Im Zuge des schwächer werdenden Wachstums in China, der Situation bei VW und der verschobenen Zinserhöhung in den USA ist die Nervosität an den Börsen wieder gestiegen. Mehrere Gewinnwarnungen deutscher Unternehmen in den vergangenen Wochen haben diese Bedenken weiter befeuert. Warnungen kamen unter anderem von Leoni, Elring Klinger, Klöckner & Co, Hugo Boss, Biotest, Deutz, Hella, SHW, Drägerwerk und der Deutschen Bank.
Daraus allerdings auf die gesamte deutsche Unternehmenslandschaft und ihre Aktien zu schließen, ist verfehlt: Die meisten Gewinnwarnungen kamen von Unternehmen, die in dieser Hinsicht keine Unbekannten sind. Und zum großen Teil resultieren sie aus individuellen Problemen der Unternehmen und nicht aus branchenübergreifenden Entwicklungen. Tatsächlich haben im zweiten Quartal etwa 60 Prozent der deutschen Unternehmen, die im Prime Standard notiert sind, die Erwartungen übertroffen. Im dritten Quartal trifft das bislang sogar auf fast drei Viertel der Unternehmen zu. Deshalb haben wir in Summe positive Gewinnrevisionen gesehen. Hervorzuheben sind qualitativ hochwertige Unternehmen wie Fresenius Medical Care, Continental, United Internet, ProSieben, Grenkeleasing oder Ströer, die ihre Ausblicke angehoben haben.
Die Börse spiegelt diese gegensätzliche Unternehmensentwicklung deutlich wider: Während beispielsweise die Deutz-Aktie dieses Jahr rund 18 Prozent im Minus liegt, ist Grenkeleasing um 72 Prozent gestiegen. Auch in Zukunft muss differenziert werden: Während Unternehmen wie Siemens und BASF ohne Währungsunterstützung in diesem Jahr kaum gewachsen wären und auch das kommende Jahr mit Fragezeichen behaftet ist, sieht es bei Firmen wie Fresenius Medical Care, Symrise, United Internet oder CTS Eventim weiter nach solidem, profitablem Wachstum aus.
Das verdeutlicht, wie wichtig aktives Fondsmanagement auf Basis tiefergehender Unternehmensanalysen ist. Wer einen ETF auf den Gesamtmarkt kauft, kann damit schon per Definition nicht die besten Ergebnisse erzielen. Über 12 Monate bis Ende September 2015 kam beispielswiese der DAX auf eine Rendite von knapp über 2 Prozent, während der Fidelity Germany Fund nach Gebühren mehr als 17 Prozent erzielte. Noch deutlicher wird der Mehrwert aktiven Managements über längere Zeiträume: Über fünf Jahre liegt der DAX bei knapp 55 Prozent Rendite, der Fidelity Germany Fund bei rund 81 Prozent.
Risiken werden überschätzt, deutsche Aktien unterschätzt
Viele der aktuell im Raum schwebenden Risiken werden von den Marktteilnehmern überschätzt: China sieht eine Verlangsamung, keine tiefe Krise, und deutsche Unternehmen werden dort und in den Schwellenländern weiter wachsen. Vielen unserer wichtigen Handelspartner geht es gut, allen voran den USA und Großbritannien. Und insgesamt wird das Weltwirtschaftswachstum bei 2,5 bis 3 Prozent auch in den kommenden 12 Monaten vielen deutschen Unternehmen helfen. Zudem wächst der deutsche Konsum so schnell wie seit vielen Jahren nicht mehr, und die Unternehmensbilanzen sind insgesamt betrachtet so stark wie selten zuvor.
Diese positive Ausgangslage spiegelt sich nicht in den niedrigen Bewertungslevels wider. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis des DAX liegt rund 20 Prozent unter dem historischen Durchschnitt, und deutsche Aktien handeln mit einem so hohen Abschlag zu europäischen Aktien wie seit 15 bis 20 Jahren nicht mehr. Bei den – auch im Vergleich zu anderen europäischen Märkten – positiven Gewinnrevisionen und der fundamentalen Stärke deutscher Unternehmen ist das eine Fehlbewertung und eine Chance für Investoren. Wie jedoch die Gewinnwarnungen einiger deutscher Unternehmen in jüngster Zeit gezeigt haben, gilt es zu differenzieren und auf ein erfolgreiches aktives Fondsmanagement zu setzen.
Christian von Engelbrechten, Fondsmanager, Fidelity Worldwide Investment