Chinas ESG-Strategie: Immer noch auf Kurs?

abrdn | 24.11.2022 09:21 Uhr
© Phot von SAM LIM auf pexels.com
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Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Im Februar schrieben wir: „Immer mehr chinesische Unternehmen wissen den Nutzen und die Vorteile, die ESG-Richtlinien bringen können, zu schätzen.“ Diese Aussage ist auch zwei Jahre später noch gültig.

Das Engagement für ESG-Aspekte (Umwelt, Soziales und Governance) ist ähnlich wie bisher. Gleichzeitig sind im Hinblick auf den Dialog und die Offenlegung, die internationale Anleger wünschen, wachsende Erfahrungen und eine zunehmende Anerkennung auszumachen. Die Daten und ihre Offenlegung sind nach wie vor eine Herausforderung, haben sich jedoch seit Februar 2021 wesentlich verbessert. Viele chinesische Unternehmen haben sich aktiv um Feedback und Anregungen von Anlegern bemüht, das Niveau ihrer Offenlegungen gesteigert und erste Nachhaltigkeitsberichte veröffentlicht. Natürlich bleibt auf diesem Gebiet noch viel zu tun, doch die erzielten Fortschritte sind bemerkenswert.

Unter den asiatischen Märkten lässt China im Hinblick auf ESG-Aspekte möglicherweise die größten Fortschritte und die stärkste Dynamik erkennen, zumal chinesische Unternehmen zunehmend proaktiv mit ihren Aktionären zusammenarbeiten. Auch die regulatorischen Anforderungen und Leitlinien werden fortlaufend verbessert, insbesondere im Hinblick auf die Offenlegung. Anfang dieses Jahres hat beispielsweise die China Enterprise Reform and Development Society einen Leitfaden für die Offenlegung von ESG-Daten durch Unternehmen veröffentlicht, der im Juni in Kraft getreten ist. Die neuen Richtlinien berücksichtigen Anregungen einer Vielzahl von Anspruchsgruppen in China, darunter private und staatliche chinesische Unternehmen, Finanzinstitute, Universitäten und staatliche Stellen. Gleichzeitig entwickelt sich aber auch Chinas rasch wachsende ESG-Datenbranche weiter. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf der Erhebung und Bereitstellung eigener, auf China ausgerichteter ESG-Daten sowie auf dem Einsatz innovativer Techniken, um die bestehende Informationslücke zu schließen.

Voll engagiert

Ein Beispiel für ein Unternehmen, das seine Berichterstattung verbessert, ist Proya Cosmetics Co Ltd. Als fünftgrößte einheimische Kosmetikmarke in China besitzt das Unternehmen einen starken Kundenstamm und wendet sich mit seinen preiswerten Produkten vor allem an junge Menschen in Städten außerhalb der großen Metropolen. Unserer Ansicht nach wird Proya vom anhaltenden Trend zur „Premiumisierung“ profitieren. Dabei zahlen sich die Investitionen in Forschung und Entwicklung aus, die es dem Unternehmen ermöglicht haben, höherpreisige Produkte auf den Markt zu bringen.

Im Rahmen unseres Due Diligence-Prozesses und unseres laufenden Dialogs mit dem Unternehmen konzentrierten wir uns auf seinen Ansatz in Bezug auf die Verwendung von Chemikalien in Kosmetika, Tierversuche und nachhaltige Verpackungen. Die Gespräche verliefen sehr positiv, und das Unternehmen war bereit, relevante Informationen bereitzustellen und seine Sichtweise zu diesen Aspekten darzulegen. Die Reaktion von Proya auf unser Engagement stimmte uns zuversichtlich – das Unternehmen war in seinem Denken und Handeln offensichtlich weiter fortgeschritten, als seine Berichterstattung vermuten ließ. Wir waren überzeugt, dass Proya noch erheblich mehr Daten offenlegen könnte, und ermutigten das Management, dies zu tun. Unsere Bemühungen haben sich ausgezahlt: Proya hat seine Offenlegungen inzwischen verbessert und MSCI hat das ESG-Rating des Unternehmens im Oktober dieses Jahres von CCC auf BBB heraufgestuft.

