Comgest-Fondsmanager Wolter: "China bleibt Wachstumsmotor der Schwellenländer"

Die Weltwirtschaft steckt in einer Rezession, von der auch die Schwellenländer nicht verschont bleiben. Allerdings gibt es bei all dem Schatten, der sich derzeit breit macht, auch Licht: Aus Sicht der unabhängigen internationalen Fondsgesellschaft Comgest haben Schwellenlandaktien nach einem Jahrzehnt der schwachen Performance nun starkes Aufholpotential. Der Wachstumstreiber dieser Renaissance ist und bleibt vorerst China. Das Land hat sich nicht nur während der Covid-19-Krise, trotz Handelskrieg, Virus-Eindämmung und Dollar-Stärke, für viele als unerwarteter sicherer Hafen bewährt. Vielmehr wächst seine Bedeutung für die Weltwirtschaft sowie an den Börsen zunehmend, während sich das Reich der Mitte allmählich zum Zentrum wichtiger Zukunftstrends entwickelt. Comgest | 22.07.2020 09:33 Uhr
Emil Wolter, Portfoliomanager des Comgest Growth Emerging Markets / ©  Comgest
Emil Wolter, Portfoliomanager des Comgest Growth Emerging Markets / © Comgest
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Aktuell erholen sich die einzelnen Länder unterschiedlich schnell von der Pandemie. Auch unter den Schwellenländern lassen sich Unterschiede beobachten: „China und Nordasien bewältigen die Krise rasch und das Konsum- und Wirtschaftsleben ist wieder im Aufschwung. Beispielsweise hat das Disney Resort in Shanghai seine Pforten bereits seit Ende Mai wieder geöffnet und profitiert von Nachholeffekten. Insgesamt handelt es sich um eine kurze, aber harte Angebotskrise“, so Emil Wolter, Portfoliomanager des Comgest Growth Emerging Markets (ISIN: IE00B240WN62). Doch für Länder mit schwachen Gesundheits- und Verwaltungssystemen, wie in Brasilien oder Südafrika, wird die Lage durch Covid-19 verschärft.

Börsen von Shenzhen und Shanghai auf der Überholspur 

Der Comgest-Manager sieht bei Schwellenländern sowohl Risiken als auch Chancen: „Die Inflation könnte sich beschleunigen. Allerdings ist die Teuerung in den Schwellenländern 2019 so niedrig ausgefallen, wie seit 30 Jahren nicht mehr, was Spielraum für Stimulus bietet. Im Risiko der Dollar-Stärke sehe ich die starke Unterbewertung der Währungen als Chance. Eine durchgreifende Bewertungskorrektur ist möglich. Die Blase ist nicht in den Schwellenländern, denn die KGVs sind relativ und absolut niedrig.“ Insbesondere China sieht Comgest als Wachstumsmotor unter den Entwicklungsländern. Die Bedeutung des Landes für die Weltwirtschaft wächst nicht nur seit Jahren kontinuierlich, was auch am Anteil Chinas am globalen, kaufkraftbereinigten BIP sichtbar wird – 6 Prozent in 2000 gegenüber 19 Prozent in 2019 –, sondern auch an den Aktienmärkten. „Der Geldzufluss an den Börsen von Shenzhen und Shanghai steigt. Seit sich der Markt in den Jahren 2014/2015 geöffnet hat, ist die Nachfrage stark gestiegen“, meint der Experte.

Günstiges Innovationsumfeld, Gegenwind im Währungsbereich

Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für diese Entwicklung sind Zukunftstrends, die Fahrt aufnehmen und ihren Ursprung in China haben. Wolter sieht in der Innovation einen zentralen Wettbewerbsvorteil: „Patentanmeldungen schießen in die Höhe. China meldet neben den USA die meisten Patente an und investiert immer mehr in Innovation. So sind im „Made in China 2025“-Plan 180 Milliarden US-Dollar als jährliche Investition in Zukunftsindustrien wie künstliche Intelligenz, 5G, Internet of Things, Augmented Reality und Elektromobilität vorgesehen. China strebt 70 Prozent Selbstversorgung mit High-Tech-Produkten auf lange Sicht an. Hier entwickelt sich ein starkes Exportmodell.“ Neben dem Technologiesektor ist Comgest überzeugt, dass der Gesundheitsmarkt im Reich der Mitte fruchtbaren Boden für Investoren bietet. Denn die privaten und öffentlichen Gesundheitsausgaben steigen schnell, angefacht von einer immer größer werdenden Mittelschicht. Darauf baut beispielsweise der Versicherungsdienstleister Ping An Insurance, der eine Position im Comgest Growth Emerging Markets bildet. Weitere spannende Titel sind der Gaming-Anbieter NetEase, der durch die Coronakrise einen deutlichen Aufschwung erfuhr, und der Internet-Gigant Tencent, zu dessen Schwerpunkt soziale Netzwerke, Gaming- und FinTech-Dienste zählen. Auch in anderen Schwellenländern, wie Südafrika oder Brasilien, wären Wolter zufolge starke Unternehmen zu finden. „Allerdings sind in diesen Ländern die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen deutlich schwieriger, was die Performance in den vergangenen Jahren erheblich belastet hat“, sagt er.

Nur aktive Shareholder sind gute Shareholder

Zu den neuesten Zugängen im Comgest Growth Emerging Markets zählt HDFC, eine der größten indischen Privatbanken. Vor dem Hintergrund eines vergleichsweise schwachen öffentlichen Bankensektors, einer recht jungen Bevölkerung und fortschreitender Urbanisierung gilt HDFC als stark etablierter Player im Bereich der Immobilienfinanzierung. Das Unternehmen weist geringe Kreditrisiken, ein starkes Filialnetz, wachsende Kundeneinlagen, starke Bilanzen sowie eine hohe Eigenkapitalrendite auf – und das seit 20 Jahren. Eine Position, die kürzlich verkauft wurde, ist Hikvision, der weltweit führende Anbieter von Produkten und Lösungen für die Videoüberwachung und Sicherheitstechnik. Das Unternehmen hat sich trotz Engagement nicht von seiner Beteiligung an einem Erziehungscamp für die muslimische Minderheit in der Xinjiang-Region getrennt. „Das ist aus ESG-Gründen für uns nicht tragbar. Sehen wir kritische Bereiche, sprechen wir sie proaktiv an und versuchen im Austausch mit dem jeweiligen Unternehmen, Veränderungen herbeizuführen“, sagt Wolter. So unterzeichnete Comgest erst kürzlich zusammen mit anderen Investmentgesellschaften einen offenen Brief an Brasiliens Staatspräsidenten Jair Bolsonaro. In diesem wurde er aufgefordert, die Rodung des Amazonas-Regenwalds zu stoppen, die Kohlendioxidemissionen und den Verlust der biologischen Vielfalt zur Folge hat.

Emil Wolter, Portfoliomanager des Comgest Growth Emerging Markets

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