Franz Weis: "Hitzige Debatte verschleiert schwache Fundamentaldaten"

Franz Weis, Portfoliomanager des auf Qualitätswachstumswerte spezialisierten Comgest Growth Europe, hinterfragt die aktuelle Debatte um Substanz- oder Wachstumswerte und erläutert seine Einschätzung der Investment-Trends 2017. Comgest | 11.01.2017 11:30 Uhr
Franz Weis, Comgest Growth Europe / ©  Comgest
Franz Weis, Comgest Growth Europe / © Comgest
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

„Die Rally der Substanzwerte hatte die europäischen Aktienmärkte in der zweiten Jahreshälfte 2016 fest im Griff. Donald Trumps Sieg bei den Präsidentschaftswahlen kam insbesondere den Finanzwerten zugute, dem urtypischen Substanzwertsektor. Der MSCI Europe Value Index übertraf den MSCI Europe Growth Index zwischen Ende Juli und Ende Dezember um nahezu 15%. Das erwies sich als die stärkste Verlagerung zugunsten von Substanzaktien seit der globalen Finanzkrise.

Solche Verlagerungen haben starke kurzfristige Auswirkungen auf die Performance und beeinflussen die Entscheidungen der Anleger. Einer aktuellen Händlerumfrage zufolge glauben 54% der Teilnehmer, dass die Rally der Substanzwerte sich bis weit ins Jahr 2017 hinein fortsetzen wird, während lediglich 13% der Ansicht sind, dass sie bereits vorbei sei (BofA Merrill Lynch Global Fund Manager Survey, 13. Dezember 2016). Sehr wahrscheinlich wird die „Substanz- oder Wachstumswerte“- Debatte 2017 weiter andauern.

Aber wie sieht es mit den Fundamentaldaten der jüngsten Substanzwerte-Rally aus? Aufgrund des Anstiegs der Rohstoffpreise fallen die Gewinnschätzungen für Energie- und Rohstoffwerte für 2017 und 2018 unter der Voraussetzung, dass die jüngste Preiserholung des Sektors anhält, positiver aus. Seit November heizten Finanztitel die Substanzwerte-Rally weiter an, da steigende Zinssätze die Stimmung in diesem Sektor beflügeln. Allerdings gehen die Prognosen für den Gewinn je Aktie für europäische Finanztitel für 2016 bis 2018 weiter zurück. Die Strategie-Roadmap von Unicredit für 2016 bis 2019 (Mitteilungen des Unternehmens) ist das neueste Beispiel für die mangelnde Stabilität des Gewinnwachstums europäischer Banken. Die Bank konzentriert sich auf Vermögensveräußerungen, Filialschließungen, Personalabbau und eine Kapitalerhöhung bei einem organischen Umsatzwachstumsziel von bescheidenen 0,6%.

Es wird erwartet, dass sich das Gewinnwachstum europäischer Substanzwerte kräftig beschleunigt, von minus 2% im Jahr 2016 auf 18% im Jahr 2017. Substanzaktien haben von einer Neubewertung des KursGewinn-Verhältnisses (KGV) profitiert, während sich Wachstumstitel in den vergangenen Monaten erheblich verbilligt haben. Für Substanzwerte wird für den Zeitraum von 2016 bis 2018 ein jährliches Gewinnwachstum von rund 9% angenommen. Dieses Wachstum hängt von verschiedenen Faktoren ab, beispielsweise von der Erholung der Rohstoffpreise, steigender Kreditnachfrage und einem kontinuierlichen Anstieg der Zinssätze. Die entscheidende Frage ist, wie dies mit den Konjunkturprognosen zusammenpasst, die keine nennenswerte Steigerung des derzeit recht moderaten Wachstumstempos voraussagen. Anfang 2017 werden europäische Substanzwerte mit einem KGV von 13,5 gehandelt, was unserer Ansicht nach kaum ein „Schnäppchen“ ist und ihnen für 2017 wenig Spielraum für Gewinnenttäuschungen lässt.

Auf der anderen Seite glauben wir, dass sich das Risiko-Rendite-Profil von Qualitätswachstumstiteln in den vergangenen zwölf Monaten deutlich verbessert hat. Die Portfoliounternehmen unseres Flaggschiff-Fonds Comgest Growth Europe werden derzeit mit einem KGV von 20 bei einem erwarteten gleichmäßigen Anstieg des Gewinns je Aktie von 10% für 2016, 2017 und 2018 gehandelt. Damit setzt sich der kontinuierliche Gewinntrend der Vergangenheit fort, der auf Umsetzung, Innovation, regionaler Expansion und dem Wachstum von Marktnischen basiert, in denen sich die Unternehmen aus unserem Portfolio bewegen. Ihr Wachstumskurs hängt stärker von strukturellen Wachstumstrends und unternehmensspezifischen Initiativen ab als von schwer zu prognostizierenden und volatilen Konjunkturzyklen. Für uns ist es wichtig, uns von Anfang an auf die Fundamentaldaten zu konzentrieren, statt auf Makrovariablen oder Stilrotationen zu setzen.

Ist die „Substanz- oder Wachstumswerte“-Debatte unterm Strich für langfristige Anleger von Bedeutung? Unserer Ansicht nach erzeugt sie nur Störgeräusche, die von wichtigen Fundamentaldaten wie einem nachhaltigen Gewinnzuwachs und der Generierung von freiem Cashflows ablenken. Im schlimmsten Fall geht es dabei nur darum, einem Trend hinterherzulaufen. Wir werden unsere Aufmerksamkeit 2017 weiterhin fest auf die Bottom-up-Fundamentaldaten richten. In den ersten Monaten des neuen Jahres werden Unternehmen weltweit ihre Wachstumsprognosen für 2017 vorlegen. Das wird die Anleger auf den Boden der Tatsachen zurückholen und darüber entscheiden, ob sie sich wieder stärker auf die Fundamentaldaten konzentrieren, statt sich weiter der „Substanz- oder Wachstumswerte“-Debatte zu widmen.“

Franz Weis, Comgest

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