Fidelity: In Europa auf zyklische Aktien setzen

Warum sich die Gewinnrevisionen europäischer Unternehmen zum ersten Mal seit 210 Wochen wieder im Plus befinden und warum Zykliker verglichen mit defensiven Aktien in diesem Umfeld günstig bewertet sind, analysiert Matthew Siddle, Manager des Fidelity European Growth Fund. Fidelity International | 15.06.2015 11:14 Uhr
Matthew Siddle, Fidelity European Growth Fund / ©  Fidelity
Matthew Siddle, Fidelity European Growth Fund / © Fidelity
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"Die europäische Wirtschaft wird aktuell von mehreren Faktoren gestützt. So kurbeln die Stimulusmaßnahmen der Europäischen Zentralbank EZB das Wachstum in Europa weiter an. Der nach wie vor niedrige Ölpreis erhöht die Kauflaune der europäischen Verbraucher und der gegenüber wichtigen Handelswährungen schwache Euro verschafft europäischen Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil.

Auch die größere Kreditbereitschaft der Banken und die günstigeren Finanzierungsbedingungen dürften für weiteres Wachstum der europäischen Unternehmen sorgen. Das sollte die zuletzt positive Dynamik bei den Gewinnkorrekturen in Europa untermauern. In den vergangenen Wochen sind sie ins Plus gedreht, nachdem die Unternehmensgewinne zuvor 210 Wochen in Folge nach unten revidiert worden waren. Auch beim Vergleich mit anderen Regionen steht Europa bei den Gewinnkorrekturen wieder gut da.

Interessant ist auch, dass derzeit die Geldmenge M1, Kennzahl für das im Umlauf befindliche Bargeld, schneller wächst als 2009 nach der Finanzkrise. In den letzten 15 Jahren war die Beschleunigung der Umlaufgeschwindigkeit der Geldmenge M1 ein guter Indikator für einen folgenden Anstieg der Aktivität in der Industrie.

Die größte Gefahr für dieses positive Gesamtumfeld geht von politischen Unwägbarkeiten aus, vor allem von der Schuldenkrise in Griechenland. Auf kurze Sicht könnten hiervon Schwankungen an den Aktienmärkten ausgehen. Möglichen Ansteckungsgefahren dürfte die EZB mit ihrem quantitativen Lockerungsprogramm jedoch entgegenwirken. Außerdem bestehen die Verbindlichkeiten Griechenlands inzwischen überwiegend gegenüber der EZB und dem Internationalen Währungsfonds IWF. Das federt die negativen Folgen einer Pleite Griechenlands für das europäische Finanzsystem ab.

Nach der Rally seit Jahresbeginn liegen die Kurs-Gewinn-Verhältnisse europäischer Aktien basierend auf künftigen Gewinnen mittlerweile über dem Niveau ihrer langjährigen Durchschnittswerte und die Kurs-Buchwert-Verhältnisse auf diesem Niveau. Aber verglichen mit US-Aktien und Unternehmensanleihen sind Aktien aus Europa nach wie vor günstig. Und Zykliker werden verglichen mit defensiven Aktien weiterhin auf günstigem Niveau gehandelt, obwohl die Gewinne ersterer kräftiger gestiegen sind.

Insgesamt habe ich daher die stärker binnenwirtschaftlich orientierten defensiven Branchen unter- und die zyklischen Branchen übergewichtet. Innerhalb der zyklischen Konsumgüterbranche gewichte ich vor allem attraktiv bewertete Medientitel über. Besonders interessant finde ich Werbeagenturen wie Publicis mit soliden langfristigen Fundamentaldaten, die in den Schwellenländern und der Online-Werbung stark vertreten sind.

Übergewichtet habe ich auch die Gesundheitsbranche. Aufgestockt habe ich beispielsweise Roche und Smith & Nephew, einen Anbieter von Medizintechnik. Vorteilhaft war auch die Übergewichtung der Technologiebranche, in der ich das Engagement seit Jahresbeginn kontinuierlich erhöht habe. Dabei habe ich die günstigen Kursniveaus genutzt, um einen Bestand bei SAP aufzubauen. Seit Jahren erwirtschaftet der Softwareentwickler nicht nur starke Erträge, sondern erzielt auch ein über dem Markt liegendes Gewinnwachstum. Zweifel an der Fähigkeit des Softwarehauses, den Wettbewerb im wachsenden Cloud-Geschäft auf Abstand zu halten, haben den Kurs auf ein langjähriges Tief fallen lassen. Ich bin aber überzeugt, dass SAP, auch wenn es spät auf den Zug aufgesprungen ist, inzwischen über eine starke Cloud-Sparte verfügt. Parallel dazu baut es sein Kerngeschäft weiter aus.

Auch Energiewerte gewichte ich derzeit über, denn der Ölmarkt pendelt sich wieder ein. Dabei sind die Reservekapazitäten äußerst niedrig, während die Zahl der aktiven Förderanlagen und das Produktionswachstum in den USA rapide abnehmen. Zugleich erholt sich dank niedriger Preise die Nachfrage langsam wieder. Trotz Übergewichtung in der Energiebranche sind Rohstoffe als Ganzes in meinen Fonds schwächer vertreten als im Vergleichsindex, denn auf Eisenerz oder andere Metalle trifft das Argument der Wiederherstellung des Marktgleichgewichts nicht zu. Banken habe ich ebenfalls untergewichtet, den spanischen Bankenriesen Banco Santander beispielsweise habe ich gar nicht im Portfolio. Dies trifft auch auf Versorger- und Telekommunikationsaktien zu, denen immer noch strukturelle Probleme zu schaffen machen."

Matthew Siddle, Fidelity European Growth Fund

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