Dekarbonisierung: Hilfe für Energieunternehmen im Wandel

Eine rasche Dekarbonisierung der Weltwirtschaft ist unerlässlich. Sollte es uns gelingen, bis 2050 weltweit das Ziel der „Netto Null“-Emissionen zu erreichen, wird der globale Temperaturanstieg nach Ansicht der Wissenschaftler unter 1,5 Grad Celsius bleiben – womit die drastischsten Auswirkungen des Klimawandels abgewendet würden. Nach der COP26 im November 2021 wurde deutlich, dass die politischen Entscheidungsträger noch um einiges mehr unternehmen müssen, damit dieses Ziel erreicht werden kann. abrdn | 23.08.2022 18:30 Uhr
© Photo by Marcin Jozwiak on Unsplash
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Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Wir sind uns unserer Verantwortung bei der Unterstützung der Dekarbonisierung und der Finanzierung von Klimalösungen bewusst. Doch es liegt auch auf der Hand, dass dieser Prozess manchen Unternehmen viel leichter fällt als anderen. So stehen zum Beispiel Energieunternehmen vor einer mächtigen Aufgabe. Als große Verursacher von Kohlenstoffemissionen wird ihr Übergang länger und kostspieliger sein als der anderer Unternehmen. Wir sehen uns ein Energieunternehmen näher an, um zu untersuchen, welche Fortschritte es auf seinem Weg zur Nachhaltigkeit macht.

Fallbeispiel – RWE

RWE ist ein deutsches Versorgungsunternehmen, das seit über 120 Jahren Energie liefert. Seine Aktivitäten gliedern sich in drei Bereiche: Lignit (Kohle) und Kernenergie, europäische Energie sowie Stromversorgung und -handel. Wir arbeiten mit RWE an der Energieumstellung des Unternehmens. Dieser Prozess umfasst die Dekarbonisierung, den verantwortungsvollen Ausstieg aus der Kohle- und Kernenergie und Investitionen in erneuerbare Energien.

Ziele für die Dekarbonisierung

Wir arbeiten direkt als Stakeholder mit RWE zusammen und nehmen zudem über Climate Action 100 Einfluss. Diese Organisation wurde 2017 von Investoren (für Investoren) ins Leben gerufen, um sich auf die weltweit größten Treibhausgasemittenten zu konzentrieren. RWE wurde dabei als eines der 167 Unternehmen mit den höchsten Treibhausgasemissionen identifiziert. Seitdem hat sich RWE wissenschaftlich fundierte Ziele gesetzt, um die Scope-1- und Scope-2-Emissionen bis 2030 um 50 % (im Vergleich zu 2019) und die Scope-3-Emissionen bis 2030 um 30 % zu reduzieren.

„Growing green“ – eine immer grünere Strategie

RWE strebt an, bis 2040 eine Netto-Null-Kohlenstoffposition zu erreichen. Der nächste Schritt besteht darin, im Rahmen seiner „growing green“-Strategie den Ausbau der Produktionskapazitäten für erneuerbare Energien zu beschleunigen. Diese Strategie macht deutlich, dass Nachhaltigkeit heute ein integrativer Bestandteil des operativen Geschäfts von RWE ist.

Das Unternehmen hat seine Kohlenstoffemissionen zwischen 2012 und 2019 um mehr als 90 Millionen Tonnen gesenkt. Bis 2030 will es 50 GW an erneuerbarer Energie aus Wind, Sonne, Batterien, flexibler Erzeugung (Speicherung) und Wasserstoff erzeugen. Außerdem wird es 50 Milliarden Euro in erneuerbare Energien investieren. Derzeit sind über 80 % der Investitionen auf die EU-Taxonomie ausgerichtet. Bis 2030 wird sich dieser Anteil auf über 95 % erhöhen.

Kohle ade

Die neu gebildete Bundesregierung hat ihr Ziel, die Kohleverstromung zu beenden, von 2038 auf 2030 vorgezogen. RWE hat daher mit der Bundesregierung vereinbart, seine Kohlekraftwerke stillzulegen.

Bei der Schließung von Kohlekraftwerken sind mehrere Faktoren zu berücksichtigen. Erstens muss RWE sicherstellen, dass das Unternehmen weiterhin Energie liefern kann. Dies bringt mit sich, dass erneuerbare Energien stärker zum Einsatz kommen, das Netz saniert und ausgebaut wird und die Kraftwerke umgebaut werden. Zweitens bringt die Dekarbonisierung mit sich, dass RWE andere Fähigkeiten und Mitarbeiterprofile brauchen wird, was mit sozialer Verantwortung einhergeht. Um die Veränderung auf sozial verantwortliche Weise bewältigen zu können, arbeitet RWE mit der Regierung und den Gewerkschaften zusammen und prüft verschiedene Optionen für die Belegschaft. Einige Mitarbeiter werden sich möglicherweise für den Vorruhestand entscheiden, andere werden sich umschulen lassen.

Staatliche Hilfe und Umweltziele

Das Erreichen einer Netto-Null-Position ist jedoch mehr als nur ein Umweltthema – RWE braucht dazu auch die richtige Unternehmensführung oder „Governance“. Eine effektive Unternehmensführung ist für eine reibungslose Umstellung im Energiebereich unerlässlich. Die Mitglieder des Aufsichtsrats werden alle drei Jahre neu gewählt, und die Termine für die Neubesetzung des Vorstands sind gestaffelt. So wird eine Hälfte des Vorstands 2024 neu besetzt, die andere 2025, um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten.

Eine effektive Unternehmensführung ist für eine reibungslose Umstellung im Energiebereich unerlässlich.

Alle Neubesetzungen müssen ein hohes Maß an Fachwissen in den Bereichen Technologie, Digitalisierung, erneuerbare Energien, flexible Energie und Speicherung mitbringen. Da die Stromnachfrage im Zuge der Energiewende rasant zunehmen wird, müssen die Elektrizitätsunternehmen umfangreiche Investitionen tätigen, um den Anstieg zu bewältigen. Schon jetzt kommt es zu zahlreichen Stromausfällen, weil die Infrastruktur veraltet ist und mit der Nachfrage oder der Umstellung auf erneuerbare Energien nicht zurande kommt. Dementsprechend sind auf Vorstandsebene besondere Fähigkeiten gefragt, damit die Vorstandsmitglieder wissen, was zu tun ist, und die erforderliche Expertise für die Beaufsichtigung der Investitionen durch das Management haben.

Ein weiteres Governance-Thema wird sein, sicherzustellen, dass die Vergütung der Führungskräfte mit den Umweltzielen des Unternehmens im Einklang steht. Die kurz- und langfristigen Leistungsziele von RWE müssen auf Nachhaltigkeit ausgerichtet sein.

Wir arbeiten weiterhin mit RWE zusammen, um das Unternehmen auf seinem Weg zur Dekarbonisierung anzufeuern. Darüber hinaus messen wir RWE anhand verschiedener interner Kennzahlen und Scores, die den Fortschritt widerspiegeln, den RWE bei der Umstellung bisher gemacht hat.

Kathleen Dewandeleer, Stewardship Manager, ESG Investment, abrdn

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