Fidelity: Fed-Zinserhöhung im Dezember keine ausgemachte Sache

Damit die Fed die Zinswende im Dezember einläutet, müssen laut Anna Stupnytska, Volkswirtin bei Fidelity Worldwide Investment, folgende Bedingungen erfüllt sein: Die Binnenkonjunktur muss weiter brummen, die Inflation die Talsohle verlassen und spürbar steigen, und die Finanzierungsbedingungen müssen nachgeben. Fidelity International | 15.10.2015 09:00 Uhr
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Globales Wachstum: Ausblick für 2016 leicht eingetrübt

Anna Stupnytska
Anna Stupnytska
"Der Ausblick für das Weltwirtschaftswachstum im nächsten Jahr hat sich etwas eingetrübt, denn die von niedrigeren Energiepreisen ausgehenden Impulse für den Konsum lassen nach. Zugleich bleibt die Abkühlung in China eine Belastung. In den Industrieländern sind die Fundamentaldaten zwar unverändert solide. Von den angespannteren Finanzierungsbedingungen könnte jedoch Gegenwind ausgehen – sofern nicht binnen Jahresfrist eine deutliche Lockerung eintritt. In Anbetracht des geringen Preisauftriebs und der anhaltenden Belastung ausgehend von China und den Schwellenländern wird das die Europäische Zentralbank EZB und die Bank von Japan vermutlich dazu veranlassen, noch in diesem Jahr ihre quantitativen Lockerungsprogramme auszuweiten. Eine Zinserhöhung der US-Notenbank Fed im Dezember ist recht wahrscheinlich, aber wegen der jüngsten Wachstumsdynamik keine ausgemachte Sache. Die erste Zinserhöhung könnte unerfreulich werden, wenn die Fed die Zinszügel anziehen muss, weil sich der Preisauftrieb plötzlich beschleunigt, während sich zugleich das Wachstum abkühlt.

USA: Solide Fundamentaldaten

Bei vergleichsweise soliden gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den USA stehen die Chancen für ein Wirtschaftswachstum von rund 2 Prozent für die zweite Jahreshälfte gut. Am Arbeitsmarkt bessert sich die Lage weiter, wenn auch langsamer als zuvor. Konsum und Verbrauchervertrauen tendieren fest, der Dienstleistungssektor wächst und die Erholung am Immobilienmarkt schreitet voran. Auch wenn der Beschäftigungsbericht für September etwas schwächer ausgefallen ist, deutet bislang nichts darauf hin, dass sich der Positivtrend am Arbeitsmarkt umkehren könnte. Ich gehe vielmehr von weiter steigender Beschäftigung in den nächsten Monaten aus, sodass die Löhne früher oder später steigen dürften. Damit die Fed die Zinswende im Dezember einläutet, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein: Die Binnenkonjunktur muss weiter brummen, die Inflation die Talsohle verlassen und spürbar steigen, und die Finanzierungsbedingungen müssen nachgeben.

Europa: Einige Treiber der Konjunkturerholung dürften sich abschwächen

In den Ländern der Eurozone setzt sich die Konjunkturerholung fort. In nächster Zeit dürften jedoch einige Treiber nachlassen. Abschwächen dürfte sich in den kommenden Quartalen etwa der von niedrigeren Energiepreisen ausgehende Auftrieb für den Konsum. Auch könnte der zuletzt wieder stärkere Euro in Verbindung mit der anhaltend schwachen Auslandsnachfrage den positiven Wachstumsbeitrag seitens der Nettoexporte schmälern. Seit April hat die Gemeinschaftswährung um rund 8 Prozent auf handelsgewichteter Basis aufgewertet. Ein etwas stärkerer Euro wird im Schulterschluss mit niedrigen Rohstoffpreisen und der allgemeinen Schwäche am Arbeitsmarkt wohl etwas länger für stabile bzw. sinkende Preise sorgen. Trotz des gegenwärtig soliden Wachstums dürften der Gegenwind von außerhalb der Eurozone und auf neue Tiefs gefallene Inflationserwartungen letztlich eine weitere geldpolitische Unterstützung der EZB unumgänglich machen.