Chinas anhaltender Fokus auf den Klimawandel

China räumt dem Klimawandel weiterhin große Bedeutung ein. Das Land hat die Formulierungen in seinen national festgelegten Beiträgen (Nationally Determined Contribution, NDC) uim Rahmen des Übereinkommens von Paris optimiert und dabei engere Fristen und ehrgeizigere Ziele festgelegt. Das chinesische NDC-Dokument sieht nun vor, dass die Emissionen des Landes bereits vor dem Jahr 2030 ihren Höhepunkt erreichen (statt wie bisher „in etwa im Jahr 2030“). Gleichzeitig zielt die staatliche Politik jetzt darauf ab, den Anteil der nicht fossilen Brennstoffe am Primärenergieverbrauch bis 2030 auf 25% zu erhöhen (statt wie bisher um „rund 20%“) – weitere Einzelheiten dazu finden Sie hier).

Auch auf diesem Gebiet kann mehr getan werden und es ist noch mehr Ehrgeiz erforderlich. Die Änderung der NDCs ist ein weiterer Indikator für das Engagement des Landes im Kampf gegen den Klimawandel. Doch nicht nur auf staatlicher Ebene engagiert sich China für die Bewältigung des Klimawandels, auch die Privatwirtschaft setzt sich immer höhere Klimaschutzziele. Eine Reihe chinesischer Unternehmen ist zudem gut aufgestellt, um zur weltweiten Dekarbonisierung beizutragen.

Bei unseren Anlagen konzentrieren wir uns unter anderem auf die führende Rolle, die chinesische Unternehmen bei grünen Technologien spielen. China hat den größten Anteil an den globalen Produktionskapazitäten für Technologien im Bereich der erneuerbaren Energieerzeugung und -speicherung, und viele chinesische Unternehmen sind in diesen Bereichen weltweit führend. Die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft erfordert enorme Investitionen in die erneuerbare Energieerzeugung und -speicherung, wovon China profitieren dürfte.

Die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft erfordert enorme Investitionen in die erneuerbare Energieerzeugung und -speicherung, wovon China profitieren dürfte.

In diesem Zusammenhang führten wir einige sehr ermutigende Gespräche mit Unternehmen aus der Solar- und Windenergiebranche. Im Bereich Solarenergie stehen wir mit unseren Portfoliounternehmen seit Langem in einem umfassenden Dialog zu Fragen des Lieferkettenmanagements. Bei unseren Treffen erkundigen wir uns nach den Ansätzen der Unternehmen in ihren eigenen Lieferketten, nach den bestehenden Strukturen, Prozessen und Kontrollmechanismen, nach ihrem Ansatz zur Überwachung und nach ihren bisherigen allgemeinen Erfahrungen. Bei unseren Engagements in der Windenergiebranche haben wir uns mit einer Vielzahl von Faktoren befasst. In jüngster Zeit beschäftigen wir uns mit der Recyclingfähigkeit von Rotorblättern für Windkraftanlagen, einem Thema, das im Bereich der erneuerbaren Energien angesichts der zunehmenden Komplexität der Rotortechnik an Bedeutung gewinnt.

Eine grünere Zukunft schaffen

China kommt auch eine wichtige Rolle bei der Dekarbonisierung der Immobilien- und Bauwirtschaft zu, da diese Sektoren wesentlich zu den globalen CO2-Emissionen beitragen. In unserem Due-Diligence-Prozess hatten wir China Resources Land als einen lokalen Marktführer bei der Entwicklung grüner Immobilien identifiziert, dessen führende Rolle vom Markt jedoch ungenügend gewürdigt wurde. In ausführlichen Gesprächen mit dem Unternehmen strebten wir an, seine Geschäftspraktiken – auch mit Blick auf Einzelheiten – besser zu verstehen und das Management zu einer verstärkten Offenlegung zu bewegen. Das war ein langer Prozess und uns war klar, dass unser Engagement mehrere Jahre dauern würde. Erfreulicherweise hat unser geduldiger und konstruktiver Ansatz zu einer besseren Berichterstattung des Unternehmens beigetragen. Der Markt hat diese Anstrengungen anerkannt: MSCI hat das ESG-Rating von China Resources Land vor Kurzem von BBB auf A heraufgestuft und damit die Tendenz der Ratingverbesserung fortgesetzt, die im November 2019 begann (siehe Grafik).

