Messung der Biodiversität und Ausrichtung an der TNFD aus dem Blickwinkel realer Assets

abrdn | 26.01.2023 12:55 Uhr
© Foto von Palle Knudsen auf Unsplash
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Die Natur befindet sich in einer Krise und noch nie zuvor in der Geschichte der Menschheit hat sich ihr Zustand so schnell verschlechtert wie heute. Unsere Volkswirtschaften existieren als Teil dieser Natur – und nicht losgelöst von ihr1.

Vor diesem Hintergrund befassen sich Investoren zunehmend mit diesem Thema, da sie sich in steigendem Ausmaß der Auswirkungen bewusst sind, das Interesse der Kunden wächst, die regulatorischen Vorschriften geändert werden und neue potenzielle Märkte entstehen.

Das bringt uns zur COP15. Am 19. Dezember - nach zwei Wochen Verhandlungen und einigen dramatischen Ereignissen - verpflichteten sich fast 200 Länder, bis 2030 30 % der Böden und Ozeane unseres Planeten zu schützen.

Im Vorfeld der COP15 wurde dieses 30-mal-30-Ziel bereits als das natürliche Äquivalent zu unserem Klimaziel von 1,5 Grad Celsius angesehen. Es ist ein ehrgeiziges Ziel, denn derzeit sind nur 17 % der Landflächen und etwa 10 % der Ozeane geschützt. Anders als das Pariser Abkommen ist die COP15-Vereinbarung jedoch nicht rechtsverbindlich. Die Entwicklung nationaler Biodiversitätspläne durch die Länder, die das Abkommen unterzeichnet haben, wird also auf Treu und Glauben beruhen.

Die Finanzierung des Schutzes der biologischen Vielfalt unseres Planeten war ein sehr umstrittener Bereich. Die endgültige Zusage der wohlhabenderen Länder, bis 2030 schätzungsweise 30 Milliarden Dollar pro Jahr über einen Biodiversitätsfonds an ärmere Länder zu zahlen, könnte ein äußerst positiver Schritt sein.

Auch bei der Offenlegung von Informationen wurden positive Fortschritte erzielt. Im Rahmen der #makeitmandatory-Kampagne und der #Financeforbiodiverity-Verpflichtung, die beide von abrdn unterstützt werden, müssen die Regierungen sicherstellen, dass große Unternehmen und Finanzinstitutionen ihre Abhängigkeiten von und Auswirkungen auf die Natur offenlegen. Dies ist eine gute Nachricht für Vermögensverwalter, da es dazu beitragen wird, die Daten über die finanziellen Auswirkungen für die Unternehmen, in die wir investieren, zu verbessern. 

Die COP15 war ein Schritt in die richtige Richtung; jetzt müssen wir sehen, wie er von den Staaten und Unternehmen umgesetzt wird.

Wie lässt sich eine positive Umweltwirkung messen?

abrdn hat die Sinnhaftigkeit verschiedener Umweltkennzahlen untersucht. Angesichts der komplexen entstehenden Datenlandschaft hat sich abrdn mit Ernest & Young und dem Natural History Museum (NHM) zusammengeschlossen – einem weltweit führenden wissenschaftlichen Forschungszentrum und Großbritanniens meistbesuchter Indoor-Attraktion im letzten Jahr.

Das Ziel war einfach: In einer Pilotstudie mit der Taskforce on Nature-related Financial Disclosures (TNFD) sollten die Erkenntnisse von Ernest & Young zu den für eine Ausrichtung am TNFD Beta Framework erforderlichen Daten und Berichten zusammengefasst und die potenzielle positive Wirkung einer oder mehrerer der realen Assets von abrdn auf die Artenvielfalt mithilfe der Experten des NHM gemessen werden.

Die Biodiversität ist eine wichtige Umweltkennzahl und eine der Steuerungsgrößen zur Bewertung des Zustands unseres Planeten.

Biodiversity Intactness Index

Mithilfe des Biodiversity Intactness Index (BII) des NHM lässt sich eine Berechnungsbasis für die Wirkung eines Assets auf die Artenvielfalt ermitteln und es kann in einem Modell dargestellt werden, wie verschiedene Arten der Bodenbewirtschaftung diese verändern können.

Mit fast fünf Millionen Datenpunkten zu mehr als 48.000 Standorten in über 100 Ländern stützt sich der BII auf die umfassendste Datenbasis ihrer Art.

