Technologieaktien haben sich in diesem Jahr insgesamt gut entwickelt, sowohl auf absoluter Basis als auch relativ zum breiteren Markt. Allerdings gab es innerhalb des Sektors eine große Divergenz in der Performance. Large Caps schnitten deutlich besser ab als Small Caps, die Renditen von Halbleiterwerten waren sehr stark, Software und Internet-Aktien ebenfalls. Teilsektoren wie Hardware, Kommunikationsgeräte und IT-Dienstleistungen hatten es hingegen schwer. Selbst innerhalb der "Magnificent 7" traten die Unterschiede zutage.
Nach wie vor investieren viele Firmen in ihre KI-Infrastruktur, fast jedes Hyperscale-Unternehmen hat seine Investitionen aufgestockt. Das ist gut z.B. für die Halbleiterbranche. Von makroökonomischer Seite sehen wir aber eher Gegenwind und die damit verbundenen Unsicherheiten in Bezug auf die globale Konjunktur sind für einige Technologieunternehmen ein Problem. Hardwarekomponenten erholen sich nur langsam, Kommunikationsgeräte und Elektrofahrzeuge setzen nicht so viele Produkte ab, wie sie gerne möchten. Ihre Lagerbestände liegen weiterhin über dem Durchschnitt. In der IT investieren Unternehmen im Moment eher diskretionär, d.h. tendenziell kurzfristig und einmalig. Längerfristige Projekte werden immer wieder verschoben. Das beeinflusst wiederum IT-Dienstleister und einigen Softwareunternehmen negativ.
Die wahren Profiteure des KI-Booms
Wer sind also die langfristigen Nutznießer der KI-Ära? Sieht man von den "Magnificent 7" ab, werden IT-Beratung, Dateninfrastruktur und Cloud Computing sicherlich unterschätzt. Hinzu kommen Zahlungsdienste als wesentliche Bestandteile des Technologiebaums für E-Commerce und Omnichannel-Einzelhandel. Unternehmen mit der richtigen Größe und technologischen Vorteilen werden in der Lage sein, ihre langfristigen Wachstumschancen zu nutzen. On-Demand-Medien und Musikstreaming sind zwar noch nicht ausreichend monetarisiert, aber die Branchenführer sind gut positioniert, wenn sich der Sektor weiter konsolidiert.
Nun ist es so, dass der Markt einige der bereits genannten Sektoren als “KI-Gewinner” anzusehen scheint. Von Halbleiter- und Hardwareunternehmen war ja bereits die Rede. Sie werden derzeit mit einem entsprechenden Aufschlag bewertet, wodurch sie unter Risiko- und Ertragsgesichtspunkten für den anspruchsvollen Anleger weniger attraktiv sind. Alles beruht auf der Erwartung, dass der Ausbau der KI-Infrastruktur auf breiter Front weitergeht, und zwar extrem schnell. Ja, generative KI hat langfristig großes Potential, aber damit sich dies manifestiert, scheinen mir manche Risiken zu wenig berücksichtigt.
Es stimmt, dass generative KI in digitalen Medien oder in der Kreativbranche bereits eingesetzt wird. Bekanntlich werden in diesen Branchen neue Technologien aber auch schneller übernommen als anderswo. In vielen großen Unternehmen, insbesondere in regulierten Branchen wie bei Finanzdienstleistungen sind viele generative KI-Projekte aber noch in der Test-Phase.
Trotz deutlich niedriger Rechenkosten für KI sind die Kosten für eine Anwendung in der Breite aber immer noch zu hoch. Zum Beispiel: Umfassende Sprachmodelle mit Daten zu füttern und zu trainieren erfordert eine hochmoderne Rechenzentrumsinfrastruktur, die enorme Mengen an Strom verbraucht. Ein kritischer Aspekt für viele Firmen. Investitionen sind von Natur aus zyklisch und wenn die Nachfrage nach KI-Infrastruktur noch stärker abnimmt, wird das die Einführung generativer KI umso mehr verlangsamen.
Es gibt auf der anderen Seite viele versteckte KI-Profiteure. Dabei ist es wichtig jene Firmen in den Blick zu nehmen, die eben nicht darauf angewiesen sind, dass KI möglichst schnell auf breiter Front angewendet wird. Beispielsweise dürften Cloud-Computing-Unternehmen gut abschneiden, weil Kunden ihre IT sowieso modernisieren müssen. Die Halbleiterherstellung dürfte ebenfalls profitieren, unabhängig davon, welches KI-Silizium nun das Beste ist. Und die IT-Beratung wird gebraucht, weil Kunden bei der Einführung von KI großen Unterstützungsbedarf haben werden.
Ausblick: Selektiv vorgehen
Im weiteren Jahresverlauf werden sich die relevanten Themen - analog zur Wertschöpfungskette im Tech-Bereich - eher wieder verbreitern. Die Wiederbeschleunigung der Cloud wird Cloud-Infrastruktur und -Software Rückenwind geben. Teilsektoren wie analoge Halbleiter, IT-Dienstleistungen und Kommunikationsgeräte könnten womöglich die Talsohle durchschritten haben. Hier bleibt wie erwähnt abzuwarten, was sich makroökonomisch tut. Ihre Bewertungen zumindest sehen nicht unattraktiv aus.
Die grundsätzliche Story der Tech-Branche ist nach wie vor intakt, aber dem Mainstream zu folgen und sich vom Momentum leiten zu lassen, birgt Risiken und ist mit hohen Aufschlägen verbunden. Das Ganze könnte sich unterm Strich nicht lohnen. Selbst für erfahrene Anleger ist es schwierig vorherzusagen, wie sich Technologie entwickelt. Daher ist Risiken zu minimieren ebenso wichtig wie das Geldverdienen. Die Investition in Unternehmen mit langfristiger Ertragskraft, häufig in weniger beachteten Segmenten trägt zu so einer Risikominimierung bei. Es gibt ohne Zweifel im Technologiesektor viele Chancen. Der Schlüssel liegt darin, in Unternehmen mit soliden Wachstumsaussichten zu finden und eine rigorose Bewertungsdisziplin an den Tag zu legen.
Von Hyun Ho Sohn, Portfoliomanager bei Fidelity International