Japan: Weiteres Konjunkturprogramm nicht ausgeschlossen

Nach dem Schrumpfen des Bruttoinlandsprodukts im zweiten Quartal blieb auch im dritten Quartal der große Wiederanstieg aus. Nach den vorliegenden Daten zu schließen wird die Konjunktur auf der Stelle treten. Zwar könnten niedrigere Vorräte und eine gewisse Stabilisierung der Lage in China das Wachstum zum Jahresende fester tendieren lassen. Weiterhin schwächeln wird aber vermutlich der Konsum, auch wenn das etwas höhere Lohnwachstum – sofern es sich fortsetzt – die zurzeit schleppenden Verbraucherausgaben beflügeln dürfte. Eine Belastung für den Export und das verarbeitende Gewerbe könnten der zuletzt wieder stärkere Yen und die schwächelnde Nachfrage aus dem Ausland werden. Deswegen und aufgrund der ungünstigen Inflationsdynamik wird die Bank von Japan wohl ihre geldpolitischen Zügel im Schlussquartal 2015 erneut lockern. Abgesehen davon ist auch ein weiteres Konjunkturprogramm nicht ausgeschlossen, um die Wirtschaft wirksamer und schneller auf Trab zu bringen. Unterstützung für die lahmende Konjunktur und im Kampf gegen die Deflation ist in den nächsten Monaten entscheidend, denn am Horizont ziehen dunkle Wolken in Form der zweiten Stufe der Mehrwertsteuererhöhung auf.

China: Reformbestrebungen dürften im nächsten Jahr die Konjunktur bremsen

Die verlangsamte Aktivität in der Industrie steht im starken Kontrast zum Positivtrend beim Konsum und im Dienstleistungsgewerbe. Das ist ein Indiz dafür, dass die Neuausrichtung der Wirtschaft zulasten von Schwerindustrie und Investitionen voranschreitet. Nach wie vor relativ angespannt sind die Kreditkonditionen. Aber im letzten Monat ergriffene kleinere Stimulusmaßnahmen wie das Absenken der Eigenkapitalquote für Käufer von Erstimmobilien und die Halbierung der Pkw-Verkaufssteuer dürften helfen, die Talfahrt beim Wachstum in den nächsten Wochen zu stoppen. Allerdings ist nach einer kurzzeitigen Stabilisierung beim Wachstum eher mit einer Fortsetzung des Abwärtstrends zu rechnen. Gründe sind neben den Überkapazitäten und Kapitalabflüssen die sinkende Wettbewerbsfähigkeit, die Anti-Korruptionskampagne sowie andere Reformbestrebungen, die im nächsten Jahr die Konjunktur bremsen dürften.

Schwellenländer: Große Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern beachten

Der schwache Trend bei den Fundamentaldaten der Schwellenländer hält an. Für Gegenwind sorgen niedrigere Rohstoffpreise, die Konjunkturabkühlung in China und angespanntere Finanzierungsbedingungen, verschärft durch Kapitalabflüsse. Wie gehabt sind jedoch die Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern groß. Brasilien und Russland stecken in der Rezession. Und auch andere rohstoffexportierende Länder schwächeln. Aufwärts scheint es in Koreas Binnenwirtschaft zu gehen, während der Konjunkturmotor in Mexiko und Indien weiterhin rund läuft. Damit eine Erholung in den Schwellenländern an Breite gewinnt, muss sich die Lage in China stabilisieren, die Talfahrt bei den Rohstoffen gestoppt werden und die Erholung in den Industrieländern anhalten. Starkes Wachstum in den Industrieländern, auch wenn dies langsam steigende Zinsen bedeuten würde, sowie Fortschritte bei wichtigen Reformen wären für die Schwellenländer hilfreicher als eine Verschiebung der Zinswende aufgrund langsameren Wachstums in den USA."


Anna Stupnytska, Volkswirtin, Fidelity Worldwide Investment

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