Ausblick:
- Die politische Lage bleibt im Jahr 2020 der größte Unsicherheitsfaktor. Die Märkte schauen weltweit gespannt auf die Strategien der Staatenlenker
- Raufen sich die USA und China im Handelsstreit zusammen, ist eine Rezession unwahrscheinlich
- In Europa ist für 2020 ein leichtes Wachstum möglich. Die Zinsen verharren im Dauertief
Allerdings lässt sich eines nicht verschweigen: Es gibt Bereiche, in denen es bereits jetzt nicht rund läuft, allen voran im verarbeitenden Gewerbe und in der Industrie. Wir gehen zudem davon aus, dass die Inflation 2020 zurückkehrt: Wegen der niedrigen Arbeitslosigkeit wird der Druck auf die Löhne steigen, während Zölle die Inputkosten hochtreiben – oder, falls Zollschranken fallen sollten, das Wachstum wieder ankurbeln.
USA 2020: Politischer Druck und spätzyklische Dynamik
In den USA haben im ablaufenden Jahr die Zinssenkungen der Notenbank den Wohnungsmarkt gestützt und darüber auch die Wirtschaft stimuliert. Wir rechnen in der größten Volkswirtschaft der Welt für das Jahr 2020 mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts von 1,9 Prozent. Voraussetzung dafür: Die Präsidenten des USA und Chinas, Donald Trump und Xi Jinping, unterzeichnen ihr jüngst ausgehandeltes „Phase-1-Abkommen“ tatsächlich und verzichten damit darauf, Zölle weiter anzuheben. Vor der US-Präsidentschaftswahl wird Trump zudem die US-Notenbank Fed weiter drängen, die Zinsen noch mehr zu senken. Die Wirtschaftslage und Aktienkurse auf Rekordhoch legen dagegen eine Zinspause nahe. Derweil wird die spätzyklische Dynamik möglicherweise noch ein weiteres Jahr andauern. Möglich ist ferner ein Anstieg der Risikobereitschaft bei Anlegern in Erwartung besserer Nachrichten aus dem verarbeitenden Gewerbe und aus dem Exportsektor. Diese könnten auch die Inflation in den USA beschleunigen.
Europa 2020: Die Zinsen verharren auf der Nulllinie
Die Volkswirtschaften in Europa dürften mit einem Wirtschaftswachstum von rund 1 bis 1,5 Prozent ebenfalls um eine Rezession herumkommen. Allerdings werden uns noch eine Weile Negativrenditen erhalten bleiben. Aktuell rentieren beispielsweise deutsche Bundesanleihen in einer Bandbreite von minus 20 bis minus 60 Basispunkten. Sie könnten sich der Nullgrenze nähern, sollten die weltweiten Handelsgespräche außergewöhnlich gut verlaufen. Renditen mit positivem Vorzeichen bleiben allerdings unwahrscheinlich, solange sich die Europäische Zentralbank weiterhin im Lockerungsmodus befindet. Spitzt sich der Handelskonflikt mit den USA zu, wird in einigen Ländern der Ruf nach staatlichen Impulsen lauter werden. Ein EU-weiter Fiskalplan ist kurzfristig aber unwahrscheinlich.
Schwellenländer 2020: Das Wachstum mit Vorsicht genießen
Das Wachstum in China 2020 wird sich nach unseren Prognosen verlangsamen, allerdings kontrolliert durch gezielte staatliche Stimulus-Maßnahmen. Selbst bei einer Lösung des Handelskonflikts bleiben indes Risiken für Investoren in den Schwellenländern. So würden gerade jenen Staaten, die zuletzt besonders unter den Handelsspannungen litten, ein starker US-Dollar und eine restriktive Haltung der Fed genauso zu schaffen machen. Gegenwärtig ist die Geldpolitik in den Schwellenländern unverändert locker, und ihre Volkswirtschaften dürften unter dem Strich 2020 solide wachsen. Anleger sollten aber wählerisch bleiben und länderspezifischen Risiken aus dem Weg gehen – insbesondere dort, wo Unruhen im Jahr 2019 Staatschefs das Amt gekostet haben.
Politik bleibt 2020 der Risikofaktor Nummer Eins
Die größten Gefahren für die Wirtschaft gehen 2020 von politischen Risiken auf nationaler und internationaler Ebene aus. In den vergangenen zehn Jahren haben die Zentralbanken alles getan, um die Konjunktur anzukurbeln. Nun haben sie ihr Pulver zum größten Teil verschossen. Wie die Regierungen künftig die drängenden Probleme mit Blick auf Wachstum, soziale Ungleichheit und demografischen Wandel angehen, das wird für die Anleger nicht nur 2020, sondern in den nächsten zehn Jahren entscheidend sein.
Wachstums- und Inflationsschätzungen für 2020 von Fidelity International