Viele Jahre erlebte China eine wirtschaftliche Blüte. Doch immer lauter fordern seine Handelspartner fairere Wettbewerbsbedingungen sowie einen besseren Schutz ihres geistigen Eigentums. Durch den Erfolg der Volksrepublik sehen die USA ihre mehr als 100-jährige Hegemonie herausgefordert und zettelten einen Handelskrieg noch unbekannten Ausmaßes an.
Während der Blick auf China skeptischer und der Umgang härter wird, reformiert die kommunistische Partei Chinas das Land weiter. Darunter fallen weitreichende Maßnahmen zum Schuldenabbau und zur Kontrolle sowie Eindämmung des Schattenbanksektors. Diese schwächen das Wirtschaftswachstum zwar ab, sind aber aus Gründen der Nachhaltigkeit zu begrüßen. Gleichzeitig öffnet sich der Kapitalmarkt weiter, sodass sich im Jahr des Erd-Schweins das Gewicht von A-Aktien in den MSCI Indizes vervierfachen wird. Wir sind bereits seit 2012 im chinesischen Aktienmarkt unterwegs und befürworten die seit 2014 durch das Stock Connect Programm erreichten, deutlich verbesserten Rahmenbedingungen zum Handel von Aktien.
Im Zuge des fortschreitenden Wandels vom kredit- und infrastrukturgetriebenen hin zum innovations- und konsumorientierten Wachstum werden Forschung und Entwicklung (F&E) sowie der Dienstleistungssektor ausgeweitet, gleichzeitig steigen die Realeinkommen stetig und eine immer stärkere Mittelklasse bildet sich heraus. Durch den Dämpfer am Aktienmarkt im vergangenen Jahr sind auch die Kurse wieder attraktiver. Wir sehen in vielen Bereichen wie zum Beispiel Gesundheit, Versicherungen, Software und Internet Unternehmen, in die sich ein langfristiges Investment lohnt.
Comgest reflektiert diese Veränderungen in seiner Anlageallokation. Konsum, Informationstechnologie, Lebensversicherung und Gesundheit dominieren unser Portfolio. Wir suchen Unternehmen, die mit hoher Vorhersehbarkeit langfristig ein dynamisches Gewinnwachstum von mindestens zehn Prozent im Jahr über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren liefern. Die Unternehmen, in die wir investieren, zeichnen sich durch starke Innenfinanzierungskraft aus, sie verfügen über hohe Markteintrittsbarrieren und Preissetzungsmacht. Aus diesen Gründen fehlen in unserem konzentrierten Portfolio Energie-, Rohstoff-, Immobilienunternehmen sowie Banken.
Mehr noch als durch den Handelskonflikt mit den USA war Chinas Technologiesektor im vergangenen Jahr durch regulatorische Eingriffe belastet. Dämpfend auf das Wachstum wirkten sich vor allem ein neues E-Commerce-Gesetz, eine verstärkte Überwachung digitaler Medieninhalte und schleppende Zulassungen im Gaming-Bereich aus. Zum Ende des Jahres haben wir durch Aufnahme von Tencent, Alibaba und 58.com in das Portfolio den Anteil an digitalen Serviceanbietern erhöht. Nach der Euphorie der Vorjahre spiegeln die reduzierten Bewertungen nun die Herausforderungen dieser Wachstumsunternehmen besser wider.
Zunehmender Wohlstand und eine alternde Bevölkerung lassen auch in China die Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen und -produkten ansteigen. Wuchs der chinesische Pharmasektor in der Vergangenheit vor allem durch starke Vertriebskanäle, wurden die F&E-Kapazitäten eher für Generika, also das Kopieren ausgelaufener Patente aus Europa oder den USA, eingesetzt. Gleichzeitig gehört ein bezahlbares Gesundheitssystem zu den politischen Zielen der chinesischen Führung. Die damit einhergehenden politisch motivierten Interventionen führten zu einer entsprechend hohen Volatilität des Sektors. In den Segmenten Pharma und Medizintechnik fanden wir mit Waigao oder 3SBio Qualitätswachstumsunternehmen, die hohe Markteintrittsbarrieren und Profitabilität mit erkennbarem Wachstum verbinden. Zudem gibt es Krankenversicherer wie Ping An, die von der steigenden Nachfrage nach Versicherungsdienstleistungen profitieren, weil die Chinesen noch für einen erheblichen Anteil ihrer Gesundheitsausgaben aus der eigenen Tasche bezahlen müssen.
Mit der erklärten Förderung des Binnenkonsums und der Innovationsfähigkeit seiner Wirtschaft besinnt sich China im Jahr 2019 weiter auf seine eigenen Stärken. Die chinesische Mittelschicht vergrößert sich dynamisch und hat stetig wachsende Bedürfnisse. Der Handelskonflikt mit den USA ist auch Folge der enormen wirtschaftlichen Fortschritte Chinas in den vergangenen Jahrzehnten. Der Sozialismus mit chinesischem Antlitz ist also kein Auslaufmodel. Die Baisse des Jahres 2018 hat aber wieder den Sinn für Risiken geschärft. Trotz der abflauenden Konjunktur und der im Handelskonflikt lauernden Gefahren bieten die attraktiven Bewertungen Stock-Picking-Potenziale. Im Jahr des Erd-Schweins kann China feiern, was in 40 Jahren seit den großen Reformen Deng Xiaopings gewachsen ist.
Wolfgang Fickus , Mitglied des Investmentkomitees, Comgest