Die Schwellenländer (Emerging Markets, EM) sind seit geraumer Zeit aus der Gunst der Anleger gefallen. Diese Anlageklasse, die eine vielfältige Palette an Ländern und Volkswirtschaften umfasst, leidet unter der erhöhten geopolitischen Unsicherheit, einem starken Dollar und den durch die mittlerweile aufgegebene Null-Covid-Politik Chinas ausgelösten wirtschaftlichen Störungen.
Während kurzfristige Faktoren die Attraktivität der Schwellenländer für viele Anleger gemindert haben, spricht der längerfristige strukturelle Wandel dafür, dass sie mit Blick auf die Diversifizierung und künftige Widerstandsfähigkeit von Portfolios weiterhin Beachtung finden sollten. Nachfolgend legen wir vier Gründe hierfür dar.
Energiewende
Viele Schwellenländer weisen einen Bezug zur Produktion weicher (Kaffee, Weizen, Sojabohnen) und harter (Metalle, Öl, Gas) Rohstoffe auf. Die globale Energiewende, d.h. der Übergang von CO2-intensiven Kraftstoffen zu emissionsarmen Alternativen, wird dafür sorgen, dass die Schwellenländer auch über viele weitere Jahre hinweg ein wichtiger Rohstofflieferant bleiben werden.
Die globale Energiewende, d.h. der Übergang von CO2-intensiven Kraftstoffen zu emissionsarmen Alternativen, wird dafür sorgen, dass die Schwellenländer auch über viele weitere Jahre hinweg ein wichtiger Rohstofflieferant bleiben werden.
Industriemetallen wie Kupfer, Zink, Aluminium und Nickel wird in diesem Jahrhundert eine entscheidende Rolle zukommen. Die Länder in Lateinamerika und im Süden Afrikas zählen zu den wichtigsten Produzenten dieser Metalle. Die Nachfrage nach einigen Edelmetallen, wie Platin und Palladium, wird aufgrund ihres Einsatzes in Automotoren mit geringerem CO2-Ausstoß ebenfalls anziehen.
China, dessen Unternehmen beinahe ein Drittel des EM-Anlageuniversums stellen, hat bei einigen der neuen Technologien, die im Mittelpunkt des Übergangs zu einer nachhaltigen Energieversorgung stehen, darunter Solarkraft, Batterien und Elektrofahrzeuge, eine globale Führungsposition inne.
US-Klimaregulierung
Der im vergangenen Jahr verabschiedete Inflation Reduction Act stellt mit einem Umfang von beinahe 400 Mrd. USD über zehn Jahre das größte Klimagesetz auf Bundesebene in der Geschichte der USA dar.
In einer wissenschaftlichen Studie wird geschätzt, dass das Gesetz bis 2030 eine Reduzierung der CO2-Emissionen in den USA um etwa 32-34% im Vergleich zu den 2005 verzeichneten Niveaus bewirken könnte. Dies sind fünf bis 15 Prozentpunkte mehr, als ohne das Gesetz erreicht worden wären.
Der Fokus des Inflation Reduction Act auf die Energiesicherheit und die Bekämpfung des Klimawandels rückt Bereiche wie Atomkraft, Wasserstoff und andere Formen saubererer Energie ins Rampenlicht. Es sorgt zudem für langfristige Anreize für höhere Investitionen in Solar- und Windkraft sowie Energiespeichertechnologien.
All dies wird erhebliche Auswirkungen auf die Nachfrage nach Rohstoffen mit Bezug zu erneuerbaren Energien und zur Energiewende haben, von denen viele in den Schwellenländern gefördert werden.
China ist wieder im Geschäft
Ende letzten Jahres hob China seine Null-Covid-Politik, welche die Wirtschaftsaktivität im Inland sowie im internationalen Ausland erheblich beeinträchtigt hatte, überraschend plötzlich wieder auf.
Trotz der zunehmenden geopolitischen Spannungen spielt die zweitgrößte Volkswirtschaft zwangsläufig eine wesentliche Rolle bei jedweder globalen Erholung (von kurzfristigen Inflationssorgen einmal abgesehen). China ist auch für die anderen Schwellenländer von großer Bedeutung, da das Land einen wichtigen Abnehmer von Rohstoffen und Dienstleistungen darstellt. Hinzu kommt seine Rolle in den globalen Lieferketten, von denen die Schwellenländer ein wesentlicher Bestandteil sind.
Gleichwohl lassen sich die kurzfristigen Auswirkungen der Wiederaufnahme der Wirtschaftstätigkeit in China auf die globale Nachfrage nur schwer abschätzen. Es ist, als würde man durch einen dunklen Tunnel fahren und es wird langsam wieder hell. Dennoch müssen sich die Augen jedes Mal erst wieder an das Sonnenlicht gewöhnen, egal, wie vorbereitet man darauf ist.
Wachsende Nachfrage in den Schwellenländern
Der Konsum im Inland ist in den letzten zehn Jahren zu einem wesentlichen Treiber der Wirtschaftsaktivität in den Schwellenländern avanciert. In jüngerer Vergangenheit ist es im Hinblick auf die Konsumnachfrage zu einer „Premiumisierung“ gekommen. Gemeint ist, dass wohlhabendere Verbraucher höherwertige Produkte und Dienstleistungen verlangen.
Dieser Binnenkonsum hat auch den Aufschwung von zyklischen Konsumgüterunternehmen begünstigt, darunter große asiatische Online-Handelsfirmen, die in der Region gewachsene Pendants zu vielen der US-Technologieriesen darstellen.
In diesem Segment finden sich zahlreiche bekannte Firmen, insbesondere in Ländern wie China. Während die jüngsten regulatorischen Herausforderungen deren Attraktivität möglicherweise gemindert haben, werden diese Unternehmen in den kommenden Jahren auch weiterhin wesentlich zum Wachstum in den Schwellenländern beitragen.
Abschließende Erwägungen
Obschon sich Schwellenländeranlagen in den letzten Jahren nicht sonderlich gut entwickelt haben (was vor allem der trüben Stimmung in Bezug auf China geschuldet war), stellten ausgewählte Rohstoffunternehmen mit Bezug zu Lebensmitteln und Energie im vergangenen Jahr vor dem Hintergrund der durch den Ukraine-Konflikt ausgelösten Engpässe Lichtblicke am Markt dar.
Der Ausblick für Rohstoffe könnte auf kurze bis mittlere Sicht vom seit Jahresbeginn schwächer tendierenden Dollar beflügelt werden (da viele wichtige Waren in Dollar gehandelt werden). Lieferkettenstörungen im Zusammenhang mit dem Konflikt in der Ukraine und Investitionen in erneuerbare Energien zur Bewältigung der Klimakrise dürften ebenso ihren Teil beitragen.
Und auch auf längere Sicht dürften die Schwellenländer eine immer wichtigere Rolle bei den systemischen Veränderungen spielen, die sich derzeit abzeichnen, da sie wichtige Rohstoffe für die Energiewende bereitstellen und zudem als Quelle für die global nachgefragten Waren und Dienstleistungen fungieren.