„Eine Zinserhöhung der EZB um 25 Basispunkte ist so gut wie sicher, wie die Verantwortlichen seit der letzten Sitzung des EZB-Rats im Juni zweifellos zum Ausdruck gebracht haben. Es wird jedoch immer deutlicher, dass sich die Zinssätze rasch ihrem Höhepunkt nähern. Die Kommunikation rund um die bevorstehende geldpolitische Entscheidung wird uns weitere Informationen darüber liefern, wie nahe das Ende des Zinserhöhungszyklus ist. Diese Zinserhöhung könnte tatsächlich die letzte sein.
Wir halten es für unwahrscheinlich, dass sich die EZB auf ihrer September-Sitzung auf eine der beiden Seiten festlegen wird. Die Verantwortlichen haben in den letzten Wochen betont, wie offen und datenabhängig diese Entscheidung ist. Anleger werden die Datenlage genau beobachten und mit den Prognosen der EZB vergleichen müssen, wenn sie ihr zuvorkommen wollen.
Die politischen Entscheidungsträger dürften den Grund für den jüngsten Anstieg der Kerninflationsrate durchschauen. Dieser ist auf Basiseffekte im Zusammenhang mit der Einführung neuer Subventionen für den öffentlichen Nahverkehr in Deutschland im vergangenen Jahr sowie auf Änderungen der Gewichte im Warenkorb zur Berechnung der Inflation zurückzuführen. Das starke Lohnwachstum, das einen Aufwärtsdruck auf die Dienstleistungspreise ausübt, gibt jedoch weiterhin Anlass zur Sorge. Die EZB wird darauf hoffen, dass die verzögerten Auswirkungen früherer Straffungsmaßnahmen den angespannten Arbeitsmarkt überwinden und zu einer baldigen Abschwächung des zugrunde liegenden Inflationsdrucks führen werden.
Die jüngsten Korrekturen der BIP-Daten bedeuten, dass die „Winterrezession" nicht mehr als solche zu bezeichnen ist. Der Dominoeffekt dieser Änderung könnte die Erwartungen für die BIP-Zahlen in diesem Jahr geringfügig verbessern. Die jüngsten Umfragedaten waren jedoch nicht so positiv, und der Composite Einkaufsmanagerindex (PMI), der in den rückläufigen Bereich abrutschte, erinnert daran, dass weiterhin Rezessionsrisiken bestehen. Zudem gibt es immer mehr Anzeichen dafür, dass die verzögerten Auswirkungen der früheren geldpolitischen Straffung das Kreditwachstum und die Investitionen belasten. Der Rat wird sich jedoch vorerst weiterhin auf den aktuellen Inflationsanstieg konzentrieren."
Von Felix Feather, European Economic Analyst bei abrdn