Es handelt sich um eine taxonomisch repräsentative Sammlung von 58.000 Pflanzen-, Tier- und Pilzarten, die es in Kombination mit dem Modell PREDICTS (Projecting Responses of Ecological Diversity In Changing Terrestrial Systems) des NHM ermöglicht, verschiedene Szenarien zu analysieren.

Was ist ein „gutes“ Ergebnis?

Ein BII-Wert von 100% kennzeichnet unberührte Gebiete ohne Anzeichen für Eingriffe durch den Menschen. Ein BII-Ergebnis von über 90% kennzeichnet Gebiete, die eine für ein robustes und funktionierendes Ökosystem ausreichende Artenvielfalt aufweisen.

Ein Wert zwischen 30% und 90% deutet auf einen Verlust biologischer Vielfalt, der das zuverlässige Funktionieren eines Ökosystems beeinträchtigen könnte. Bei einem Wert unter 30% ist die Biodiversität derart dezimiert, dass ein Zusammenbruch des Ökosystems zu befürchten steht.

Um all dies einmal einzuordnen: Im November 2022 lag der durchschnittliche BII-Wert für Großbritannien bei 53%. Der BII-Wert für die gesamte Welt liegt 2022 bei rund 77%, der für die USA bei 69% und der für Singapur bei 34%, um ein paar Beispiele zu nennen.

Wie hat das Asset abgeschnitten?

Für die Pilotstudie fiel die Wahl auf Far Ralia, ein 1.440 Hektar großes Gebiet im schottischen Nationalpark Cairngorms und Teil einer unserer Anlagestrategien für reale Vermögenswerte.

Ausschlaggebend waren Größe und Renaturierungsziele des Standorts, an dem eines der größten Projekte zur Wiederherstellung heimischer Wälder und Moore in Großbritannien aufgesetzt werden soll, um eine positive Wirkung auf Klima, Umwelt und Gesellschaft zu erzielen.

abrdn wollte sicherstellen, dass das Projekt sein konkretes Biodiversitätsziel gemäß den sieben Grundsätzen für naturbezogenes Investieren mit Integrität, die an den vorläufigen Grundsätzen der schottischen Regierung für verantwortliche Investitionen in Naturkapital ausgerichtet sind, erreicht.

Das NHM hat den aktuellen BII-Wert des Standorts im Modell dargestellt. Obwohl es sich dabei um eine offene Landschaft handelt, die als „grüne Landschaft“ wahrgenommen wird, erreichte der Standort, nachdem er früher für die Moorhuhnjagd genutzt wurde, ein Ergebnis von nicht einmal 52%.

Das NHM entwickelte ein Modell zur Renaturierung der verarmten Flächen über einen kurzen, mittleren oder längeren Zeitraum. Daraus ergab sich eine erhebliche Verbesserung auf einen Wert von 73% innerhalb von nur 30 Jahren und auf 94% über einen längeren Zeitraum.

Far Ralia Biodiversity Intactness Index (%)

Wesentliche Beobachtungen

Die gemeinsame Pilotstudie lieferte die folgenden Erkenntnisse:

  • Der BII ist ein tragfähiger Indikator, der im Unterschied zu vielen anderen Indikatoren für Biodiversität an einem Modell verdeutlichen kann, wie Landschaftsflächen auf geplante Maßnahmen reagieren.
  • Mithilfe des BII lässt sich die Wirkung zahlreicher Arten der Nutzung im Modell darstellen, darunter Regenerationsvorhaben, Immobilienanlagen, Infrastrukturentwicklung und Veränderungen der landwirtschaftlichen Praxis.
  • Um den Zustand eines Ökosystems vollständig bewerten und verstehen zu können, muss eine ganze Reihe von Kennzahlen erfasst werden. Der BII bietet eine Möglichkeit, die Biodiversität auf globaler Ebene, maßstabsgerecht und unter Berücksichtigung der planetaren Grenzen zu messen und definiert so einen sicheren Handlungsraum für nachhaltiges menschliches Wirken2.

Nach diesem vielversprechenden Ergebnis werden abrdn, EY und NHM die Skalierbarkeit und Einsatzmöglichkeiten des BII und den Nutzen dieses Instruments für das TNFD weiter untersuchen.

Von Georgie Nelson, Head of ESG Real Estate and Ann Meoni, Senior Sustainability Analyst, abrdn

Dasgupta, P (2021) The Economics of Biodiversity: The Dasgupta Review

Rockstöm et al (2009) A safe operating space for humanity.

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