abrdn | Dekarbonisierung: Weitere Innovationen vonnöten

Um eine schnelle Dekarbonisierung der Weltwirtschaft zu bewerkstelligen und bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen, sind Innovationen von entscheidender Bedeutung. Damit sind aber nicht nur neue Produkte und Dienstleistungen gemeint. Auch bei Industrieprozessen, Herstellungsverfahren und Geschäftspraktiken sind Innovationen gefragt, um die Dekarbonisierung voranzutreiben. abrdn | 19.07.2022 13:30 Uhr
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Um eine schnelle Dekarbonisierung der Weltwirtschaft zu bewerkstelligen und bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen, sind Innovationen von entscheidender Bedeutung. 

Damit sind aber nicht nur neue Produkte und Dienstleistungen gemeint. Auch bei Industrieprozessen, Herstellungsverfahren und Geschäftspraktiken sind Innovationen gefragt, um die Dekarbonisierung voranzutreiben.

Dabei muss nicht unbedingt jeder Ansatz gleich bahnbrechend sein. Ebenso wichtig sind beispielsweise Neuerungen in der Produktion, die dazu beitragen, jene Sektoren schrittweise zu dekarbonisieren, in denen sich Emissionsreduzierungen schwierig gestalten. 

Anleger spielen eine wesentliche Rolle, wenn es darum geht, Kapital in die aussichtsreichsten Bereiche zu lenken. Soll heißen, Unternehmen dazu zu ermutigen, nachhaltige Innovationen zu entwickeln, auch wenn diese nicht zwangsläufig bereits im nächsten Quartal – auf das die Märkte zu häufig den Blick richten – Früchte tragen.

Auf dem 2022 in Singapur abgehaltenen Sustainability Summit von abrdnmoderierte ich eine Podiumsdiskussion, welche die folgenden sehr unterschiedlichen und innovativen Lösungen für einige der dringendsten Herausforderungen der heutigen Zeit zum Gegenstand hatte.

CO2-Zertifikate: Beseitigung des Vertrauensdefizits

Für viele Unternehmen aus Sektoren, in denen sich Emissionsreduzierungen schwierig gestalten, stellt eine deutliche Senkung des CO2-Ausstoßes aufgrund struktureller oder wirtschaftlicher Hemmnisse zumindest auf kurze Sicht eine Herausforderung dar.

Der Markt für CO2-Zertifikate, gelegentlich auch als CO2-Gutschriften bezeichnet, stellt einen Mechanismus für Unternehmen zur Verfügung, mit dem diese einen positiven Beitrag leisten können. Durch den Kauf von CO2-Zertifikaten können sie ihre Emissionen ausgleichen. Diese Zertifikate bescheinigen entweder eine Senkung/Vermeidung von Emissionen (z.B. durch Prozesse, die Emissionen vermeiden) oder die Beseitigung von Kohlenstoff (z.B. durch Aufforstung oder Kohlenstoffabscheidung und -speicherung).

Die potenzielle Bedeutung des Marktes für CO2-Zertifikate kann nicht oft genug hervorgehoben werden. Schätzungen zufolge könnte er dazu beitragen, den Klimawandel um bis zu 30% abzuschwächen, sodass die Erderwärmung bis 2030 auf unter 2°C begrenzt werden kann.1

Doch obschon der Markt für CO2-Zertifikate bereits seit einiger Zeit existiert, stellt das Vertrauen für viele potenzielle Käufer nach wie vor einen wesentlichen Aspekt dar: Wie können sie sich sicher sein, dass die Zertifikate, die sie kaufen, auch aus wirklich wirkungsvollen Projekten stammen?

Eine weitere Hürde könnte der Wunsch sein, „Green Washing“-Anschuldigungen zu vermeiden. Climate Impact X (CIX) aus Singapur ist ein Unternehmen, das eine Beseitigung dieses Vertrauensdefizits anstrebt, indem es Käufern und Verkäufern eine Plattform für hochwertige und wirkungsvolle Projekte zur Verfügung stellt. Sie ist nach internationalen Standards verifiziert, unter anderem im Hinblick auf die Berücksichtigung von CO2-Merkmalen, Biodiversität, sozialen Auswirkungen und das Projektrisikomanagement.

Indem CIX die Themen Vertrauen und Transparenz angeht, trägt das Unternehmen dazu bei, die Akzeptanz und Nutzung von CO2-Zertifikaten als Möglichkeit zur Dekarbonisierung der Industrie zu fördern.

Alternative Proteine sagen der Fleischindustrie den Kampf an

Es wird oftmals unterschätzt, wie stark die Lebensmittelindustrie zu den globalen CO2-Emissionen beiträgt. Schätzungen zufolge ist das globale Lebensmittelsystem  heute für 34% der weltweiten Emissionen verantwortlich.

Davon entfällt rund die Hälfte auf die derzeit weitgehend auf Fleischprodukte ausgerichtete Proteinherstellung, die höhere Emissionen verursacht als alle anderen US-Sektoren zusammen.2

Die Nutztierhaltung hat auch noch andere Nachhaltigkeitsprobleme zur Folge, so etwa im Hinblick auf die Land- und Wassernutzung. Dies kann eine Ressourcenverknappung und eine allgemeinere Lebensmittelunsicherheit nach sich ziehen.

