Fidelity Makroausblick: Unklare Signale für die Weltwirtschaft

"Für die Weltwirtschaft sind im vergangenen Monat von den Verbraucher- und Arbeitsmarktzahlen, den Umfragen zum Geschäftsklima sowie den Industrieaufträgen nur unklare Signale ausgegangen", erklärt Fidelity International Volkswirtin Anna Stupnytska. Fidelity International | 26.09.2016 09:39 Uhr
Anna Stupnytska, Volkswirtin, Fidelity International / ©  Fidelity International
Anna Stupnytska, Volkswirtin, Fidelity International / © Fidelity International
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"Die Einkaufsmanagerindizes (PMIs) der Industrieländer kommen nicht an den guten Stand von 2015 heran. Die für das verarbeitende Gewerbe der Schwellenländer zusammengefasste Umfrage übersteigt nur knapp wieder die Grenze zum Wachstum. Insgesamt hat das Weltwirtschaftswachstum nach seinem Tiefpunkt zu Jahresbeginn leicht Fahrt aufgenommen.

Einige Anzeichen lassen jedoch darauf schließen, dass sich die Konjunkturdynamik nicht weiter beschleunigt. Ausschlaggebend für das konsumgetriebene Wachstum bleibt die in den meisten Industrieländern solide Tendenz bei Beschäftigung und Reallöhnen. Allerdings sollten Anleger das zuletzt etwas schwächere globale Verbrauchervertrauen im Auge behalten. In nächster Zeit könnte es zudem weltweit zu einer Straffung der Kreditkonditionen kommen. Dafür spricht die wahrscheinliche Zinserhöhung der US-Notenbank im Dezember.

Eurozone: In den kommenden Monaten stetiges, aber wenig berauschendes Wachstum zu erwarten

Die für die Eurozone veröffentlichten Augustdaten waren uneinheitlich. Bei annehmbarem Wachstum präsentiert sich der zusammengefasste PMI erstaunlich stabil, während die Beschäftigung nach dem Fünfjahreshoch merklich zurückgegangen ist. Überraschend schwach waren die Zahlen für Deutschland, die so stark wie seit 2014 nicht mehr gefallen sind. Italiens PMI bleibt auf Talfahrt und entpuppt sich zunehmend als Schwachstelle. Anders die Pendants für Frankreich und Spanien, wobei Ersterer den höchsten Stand seit über einem Jahr erklommen und Letzterer seinen hohen Wert behauptet hat. Der Geschäftsklimaindex der Europäischen Kommission hat auf den tiefsten Stand seit 2013 nachgegeben, während das Verbrauchervertrauen seinen Abwärtstrend fortsetzte. Alles in allem lassen die neuesten Daten auf ein stabiles, wenngleich wenig spektakuläres Wachstum in der Eurozone schließen.

Bis auf weiteres bleibt der durch die stark gestiegenen Reallöhne angekurbelte private Konsum ein wichtiger Konjunkturmotor. Allerdings deutet sich mit dem zuletzt etwas schwächeren Verbrauchervertrauen eine gewisse Abkühlung an, da der von niedrigeren Energiepreisen ausgehende Rückenwind abflaut. Auch der vom Brexit-Votum ausgehende Dämpfer für die britische Wirtschaft wird die Stimmung und das Wachstum im Euroraum im zweiten Halbjahr vermutlich etwas beeinträchtigen, da mehr als 7 Prozent der Warenexporte des Euroraums ins Vereinigte Königreich gehen. Zum Jahresende ist daher in der Eurozone mit einer gewissen Wachstumsabkühlung zu rechnen. Weitere Maßnahmen der EZB im Dezember sind daher sehr wahrscheinlich. Denkbar wäre eine Verlängerung des quantitativen Lockerungsprogramms um sechs bis neun Monate oder eine Aufweichung der Kriterien für im Rahmen des Kaufprogramms infrage kommende Anleihen, um das Universum der zulässigen Papiere zu erweitern. Letzteres dürfte jedoch davon abhängen, wo die Anleiherenditen dann stehen.

