Für eine gesunde Wirtschaft ist die Natur unverzichtbar. Doch unser Planet befindet sich in einer Krise, denn Unternehmen, Märkte und Regierungen haben es immer wieder verabsäumt, dem finanziellen Wert von Biodiversität Rechnung zu tragen.
Biodiversität bezieht sich auf die Vielfalt des Lebens auf der Erde. Schätzungen des World Economic Forum zufolge ist mehr als die Hälfte der Weltwirtschaftsleistung – in etwa 44 Billionen US-Dollar – in geringem oder großem Ausmaß von der Natur und gesunden Ökosystemen abhängig. Ein Wandel ist daher dringend notwendig.
Biodiversitätsverlust – Anlegern unbedingt ans Herz zu legen ist der zweite von zwei Beiträgen, die beleuchten, wie wichtig der Erhalt von Biodiversität ist, um nachhaltiges Wachstum zu unterstützen, und untersuchen, welchen naturbezogenen Risiken und Chancen die meisten betroffenen Sektoren unterliegen.
Warum es für Anleger wichtig ist
Das Thema Biodiversitätsverlust gewinnt in Zusammenhang mit Investments zunehmend an Bedeutung. Grund dafür ist das Interesse von Anlegern an Nachhaltigkeit, das sich verändernde regulatorische Umfeld und ein wachsendes Verständnis dafür, wie dieses Problem Investments über sämtliche Märkte und Regionen hinweg beeinflusst.
Anleger und Unternehmen müssen sich auf die Wirkung verstärkter Regulierung vorbereiten. So hat z. B. die EU-Taxonomie eine anerkannte Liste ökologisch nachhaltiger Wirtschaftsaktivitäten erstellt.
Die Schaffung der Taskforce on Nature-related Financial Disclosures (TNFD) bringt mit sich, dass Unternehmen ihre Berichterstattung in Bezug auf ihre Abhängigkeit von und Auswirkungen auf natürliche Ressourcen verbessern müssen.
Mittlerweile sind ein verändertes Kundenverhalten – und die Reputationsrisiken, die entstehen, wenn Unternehmen das Falsche tun – wichtig, da sich die Verbraucher ihrer Abhängigkeit von der Natur und der wirtschaftlichen Leistungen gesunder Ökosysteme immer stärker bewusst werden.
Risiken und Chancen
Eine verstärkte Aufmerksamkeit und Sensibilisierung kann neue Risiken mit sich bringen, aber auch neue Produkte und Dienstleistungen, Zugang zu neuen Märkten und „Pioniervorteile“.
Die exponiertesten Sektoren sind jene, die am stärksten von gesunden Ökosystemen abhängen, darunter Landwirtschaft; Lebensmittel und Getränke, Gesundheit und Pharmazie, Fischerei und Rohstoffgewinnung.
Je nachdem, wie intensiv die wirtschaftlichen Aktivitäten sind und wie intakt die biologische Vielfalt in einer Region ist, gibt es erhebliche Unterschiede beim Risikoexposure.
In den folgenden Tabellen haben wir die wichtigsten Risiken und Chancen übersichtlich dargestellt:
Tabelle 1 Naturbezogene finanzielle Risiken
Biodiversitätsverlust und Klimawandel sind miteinander verknüpft, und Investoren haben die Möglichkeit, beide Krisen gleichzeitig anzugehen.
Natürliche Infrastruktur kann uns beispielsweise vor einigen der verheerendsten Auswirkungen des Klimawandels schützen. So können naturbasierte Lösungen einen Teil der Treibhausgasemissionen absorbieren, um deren Reduzierung wir uns derzeit bemühen, und sie können die Anstrengungen zur Emissionsreduzierung ergänzen.
Gleichzeitig hat sich erwiesen, dass regenerative landwirtschaftliche Praktiken auch widerstandsfähiger gegenüber extremen Wetterbedingungen und Krankheiten sind – zwei Faktoren, die sich infolge des Klimawandels wahrscheinlich noch verschärfen werden.
Tabelle 2 Naturbezogene finanzielle Chancen
Die wichtigsten Erkenntnisse für Investoren – wie geht es weiter?
Biodiversitätsverlust wird das nächste große Thema sein, das Investoren bei der Integration von ESG (Umwelt, Soziales und Governance)-Aspekten in ihren Anlageprozess berücksichtigen müssen. Bei uns hat das Thema Priorität.
Wir wissen, wie wichtig die Natur für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden ist. Die Pandemie hat es uns noch einmal deutlich vor Augen geführt. Aber wir fangen gerade erst an, das ganze Ausmaß dieser Beziehung zu verstehen.
Investoren müssen sich von der Vorstellung verabschieden, dass die Wiederherstellung eines gesunden Ökosystems vor allem Kosten bedeutet, und sie vielmehr als Chance sehen, die für die Unterstützung florierender Volkswirtschaften, den Übergang zu einer kohlenstoffärmeren Welt und die Schaffung einer gleichberechtigteren Gesellschaft unabdingbar ist.
Insbesondere sollten Investoren:
- die biodiversitätsbezogenen Risiken und Chancen verstehen, denen sie ausgesetzt sind,
- mit den Unternehmen zusammenarbeiten, die in den am stärksten betroffenen Sektoren tätig sind, um zu verstehen, wie diese mit den Auswirkungen auf die biologische Vielfalt umgehen,
- Datenquellen erkunden, die Klarheit schaffen können in Bezug auf die Messung von Biodiversitätsverlusten und -gewinnen,
- mit politischen Entscheidungsträgern zusammenarbeiten und sich an Brancheninitiativen beteiligen, um dabei zu helfen, bewährte Praktiken zu fördern.
Wir sind uns bewusst, dass es Hindernisse gibt, wie die Verfügbarkeit vergleichbarer Daten und eine große Finanzierungslücke zwischen dem, was benötigt wird, und dem, was die politischen Entscheidungsträger zugesagt haben.
Es ist jedoch noch nicht zu spät, die Biodiversitätskrise zu bewältigen. Die Natur kann sich mit der Zeit erholen. Aber es ist wichtig, jetzt zu handeln.
Ann Meoni, Senior Responsible Investment Analyst, ESG Investment bei abrdn
Quelle:
* The Economics of Biodiversity: The Dasgupta Review – Full Report (2021) [online], Dasgupta, P. (Zugriff am 21. Mai 2021)
** ‘Grain for green’: How China is swapping farmland for forest, Dayne, S., Forest News, Nov. 2017
*** Brazil's JBS accused of violating Amazon rainforest protection laws, Boadle, J., Reuters , 1. Apr. 2017
**** EU proposes law preventing import of goods linked to deforestation, Angel, M., Reuters, 17. Nov. 2021
***** Storm surge and ponding explain mangrove dieback in southwest Florida following Hurricane Irma, Nature Communications, 28. Juni 2021
° Future Demand, Supply and Prices for Voluntary Carbon Credits – Keeping the Balance June 2021, UCL and Trove research
°° 2020 U.S. retail market data for the plant-based industry, Good Food Institute [Zugriff am 10. Mai 2022]
°°° Regenerative agriculture: merging farming and natural resource conservation profitably, LaCanne, C., Lundgren, J., PeerJ, 26. Feb. 2018
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