Davon abweichende Proteinquellen – beispielsweise auf pflanzlicher und mikrobiologischer Basis oder auf Grundlage essbarer Insekten – stellen eine zunehmend tragfähige und umweltfreundliche Alternative dar.

Hierbei handelt es sich zwar um ein relativ neues Segment, auf das lediglich rund 1% des gesamten Proteinmarkts entfällt. Der Umsatz mit alternativen Proteinen dürfte aber weltweit bis 2025 auf 17,9 Mrd. USD anwachsen. Langfristig sind sogar noch höhere Umsätze denkbar. Einigen Prognosen zufolge könnten diese bis 2040 auf 1,1 Bio. USD steigen und damit bis zu 60% des gesamten Fleischmarktes substituieren.3

In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu erkennen, dass die Nachfrage nach pflanzlichen Proteinen nicht nur auf die Vorlieben der Verbraucher zurückzuführen ist, sondern zunehmend auch auf die sich ändernden Gesundheitsvorstellungen der Verbraucher.

Der in Singapur ansässige Lebensmittel- und Gateway-Dienstleister SATS arbeitet mit einer Reihe von Marken und Start-up-Unternehmen für alternative Proteine zusammen, um die Verbreitung dieser Produkte zu fördern.

Auch wenn das Unternehmen erst am Anfang steht, macht sich SATS seine über alle Geschäftssegmente hinweg gesammelte Erfahrung im Hinblick auf Lebensmitteldienstleistungen (z.B. in Bezug auf Produktion, Lebensmittelsicherheit und globale Vertriebsnetze) zunutze, um dieses Ziel zu erreichen.

Die Minderung des Klimarisikos und die Verringerung der Ressourcenabhängigkeit bei gleichzeitiger Verbesserung der Ernährungssicherheit sind starke Argumente für die Verwendung alternativer Proteine.

Dies sind spannende Entwicklungen für Anleger. Die Minderung des Klimarisikos und die Verringerung der Ressourcenabhängigkeit bei gleichzeitiger Verbesserung der Ernährungssicherheit sind starke Argumente für die Verwendung alternativer Proteine.

Gelegenheiten in diesem Segment ergeben sich beispielsweise bei Unternehmen, die sich auf die wissenschaftlichen/technologischen Aspekte spezialisiert haben, so etwa jene, die eine Vorreiterrolle im Bereich mikrobiologischer Proteine und In-vitro-Fleisch der „vierten Generation“ einnehmen.

Unmittelbarere Chancen dürften indes bei Lebensmittelunternehmen zu finden sein, die alternative Proteinprodukte entwickeln oder vertreiben, welche schmackhaft, beliebt und kostengünstig sind.

Die Kosten sind ein wesentlicher Faktor und ein Hindernis für die weitere Verbreitung alternativer Proteine dar. Allerdings sinken die Preise mit zunehmender Akzeptanz, was auf die wichtige Rolle hindeutet, die kommerzielle Lebensmittelhersteller und -vertriebsunternehmen jetzt und in Zukunft zukommt.

Stahlherstellung: mehrgleisige Dekarbonisierungsansätze

Die Stahlproduktion ist kohlenstoffintensiv. Jährlich werden beinahe zwei Milliarden Tonnen an Stahl hergestellt, die für rund 8% der globalen CO2-Emissionen verantwortlich sind.

Als Lieferanten der für die Stahlherstellung benötigten Rohstoffe behalten Unternehmen, die natürliche Ressourcen fördern, wie BHP Billiton (Australien) die Branchenentwicklungen genau im Auge.

Vandita Pant, Chief Commercial Officer von BHP, gab Einblicke in die Zusammenarbeit von BHP mit Stahlherstellern bei der Entwicklung neuer Technologien zur Senkung der Kohlenstoffemissionen. Ein Beispiel ist die Zuführung von Wasserstoff oder Sauerstoff, zur Verringerung des Kohlenstoffausstoßes und wasserstoffbasierte "direktreduzierte Eisenverfahren".

Hieran zeigt sich jedoch, dass es wohl keine „Patentlösung“ für die Reduzierung von CO2-Emissionen bei der Stahlproduktion gibt. Vielmehr müssen mehrgleisige Ansätze verfolgt werden, um nachhaltige Gelegenheiten ausfindig zu machen.

Ein auf dem Gipfeltreffen angeführtes Beispiel hierfür ist die Art und Weise, wie sich BHP die Blockchain zunutze macht: Das Unternehmen kann mithilfe dieser Technologie das in seinen Minen in Chile abgebaute Kupfer bis zur Lieferung an den Kunden nachverfolgen. BHP hat überdies seine Möglichkeiten bezüglich des Kohlenstoffausgleichs genutzt, um die erste vollständig CO2-neutrale Kupfertransaktion zwischen Unternehmen zu finanzieren.

 
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Am ersten Sustainability Summit von abrdn nahmen neben David folgende Personen teil: Mikkel Larso, CEO von Climate Impact X, Spencer Low, CEO Travel and Retail, Chief Strategy & Sustainability Officer von SATS, und Vandita Pant, Chief Commercial Officer von BHP.

1 Natural climate solutions, Griscom et al. 2017, PNAS
2 Crippa et al. (2021)
3 FAIRR (2020). https://www.fairr.org/sustainable-proteins/food-tech-spotlight/building-esg-into-food-tech/

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