblicke darüber, worauf sich andere Investoren und Marktteilnehmer im kommenden Jahr konzentrieren werden. Aus diesem Grund freute ich mich sehr, dass ich im März 2022 an einer Konferenz in Orlando im US-Bundesstaat Florida teilnehmen konnte.

Unterwegs

Wie die meisten Menschen ist mir der Komfort auf internationalen Flügen wichtig. Mit meinen Yogapants und dem Hoodie von Lululemon (in Kanada/den USA notiert) muss ich aber auch auf Stil nicht verzichten. 

Das Unternehmen ist in den letzten Jahren rapide gewachsen. Es profitiert von dem strukturellen Thema und der wachsenden Beliebtheit von Athleisure. Das Unternehmen erobert weitere Marktanteile aufgrund seiner Wettbewerbsvorteile, darunter Materialinnovationen, und expandiert in neuere Kategorien, wie Männerbekleidung, sowie in internationale Märkte. Außerdem weist Lululemon eine robuste Omnichannel-Präsenz auf und handelt sowohl über Filialen als auch online.

Die freie Natur

Zwar öffnen sich die Volkswirtschaften wieder, ich glaube aber, dass die Pandemie unser Leben und unsere Prioritäten grundlegend verändert hat. Das ist einer der Gründe dafür, dass Lifestyle und Outdoor wichtige Themen für globale Mid-Caps sind. 

Ich hatte am Sonntag zum Glück etwas Freizeit. Unter dem strahlend blauen Himmel von Orlanda und bei einer Temperatur von 32 Grad war das glitzernde Wasser des Swimmingpools natürlich sehr verlockend! Beim Schwimmen (fragen Sie mich lieber nicht, wie viele Runden – oder besser gesagt, wie wenige), dachte ich an Pool Corp (USA), den weltweit größten und landesweit einzigen Vertreiber von Swimmingpool-Ausstattung. 

Über 60% des Umsatzes erwirtschaftet das Unternehmen mit Poolpflege, wodurch es eine hohe Gewinnvisibilität und -vorhersagbarkeit aufweist. Außerdem profitiert Pool Corp davon, dass mehr Menschen in die wärmeren Südstaaten (wenn Sie einmal einen Winter in Schottland verbracht haben, werden Sie verstehen, wie wichtig Sonnenschein ist) und in die Vorstädte ziehen, wo sie den nötigen Platz haben, um sich einen Pool im Garten bauen können.

Zum Geschäft

Am Sonntagabend hatte ich mein erstes Meeting, und zwar mit dem CEO von IDEXX (US), einem marktführenden Veterinärdiagnostik-Unternehmen. IDEXX hat die Pandemie gut überstanden. Das zukünftige Wachstum sollte durch eine wachsende Haustierhaltung, insbesondere unter den Millennials und Gen-Z, die für ihre „Babys“ mehr Geld ausgeben, und die wachsende Nachfrage nach Diagnostik gestützt werden. IDEXX verfügt über ein klassenbestes und rentables Razor-/Razorblade-Geschäftsmodell mit solider Cashflow-Generierung. 

Am nächsten Morgen traf ich mich mit dem CFO von MSCI (US), dem marktführenden Anbieter von wichtigen Daten für die Anlagebranche. Das Unternehmen profitiert von einem großen Wettbewerbsvorteil, insbesondere in Bezug auf den Geschäftsbereich Indexabonnement, der kontinuierlich und vorhersehbar im niedrigen zweistelligen Bereich wächst. Das Unternehmen weist ein Land-and-Expand-Geschäftsmodell auf und verfügt über eine gute Erfolgsbilanz im Up-Selling und Cross-Selling in Bereichen wie ESG, wo die Nachfrage von aufsichtsrechtlichen Auflagen getrieben und MSCI eine dominante Stellung einnimmt. 

Gesundheit und Wohlergehen

Als nächstes wurde ich vom CEO, CFO und IR von Insulet (US) begrüßt. Das Unternehmen stellt schlauchlose Insulinpumpen her, die das Leben mit Diabetes erleichtern. Insulet bedient vor allem Patienten, die sich von älteren Technologien wie mehrfache tägliche Injektionen abwenden. Sein Omnipod-Gerät ist schlauchlos, einfach in der Bedienung und lässt sich wie ein Smartphone kontrollieren. Die Kosten werden von vielen Versicherungen gedeckt und der Zugang zu dem Gerät ist einfach, beispielsweise über Apotheken. 

Unser Gespräch konzentrierte sich vor allem auf das neueste Gerät, Omnipod 5, das in den USA Anfang des Jahres zugelassen wurde. Omnipod 5 ist das erste automatisierte Insulinabgabesystem des Unternehmens und bietet mehrere Wettbewerbsvorteile. Die Geschäftsleitung treibt die kommerzielle Markteinführung des Produkts voran, was zu neuen Benutzern führen und somit das Potenzial für ein starkes Umsatzwachstum in den kommenden Jahren bieten sollte. 

Treibende Kräfte

Einer der Vorteile von der Arbeit bei abrdn sind die umfangreichen Research-Ressourcen und das phänomenale globale Talent, auf das wir insbesondere für sektorspezifische und regionale Expertise zurückgreifen können. Nach dem Mittagessen traf ich mich mit Jason Kotik, meinem wunderbaren Kollegen aus Philadelphia, der die US-Small-Cap-Strategie von abrdn leitet. Ich habe virtuell schon oft mit Jason und seinem Team gesprochen, aber es war gut, ihn nach so langer Zeit endlich wieder persönlich zu sehen! 