Großbritannien: Konjunkturdaten erstaunlich robust, Schwächephase dennoch absehbar

Die Wirtschaftsdaten Großbritanniens haben sich zuletzt spürbar erholt. Aber ein Trend lässt sich daraus noch nicht ablesen. Am meisten überraschten die PMI-Umfragen: Für den zusammengefassten Index aller Sektoren wurde der bisher stärkste monatliche Anstieg gemessen, der ein positives Wachstum signalisiert. Keine guten Nachrichten kamen von dem von Lloyds erhobenen schwächer tendierenden Geschäftsklimaindex. Für die nächsten zwölf Monate wird mit der schwächsten Aktivität seit 2011 gerechnet. Insgesamt werden die Aussichten für die britische Wirtschaft auch weiter von den Folgen des Brexit-Votums überschattet. Die schwächere Investitionsneigung, der Abschwung am Immobilienmarkt, das langsamere Beschäftigungswachstum und die größere Konsumzurückhaltung werden zunehmend Spuren beim Wachstum hinterlassen. Diese dürften sich in den nächsten Monaten als Erstes bei den ohnehin bereits schleppenden Investitionen bemerkbar machen, gefolgt von Beschäftigung und Konsum. Aber das größere Problem sehen wir in einem möglichen Rückgang von Produktivität und Wachstum infolge von Engpässen am Arbeitsmarkt, wenn die Einwanderungspolitik grundlegend geändert wird. Auch der möglicherweise versperrte Zugang zum Binnenmarkt verheißt nichts Gutes.

Der Ausblick für die Geldpolitik ist nebulös, auch wenn für 2017 nach jetzigem Stand eine Zinserhöhung wohl auszuschließen ist. Neben geldpolitischen Initiativen sind haushaltspolitische Maßnahmen und Strukturreformen unausweichlich, um die britische Wirtschaft in den nächsten Monaten durch die Brexit-Turbulenzen zu manövrieren. Fiskalische Stimulusmaßnahmen wie Infrastrukturinvestitionen und Konjunkturprogramme für mehr Konsum und Unternehmensinvestitionen – gegebenenfalls auch über Steuersenkungen – könnten kurz- bis mittelfristig helfen, den Brexit-Schaden zu begrenzen.

USA: Enttäuschende Wirtschaftsdaten im August

Im August fielen die US-Wirtschaftsdaten enttäuschend aus. Vermutlich handelt es sich hierbei jedoch um einen Ausreißer und nicht um den Beginn eines neuen Trends. Zudem schwächelte der Arbeitsmarktbericht. Aus ihm geht zwar auch weiterhin ein robuster, zunehmend angespannter Arbeitsmarkt hervor, aber nach zwei sehr guten Vormonaten wurden im August weniger neue Stellen geschaffen. Zentralen Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung hat nach wie vor die Verbraucherstimmung, die ihren jüngsten Anstieg fortsetzte und sich zyklischen Hochs nähert. Das fand seinen Niederschlag in dem erneut überaus starken Konsum. Dennoch wird das Wirtschaftswachstum in den USA in diesem Jahr wohl die Marke von 1,5 Prozent nicht übersteigen, auch wenn vom beschleunigten Vorratsaufbau, der starken Dynamik am Immobilienmarkt und dem anhaltend soliden Konsum ein Rückenwind ausgeht. Vorbehaltlich erheblicher externer Schocks und/oder einer spürbaren Straffung der Kreditkonditionen ist wegen des weiteren Inflations- und Lohnanstiegs eine Zinsanhebung der Fed im Dezember sehr wahrscheinlich. Danach wird die Zentralbank die Zinsschraube aber wohl nur sehr langsam weiter anziehen. Anschließend könnte eine gelockerte Fiskalpolitik der Konjunktur auf die Sprünge helfen. Wie stark die Unterstützung ausfallen wird, lässt sich erst nach den Präsidentschaftswahlen sagen. 

Japan: Ein Land in der Schwebe

Japans Wirtschaftsdaten sind unverändert schwach, haben aber zumindest ihren Abwärtstrend beendet. Für das zweite Quartal wurde das Wirtschaftswachstum von nahe null auf 0,7 Prozent zum Vorquartal kräftig nach oben korrigiert. Besser als ursprünglich gedacht präsentierten sich die Unternehmensinvestitionen, woran die öffentlichen Investitionen einen großen Anteil hatten. Derweil liegt der PMI zum verarbeitenden Gewerbe immer noch im Abschwungbereich. Er scheint jedoch seine Talsohle erreicht zu haben, denn in den drei Monaten bis August ging es stetig bergauf. Auch das Barometer zur Dienstleistungsbranche steht auf Abschwung und ist zuletzt wieder gefallen. Die Lohnentwicklung ist nominal gesehen verglichen mit dem Vorjahr leicht ins Plus gedreht. Auch das Verbrauchervertrauen setzte seinen leichten Aufwärtstrend fort. Keine Hilfe war der internationale Handel. Aus unserer Sicht wird sich Japans Konjunktur ausgehend vom niedrigen Niveau im Vorjahr etwas beschleunigen. Das neueste Stimuluspaket dürfte das Wachstum in den kommenden Monaten leicht ankurbeln, seine Wirkung aber erst 2017 voll entfalten.

