„Beide Faktoren werden sich meines Erachtens in der zweiten Jahreshälfte weltweit stärker positiv auf das Wachstum auswirken. Zugleich gibt es praktisch nirgendwo Anzeichen für eine zunehmende Inflation. Das gibt den Zentralbanken Spielraum, ihre Geldpolitik zu lockern oder den Beginn des Normalisierungsprozesses erneut zu verschieben, etwa in den USA. Ich rechne deshalb rund um den Globus mit einer stärkeren und zunehmend im Gleichschritt verlaufenden Konjunkturbelebung.
Im Euroraum sollte sich nicht zuletzt der schwächere Euro positiv auswirken. Japan profitiert besonders vom günstigen weltwirtschaftlichen Umfeld, sodass es mit der dortigen Wirtschaft weiter bergauf gehen dürfte. In den USA sollte sich das Wachstum nach der Flaute im ersten Halbjahr auf ein überdurchschnittliches Niveau beschleunigen. Allerdings wird der stärkere Dollar die Exporte und Unternehmensgewinne weiter belasten. In den Schwellenländern wird die Entwicklung weiter auseinanderdriften: Am besten sind die Aussichten für Osteuropa und Asien. Beide Regionen dürften sich gegenüber einer Zinsanhebung in den USA als relativ widerstandsfähig erweisen.
Aus meiner Sicht ist die US-Notenbank Fed jedoch in der Lage, die Zinsen noch länger niedrig zu halten. Mit einer Zinsanhebung ist nicht vor Dezember und vielleicht sogar erst Anfang 2016 zu rechnen. Zwar ist das Verbrauchervertrauen hoch, und der Arbeitsmarkt boomt. Steigende Verbraucherausgaben sind daher wahrscheinlich – was allerdings nur einen allmählichen Anstieg der Inflation und der Löhne bewirken dürfte. Die Fed wird daher wohl auf eindeutige Hinweise auf steigenden Ausgaben der privaten Haushalte warten und auch dann nur vorsichtig an der Zinsschraube drehen.
Ein Bremsfaktor für die weltweite Erholung wäre ein langsameres Wirtschaftswachstum in den USA. Die Folgen für den Rest der Welt könnten sich jedoch in Grenzen halten, da dies die Fed wohl dazu bewegen würde, die erste Zinsstraffung noch weiter hinauszuzögern.“
Anna Stupnytska, Volkswirtin, Fidelity Worldwide Investment