Gemeinsam nahmen wir an einem Meeting mit dem CEO, CFO und IR von Shyft (USA) teil, einem Marktführer im Bereich Spezialfahrzeugbau und -montage für den kommerziellen und Freizeitgebrauch. Das Unternehmen hat die Lieferengpässe von Karosserien gut überstanden und seine Investitionen in Elektrofahrzeuge vorgezogen, da Kundengespräche darauf hindeuteten, dass sie zu größeren Käufen als ursprünglich erwartet bereit waren. Shyft stellt eine seltene „Pure-Play“-Chance im E-Commerce im Bereich Fahrzeugherstellung mit Schwerpunkt auf der letzten Liefermeile dar. 

Während der Konferenz dachte ich darüber nach, wie die Pandemie die Veränderungen, die bereits im Gange waren, intensiviert und beschleunigt hat – beispielsweise die Digitalisierung. Zwar kam es am Markt in diesem Jahr zu großen Abverkäufen bei Tech-Titeln, der Digitalisierungstrend wird sich meines Erachtens jedoch durchsetzen, weil es schneller, leichter und relevanter ist, auf Informationen auf digitalem Weg oder über digitale Plattformen zuzugreifen.

Mehrere Unternehmen unterstützen andere bei der Digitalisierung

Mehrere Unternehmen unterstützen andere Unternehmen bei ihrer digitalen Transformation, darunter CDW Corp (USA), Paylocity (USA) und Techtarget (USA). 

Ich traf den CEO von CDW, einem Unternehmen, das IT-Produkte und -Dienstleistungen anbietet. Das Unternehmen verzeichnet auch nach Covid-19 eine starke Nachfrage, da verzögerte Infrastruktur- oder digitale Transformationsprojekte jetzt wieder aufgenommen werden. Die Kunden sind zwar ob der ungewöhnlich langen Lieferzeiten frustriert, jedoch gilt CDW als der Anbieter erster Wahl und hat somit keine Stornierungen zu verzeichnen. 

Jeder, der schon einmal Personaldaten in ein System einspeisen musste, weiß, wie mühsam und ineffizient dieser Prozess sein kann. Paylocity, ein SaaS-basierter Anbieter von HR- und Gehaltsabrechnungssystemen, gewinnt gegenüber traditionellen Anbietern wie DP und Paychex weitere Marktanteile. Der CFO erklärte, dass das Unternehmen in allen Bereichen, darunter auch Großkunden, ein robustes Wachstum verzeichnet und höhere Gebühren für sein Premiumprodukt einnimmt. Es handelt sich dabei um ein überaus vorhersehbares Geschäft mit wiederkehrenden Gewinnen von über 98% und einer robusten Cashflow-Generierung. 

Jason und ich trafen uns auch mit einem der Mitbegründer von Techtarget, einem führenden Unternehmen für Marketing- und Vertriebsserviceleistungen für Technologieanbieter. Techtarget profitiert von den derzeit hohen Ausgaben für IT. Dem Unternehmen zufolge investieren seine Kunden einen wachsenden Anteil ihrer- Umsatz- und Marketingdollar in digitale Methoden, was zu einem Wachstum über dem historischen Niveau beiträgt. 

Auf dem Nachhauseweg

Auf dem Flug nach Hause dachte ich über die Gespräche mit Unternehmen, anderen Investoren und Marktteilnehmern und die allgemeine Stimmung nach. Anders als in früheren Jahren gingen die Meinungen in Bezug auf die Marktaussichten und die Unternehmen, die sich im nächsten Jahr gut entwickeln werden, weit auseinander. 

Mir fiel auf, dass trotz der aktuellen Konflikte, der Inflation und geldpolitischen Straffung die große Mehrheit meiner Meetings mit Portfoliounternehmen ermutigend war. Ich hatte den Eindruck, dass „die starken Unternehmen nur noch stärker“ werden. Das wiederum erinnerte mich an Trends, die wir bei unseren Positionen festgestellt haben: 

  • Unsere Unternehmen sind in Bezug auf Produkte, Kundengruppen und Regionen in der Regel diversifiziert. Das Engagement in Russland und die Ukraine ist unwesentlich.
  • Sie sind in der Regel in ihrer Nische Markt- und Preisführer. Diese Position ermöglicht es ihnen, steigende Kosten in der Form höherer Preise an die Kunden weiterzugeben.  
  • Außerdem weisen sie generell starke Margen und solide Bilanzen auf. Somit können sie hohe Kosten besser aushalten als ihre Mitbewerber und in Lagerbestände investieren, um Lieferengpässe zu überstehen und die Produktverfügbarkeit sicherzustellen.  
  • Das Wachstum ergibt sich durch strukturelle langfristige Trends und nicht durch kurzfristige zyklische oder makroökonomische Faktoren. Somit dürften das Wachstum und die Erträge über mehrere Konjunkturzyklen hinweg sichergestellt sein.  
  • Was die Unternehmensergebnisse betrifft, so übertreffen unsere Unternehmen normalerweise die Analystenerwartungen und korrigieren ihre Vorgaben nach oben, was wiederum die Analysten dazu veranlasst, ihre Prognosen heraufzukorrigieren. 

Als ich Florida hinter mir ließ, dachte ich darüber nach, dass diese Trends das direkte Ergebnis des disziplinierten fundamentalen Bottom-up-Anlageprozesses unseres Teams sind. Angesichts der aktuellen Ungewissheit ist die Anlage in Unternehmen, die Qualitäts-, Wachstums- und Momentummerkmale aufweisen, wichtiger denn je.

Anjli Shah, Investment Director, Smaller Companies Team, abrdn

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