China: Stabilität zu einem hohen Preis

Aus Chinas Wirtschaftsdaten spricht unverändert eine durch politische Maßnahmen herbeigeführte, aber dennoch fragile Stabilität. Insgesamt traten die PMIs im August auf der Stelle. Aufwärts ging es bei Industrieproduktion und Einzelhandelsumsätzen, die offenbar auf soliden Niveaus verharren. Interessanterweise sind die privaten Investitionen erstmals seit Ende vergangenen Jahres gestiegen und kehrten ihren Negativtrend um. Derweil bleibt der Immobilienmarkt eine wichtige Stütze für die Wirtschaft. Die unverändert hohen Immobilienverkaufszahlen und Baubeginne haben ihren im April erreichten Zenit aber offenbar überschritten.

Stabilität bleibt das wichtigste Ziel der Führung in Peking. Massenweise Liquidität für Banken, höhere Ausgaben der Lokalregierungen und reaktivierte Förderprogramme für den Immobilienmarkt haben das Wachstum in diesem Jahr gestützt. Es mussten enorme geldpolitische Anstrengungen unternommen und die Kreditvergabe massiv erhöht werden, was wir für sehr bedenklich halten. Dem unumgänglichen Wirtschaftsumbau und den dringend benötigten Strukturreformen ist das nicht unbedingt förderlich und weckt ungute Erinnerungen an das Wachstumsmodell des „alten China“. Offenbar sind sich die politischen Entscheidungsträger uneinig, ob die Stimulusmaßnahmen zurückgefahren werden sollten. In den nächsten Monaten wird man genau beobachten müssen, ob Peking im gegenwärtig günstigen Umfeld Strukturreformen durchsetzt. Die nachlassende Kreditnachfrage und Investitionsneigung in der Privatwirtschaft sowie die Anzeichen von Übertreibungen am Immobilienmarkt könnten negative Folgen haben, wenn die Regierung nicht gegensteuert. Aus jetziger Sicht ist aber weder mit einer harten Landung noch mit finanziellem Stress oder gar einer Finanzkrise zu rechnen.

Schwellenländer: Die erheblichen Kapitalzuflüsse der vergangenen Jahre stehen auf der Kippe und machen die Länder anfällig für einen Stimmungsumschwung

Die neuesten Daten aus den Schwellenländern ohne China deuten auf eine allmähliche Erholung bei nach wie vor verhaltenem Wachstum hin. Der zusammengefasste PMI zum verarbeitenden Gewerbe ist im August gesunken, liegt aber mit 50,1 Zählern weiter knapp über der Wachstumsgrenze. Allerdings ist die positive Stimmung allein externen Faktoren geschuldet – und deren Wirkung könnte bald nachlassen –, während die internen negativen Einflüsse anhalten. Allerdings ist kein einheitlicher Trend auszumachen. Indien ist das einzige Schwellenland, dessen PMI zum verarbeitenden Gewerbe deutlich im Plus liegt. Und sein Pendant zur Dienstleistungsbranche hat den besten Wert seit fast vier Jahren erreicht. Auch Indiens Wirtschaftswachstum lässt mit 7,1 Prozent im zweiten Quartal gegenüber dem Vorjahr nichts zu wünschen übrig, während die Politik die Wirtschaft nach Kräften unterstützt. Russlands zusammengefasster Einkaufsmanagerindex gab leicht nach, signalisiert aber weiter Wachstum mit Neuaufträgen auf einem Dreijahreshoch. Am anderen Ende der Skala findet sich Brasiliens PMI wieder, der seine Dynamik vom Juli nicht ausbauen konnte und dessen Werte sowohl für den Dienstleistungssektor als auch für das verarbeitende Gewerbe noch tiefer in den Abschwungbereich gerutscht sind. Angesichts der stark geschrumpften Wirtschaft im zweiten Quartal ist das besonders bedenklich. Brasilien steckt damit nun seit sechs Quartalen in einer tiefen Rezession.

Die erheblichen Kapitalzuflüsse der letzten Jahre in die Schwellenländer stehen auf der Kippe und machen die aufstrebenden Länder anfällig für einen Stimmungsumschwung – allen voran Südafrika und die Türkei mit ihren weiter wachsenden Leistungsbilanzdefiziten von inzwischen über 5 Prozent der Wirtschaftsleistung. Indien und Brasilien hingegen ist es gelungen, das Loch in der Leistungsbilanz deutlich zu verkleinern. Auch die asiatischen Länder sind in dieser Hinsicht weniger anfällig. Korea, Taiwan und Thailand weisen sogar fast rekordhohe Leistungsbilanzüberschüsse aus." 

Anna Stupnytska, Volkswirtin, Fidelity International

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