Entwicklung des ESG-Ratings

Quelle: abrdn, November 2022

Andere innovative Unternehmen setzen in ähnlicher Weise auf Technologie, um die Immobilien- und Bauwirtschaft zu dekarbonisieren. Glodon entwickelt beispielsweise Anwendungssoftware für die Baubranche, die dazu beiträgt, Ineffizienzen und Abfall zu reduzieren und den ökologischen Fußabdruck insgesamt zu verringern. Unsere Gespräche mit dem Management verliefen sehr positiv. Dem Unternehmen ist klar, dass der Bausektor in China zur Umweltverschmutzung beiträgt und dass Technologie dabei helfen kann, dieses Problem zu bewältigen und gleichzeitig den Abfall zu verringern, die Energieeffizienz zu steigern und die Produktion auszuweiten.

Bei guter Gesundheit

Mit Blick auf die sozialen Aspekte des ESG-Spektrums liegt ein weiterer Fokus unserer Anlagen in China auf dem Gesundheitswesen. Wir investieren in Gesundheitsunternehmen, die innovative Dienstleistungen in den Bereichen Forschung und klinische Studien bieten. Damit wollen diese Unternehmen dazu beitragen, dass hochwertige Behandlungsmöglichkeiten effizienter und kostengünstiger an den Markt gebracht werden. Dies steht im Einklang mit dem Ziel der chinesischen Regierung, die Gesundheitsversorgung günstiger zu gestalten und die Zugangsmöglichkeiten für die gesamte Bevölkerung zu verbessern. Da sich China demografischen Herausforderungen wie einer rasch alternden Gesellschaft gegenübersieht, besteht ein zusätzlicher Anreiz, durch eine erschwinglichere und leichter zugängliche Gesundheitsversorgung die wirtschaftliche Belastung für das Land zu verringern.

Bei unseren Engagements im Gesundheitswesen konzentrierten wir uns unter anderem auf den Umgang mit Tierversuchen. Wir befragten die Unternehmen zu ihren entsprechenden Richtlinien und Ansätzen, zu ihrem Governance-Prozess zur Überwachung von Tierversuchen und zu ihrem Angebot an Schulungen für medizinisches Fachpersonal. Viele Unternehmen haben uns mit ihren Antworten beeindruckt. Mehrere von ihnen stellten uns eine Vielzahl von Dokumenten zur Verfügung, die ihre Position zu Tierversuchen belegen. Einige unserer Portfoliounternehmen sind auch Teil eines umfassenderen globalen Ökosystems, sodass zu erwarten ist, dass sie die internationalen Standards einhalten werden. Doch der Enthusiasmus und das fundierte Wissen, das die Unternehmen bei den Gesprächen mit uns an den Tag legten, haben uns sehr zuversichtlich gestimmt.

Was bedeutet das für Anleger?

Ein bekanntes chinesisches Sprichwort lautet: Eine Reise von tausend Meilen beginnt mit dem ersten Schritt (千里之行,始于足下). China hat seine ersten Schritte in puncto ESG bereits vor einiger Zeit getan und kommt auf diesem Weg gut voran – besser, als viele erwarten würden. Natürlich wäre es naiv, zu leugnen, dass diese Reise tatsächlich tausend Meilen lang ist und dass es noch einen weiten Weg zu bewältigen gilt. Daher kommt Anlegern die wichtige Rolle zu, sich bei chinesischen Unternehmen geduldig und konstruktiv für ESG-Belange einzusetzen. Dabei sollten sie anstreben, die Unternehmen zu notwendigen Veränderungen und einer besseren Offenlegung zu bewegen, damit ihre ESG-Anstrengungen deutlicher werden.

Aufgrund der bestehenden Daten- und Informationslücken ist China nach wie vor ein ineffizienter Markt, wenn es darum geht, Unternehmen mit hervorragenden ESG-Merkmalen zu identifizieren. Doch wir sind überzeugt, dass diese Ineffizienz aktiven Managern die Chance bietet, sowohl die aktuelle als auch die nächste Generation von ESG-Vorreitern in China ausfindig zu machen.

Mehr über die abrdn China-Kompetenzen erfahren Sie hier.

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