Bis zur Einführung des Euro im Jahr 1999 gab es eine eigene Zinsstrukturkurve für die Staatsanleihen jedes künftigen Mitgliedstaates der Eurozone. Mit nahender Einführung des Euro näherten sich diese Kurven einander an.
Anleger schlussfolgerten daraus, dass Investitionen in die ertragreichsten Staatsanleihenmärkte der Eurozone so gut wie risikofrei seien. Denn schließlich war das Ausfallrisiko bei Staatsanleihen damals sehr gering und außerdem würde das Risiko von Währungsverlusten innerhalb der Eurozone demnächst ausgeschaltet.
Es wurde seinerzeit viel darüber geredet, wie lächerlich die Vorstellung sei, dass die Zinsen inflationsanfälliger Volkswirtschaften wie Spanien jemals an diejenigen Deutschlands angeglichen werden könnten. Aber die Angleichung fand statt und Anleger konzentrierten sich weniger auf die Länderrisiken. Stattdessen begannen sie die Eurozone als Ganzes zu betrachten, um ein angemessenes Renditeniveau für Staatsanleihen zu ermitteln.
Diese Homogenität wurde durch die Europäische Zentralbank (EZB) unterstützt. Sie erkannte die Staatsanleihen aller Länder der Eurozone als gleichwertige Sicherheit für Kredite an ohne Abschläge für Staatsanleihen aus Ländern mit geringerer Bonität. Diese Illusion der Konvergenz hielt sich in den ersten Jahren nach Einführung des Euro, als Geld in die Staatsanleihenmärkte der europäischen Peripherie floss. Die Party endete natürlich mit Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2007, die eine Bankenkrise nach sich zog, die wiederum sich für einige Länder zu einer Schuldenkrise auswuchs. Plötzlich erschien das Undenkbare möglich – Staatsanleihen der Euro-Mitgliedsstaaten waren schlagartig nicht mehr risikofrei.
Als Griechenland in Schwierigkeiten geriet, wurde dieses Risiko in Form der Privatsektorbeteiligung Realität. Sie umfasste die Beteiligung der privaten Gläubiger an der »freiwilligen« Umschuldung griechischer Staatsanleihen – und glich praktisch einem Zahlungsausfall.
Daraufhin zogen Anleger Gelder aus allen Anleihenmärkten ab, denen in den Augen der Anleger mit hoher Wahrscheinlichkeit ein ähnliches Szenario widerfahren könnte. Dazu zählten neben den zwei anderen Krisenstaaten Irland und Portugal, die unter den Rettungsschirm von EU und IWF geschlüpft waren, kurz danach auch Italien und Spanien. Frankreichs und Belgiens Märkte waren etwas weniger davon betroffen. Die abgezogenen Mittel flossen sowohl in die sicheren Häfen innerhalb der Eurozone, sprich Deutschland, die Niederlande und Finnland, als auch außerhalb der Eurozone, also in CHF, GBP, USD und sonstige »safe havens« mit AAA-Rating.
In dem Bemühen der Staaten, das Vertrauen in ihre Refinanzierungsfähigkeit wiederherzustellen, wurden die Staatsausgaben gekürzt, verschärfte sich die Rezession, stieg die Arbeitslosigkeit und ging die Inflation zurück. Im August 2012 verkündete die EZB dann, dass sie den Staatsanleihenmärkten in der Peripherie Europas unbegrenzt, jedoch nur unter Einhaltung bestimmter Auflagen, unter die Arme greifen werde. Mit dieser Zusicherung konnten zumindest weitere Geldabflüsse gestoppt werden. Diese verbale Ankündigung musste bisher noch nicht in die Praxis umgesetzt werden, daher lässt sich nicht ermessen, wie weit ihre Wirkung tatsächlich reichen würde. Aber allein ihre Existenz und die Zuversicht, die der EZB-Präsident damit zum Ausdruck brachte, reichten für einen Sinneswandel unter Anlegern aus.
Mit der Zeit und der einsetzenden leichten Erholung der globalen Märkte verzeichneten die Bailout-Länder und die Peripheriestaaten, die unter schweren Rezessionen litten, leichte Exportzuwächse. Mittlerweile weisen sämtliche dieser Staaten entweder einen Leistungsbilanzüberschuss auf oder befinden sich auf dem Weg dahin.
2007 verzeichnete Spaniens Leistungsbilanz ein Defizit von über 9% des BIP. Für 2013 wird ein Überschuss von ungefähr 2% des BIP erwartet. Im Vergleich zu 2006 präsentiert sich das heutige Spanien ganz anders; in einigen Aspekten kommt das Land näher an Deutschland heran als je zuvor. Eine geringe Inflation und eine exportgetragene Erholung ziehen wieder Anleger an. Hinzu kommen sinkende Schulden gegenüber dem Eurosystem, zunehmendes Wirtschaftswachstum und keine weitere Verschlechterung des Bonitätsausblicks. Alle drei Ratingagenturen hoben ihren negativen Ausblick für Spanien im 4. Quartal 2013 auf.
Die EZB hat sich zu einer »Normalisierung« ihrer Geldpolitik in der ganzen Eurozone bekannt. Sie will also die Zinsdifferenz verringern, die beispielsweise ein spanisches Unternehmen im Vergleich zu einem deutschen Unternehmen an Kapitalgeber zahlen muss. Um das zu erreichen, müssen auch die Zinsen für Staatsanleihen normalisiert werden. Das heißt, die EZB strebt eine Annäherung der europäischen Staatsanleihenmärkte an.
Wir bewegen uns scheinbar auf eine neue Ära in der Entwicklungsgeschichte des Euro zu und erwarten eine anhaltende Konvergenz der Märkte für Staatsanleihen, jedoch in geringerem Umfang als 1999. Wir überwachen unsere Investments in Staatsanleihen sorgfältig. Als Auslöser für eine Reduzierung dieser Engagements sehen wir eher eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Fundamentaldaten oder eine erneute politische Instabilität als eine Verschiebung der Spreadniveaus.
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Kommentar von Sandra Holdsworth, Investmentmanagerin, Fixed Income, Kames Capital