In unterschiedlichen Phasen des Konjunkturzyklus oder in einem spezifischen Marktumfeld zeigen verschiedene Investmentstile wie Value, Growth oder Momentum ihre besonderen Stärken. Entsprechend wechseln die jeweils favorisierten Stile mit den dazu passenden Einzeltiteln regelmäßig. Die meisten Strategien haben die Orientierung an günstigen Bewertungen sowie eine breite Diversifizierung im Portfolio gemeinsam, mit dem Ziel, Risiken zu begrenzen. Anleger gehen mit solchen Favoritenwechseln unterschiedlich um. Manche versuchen, zum richtigen Zeitpunkt in den aussichtsreichsten Stil zu wechseln - mit der entsprechenden Herausforderung des Timings. Andere behelfen sich mit einer Stil-Diversifikation - und stehen vor der Frage der optimalen Gewichtung. Und wieder andere halten ihrem favorisierten Stil über den Zyklus hinweg die Treue - und brauchen starke Nerven, wenn sie eine längere Durststrecke überstehen müssen. Für Anleger, die nach wahrer Qualität in den investierten Unternehmen suchen, sind solche Überlegungen dagegen nicht von Belang.
Das konzentrierte Investment in Qualitätswachstumsaktien, wie es Comgest betreibt, ist ein Anlagestil, der seine Überlegenheit über die vergangenen 30 Jahre langfristig und bei kontrollierter Volatilität über alle Markt- und Konjunkturphasen hinweg sowie in unterschiedlichen regionalen Märkten unter Beweis gestellt hat. Der wichtigste Kurstreiber einer Aktie ist nach diesem Ansatz das langfristige Gewinnwachstum. Der Anlagestil konzentriert sich auf Wachstumstrends, die auf unternehmensspezifischen Stärken und Fähigkeiten beruhen. Zyklische und konjunkturelle Faktoren, wie etwa die Prognosen des weltweiten Wirtschaftswachstums, spielen hierbei keine Rolle. Dagegen zählen Innovationskraft oder geografische Expansion eines Unternehmens, denn solche Faktoren sind bei genauer Kenntnis der Unternehmen gut vorhersehbar und damit einschätzbar.
Wichtigstes äußeres Merkmal solcher Qualitätsunternehmen ist, dass sie ihre Gewinnprognosen konsequent realisieren. Ein entscheidender Unterschied zu anderen Investmentstilen liegt dabei im betrachteten Zeithorizont. Denn während der Kapitalmarkt häufig nur kurze Perioden von zwei bis drei Jahren berücksichtigt, besteht bei Unternehmen, die über längere Zeiträume ein hohes Gewinnwachstum aufweisen, langfristiges Wertsteigerungspotenzial. Um dieses zu heben, ist als Investor ein entsprechend langfristiges Engagement von fünf bis zehn Jahren notwendig. In der Praxis funktioniert dieser Ansatz vor allem dann, wenn die Langfristigkeit integraler Teil der Firmenphilosophie des Investors ist und Portfoliomanager und Analysten entsprechend incentiviert werden. Bei Comgest besteht dieser langfristige Anreiz in der Kapitalbeteiligung. Langfristiges Handeln wie ein vorsichtiger Kaufmann steht im Vordergrund. Das Eingehen kurzfristiger riskanter Wetten, um einen persönlichen Vorteil zu erlangen, gibt es nicht, denn der Großteil der mehr als 150 Mitarbeiter ist am Kapital beteiligt.
Aber was macht Unternehmen mit einem langfristigen und vorhersehbaren Gewinnwachstum aus? Zunächst zeichnen sie sich durch robuste Geschäftsmodelle aus. Sie sind durch hohe Markteintrittsbarrieren geschützt, profitieren von einer starken Preissetzungsmacht und gewinnen Marktanteile. Das macht sie stabiler und berechenbarer. Auch Umwelt-, Sozial- und Corporate-Governance-Aspekte haben maßgeblichen Einfluss auf den langfristigen Erfolg eines Unternehmens. Ein Unternehmen, das fair mit Umwelt, Mitarbeitern und Zulieferern umgeht und von einem kompetenten, unabhängigen und kritischen Aufsichtsrat kontrolliert wird, reduziert Risiken. Geschäftsmodelle werden stärker auf die Kundenanforderungen ausgerichtet und die Wahrnehmung des Unternehmens wird positiv beeinflusst. Ein fokussierter Investmentprozess, der Nachhaltigkeitskriterien von vornherein integriert, profitiert von diesem Faktor. Wir bei Comgest bezeichnen uns deshalb als "ESG-Native", da Nachhaltigkeit immer Bestandteil der Franchise unserer Portfoliounternehmen war. Durch die detaillierte Analyse lassen sich negative Überraschungen, wie zum Beispiel Gewinnwarnungen, besser vorhersehen. Umfassendes Wissen über ein Unternehmen und sein Wettbewerbsumfeld zu erlangen, dauert einige Zeit, aber es lohnt sich: Die Renditen von Qualitätswachstumsaktien sind unserer Erfahrung nach weniger volatil. Das schützt das Portfolio insbesondere in Baissemärkten. Ob diese Unternehmen Bestandteil eines Index sind, ist für uns hingegen unerheblich, denn Indexzugehörigkeit ist kein Qualitätsmerkmal.
Da wir die Unternehmen, in die wir investieren, sehr genau kennen, können wir sehr konzentrierte Portfolios aufbauen, ohne die Risiken zu erhöhen. Breiter angelegte und stärker diversifizierte Portfolios liegen tendenziell näher an ihren Benchmarks. Die von uns verwalteten Portfolios hingegen umfassen je nach Region zwischen 25 und 45 Aktien und unterscheiden sich aufgrund dieser hohen Konzentration typischerweise um rund 90 % von ihren Vergleichsindizes. Dieser sogenannte "Active Share" ist die Folge eines konzentrierten Portfolios. Verschiedene Studien zeigen, dass Portfoliomanager mit hohem Active Share eine bessere Chance haben, ihre Benchmark zu übertreffen. So haben die Autoren und Finanzprofessoren Martijn Cremers und Antti Petajisto von der Universität Chicago die Performance von 2650 offenen Fonds zwischen den Jahren 1980 und 2003 analysiert und festgestellt, dass Fonds mit einem aktiven Anteil von mehr als 80 % ihre Benchmark um 2 bis 2,7 % vor Gebühren und 1,5 bis 1,6 % nach Gebühren schlagen. Aber zum Preis welchen Risikos? Studien zeigen, dass konzentrierte Portfolios aus 15 Aktien eine ausreichende Risikostreuung und optimale Risiko-Rendite-Profile bieten. Im Vergleich dazu neigen größere Portfolios dazu, starke Ideen zur Aktienauswahl zu verwässern, ohne das Risikoprofil des Portfolios zu verbessern.
Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass eine starke Bottom-up-Überzeugung gute Voraussetzungen bietet, Investitionsrisiken zu vermeiden. Entscheidend ist dabei, was man unter Risiken versteht. Für viele Investoren besteht das Risiko in der Abweichung der Wertentwicklung gegenüber einer Benchmark, dem sogenannten Tracking Error. Diese Sichtweise ist gängig und nachvollziehbar. Aber es wäre zu kurzsichtig, einen hohen Tracking Error automatisch mit einem erhöhten Risiko gleichzusetzen. Deshalb betrachten wir Risiko vielmehr als eine absolute Größe bezogen auf das jeweilige Unternehmen. Risiken sind demnach solche Faktoren, die das Wachstum des Gewinns pro Aktie oder die Bewertung eines Unternehmens langfristig beeinflussen können. Dies kann unter anderem durch die Abschwächung des Wachstumspotenzials, die Verwässerung der Kapitalrendite, falsche Investitionsentscheidungen oder einen verschärften Wettbewerb verursacht werden. Risiken können auch im Geschäftsmodell per se liegen. So bieten Geschäftsmodelle, die eine hohe Zyklizität mit einem erhöhten operativen Hebel kombinieren, in der Regel eine schlechtere Prognostizierbarkeit des Ertragswachstums. Auch in Sektoren wie Banken, Rohstoffe, Energie und Telekommunikation ist es schwieriger, die erforderlichen Wachstumskriterien zu finden. Das Ertragswachstum in diesen Sektoren ist oft von exogenen Faktoren wie makroökonomischen Variablen oder einem starken Regulierer abhängig. Solche Risiken zu vermeiden, kann mit konzentrierten Portfolios eine einfachere Aufgabe sein, da sich Fondsmanager auf wenige Unternehmen konzentrieren, die sie gut kennen.
Die Bewertung bei der Aktienauswahl spielt noch immer eine wichtige Rolle. Jedes Unternehmen zeichnet sich durch eine einmalige Kombination der Variablen Wachstum, Risiko und Bewertung aus. Bei Entscheidungen zum Portfolioaufbau sucht der Portfoliomanager den optimalen Mix dieser Variablen. Es darf jedoch nicht dazu kommen, dass die Bewertungsdisziplin Portfolioentscheidungen eindimensional diktiert. Nur unter Berücksichtigung der Qualität eines Unternehmens und seines langfristigen Wachstumspfads sind Bewertungen wirklich aussagekräftig.
Wolfgang Fickus, Mitglied des Investmentkomitees, Comgest