Ein Kommentar von Sandra Holdsworth, Kames Capital:
Anfang 2014 stuften viele Anleger die Aussichten für Anlagemärkte "vorsichtig optimistisch" ein. "Optimistisch", weil die Prognosen für die Weltwirtschaft endlich wieder positiv und verhältnismäßig vorhersagbar erschienen. "Vorsichtig", da die meisten Investoren über den wirtschaftlichen und sozialen Schaden informiert sind, den die Finanzkrise und ihre Folgen verursacht haben, und ein derartig freundliches Umfeld daher verständlicherweise achtsam beobachten.
Als Sorgenkind erwiesen sich für Anleger die Schwellenländer, die im sich Jahr 2013 schlechter entwickelten als die Aktien- und Anleihenmärkte der Industrienationen. Hauptverantwortlich für deren mässige Performance war die US-Notenbank mit ihrer Ankündigung, das Anleihekaufprogramm schrittweise zu drosseln. Aber dieser Faktor war lediglich einer von mehreren, die sich weniger positiv auf die Schwellenländer auswirkten, als da wären:
- Europas Erholung – Viele Schwellenmärkte hatten vom Kapitalabfluss aus der Eurozone im Verlauf der Schuldenkrise profitiert. Im vergangenen Jahr begannen die Gelder jedoch zurückzufließen. Das spiegelten neben einem stärkeren Euro auch die Mittelzuflüsse in die Anleihen- und Aktienmärkte der Peripheriestaaten Italien und Spanien wider, die immer noch mit einer großen Risikoprämie gehandelt wurden.
- China – Das Reich der Mitte war zwar während der letzten zehn Jahre der Wachstumsmotor der aufstrebenden Märkte, sein Nachfragewachstum hat sich jedoch verlangsamt. Dies hat zu massiven Rückgängen der Rohstoffpreise geführt, was die entsprechenden Exporteure zu spüren bekamen. Verbunden mit der starken Inlandsnachfrage zog dies für eine Reihe aufstrebender Volkswirtschaften eine Ausweitung ihrer Leistungsbilanzdefizite nach sich. Für einige dieser Länder erwies sich die Finanzierung dieser Defizite als schwierig, woraufhin deren Währungen abwerteten. Wegen dieser Währungsschwäche haben die Türkei, Südafrika, Indien und Brasilien ihre geldpolitischen Zügel angezogen. Anlagen in diesen Ländern entwickelten sich schwach, da Investoren schwächeres Wachstum und höhere Inflationsniveaus einpreisten.
- Zunehmende Instabilität – Eine bedauerliche Konsequenz von Wachstumsverlangsamung, höherer Inflation und schwachen Währungen sind die steigenden Stabilitätsrisiken in einigen Schwellenländern. Als wahrscheinlichste Kandidaten gelten diesbezüglich Länder mit hohem Einkommensgefälle, schlecht ausgebautem Sozialversicherungsnetz, eingeschränktem Bildungssystem und schwachen oder korrupten Institutionen und Regierungen. Die Folgen für diese Länder können von politischen Fehlentscheidungen (die Anordnung von Währungskontrollen) bis hin zu einem Regimewechsel reichen, wie wir ihn gegenwärtig tragischerweise in der Ukraine erleben. Keines dieser beiden Ergebnisse wirkt sich positiv auf die Anlagemärkte aus und hat selbstverständlich fatale Folgen für die betroffenen Länder.
Inwiefern beeinträchtigen die Probleme in den Schwellenländern die entwickelten Märkte? Auf Makroebene erscheint das Risiko einer Ansteckung bisher sehr gering, da der positive Nachrichtenfluss der Industrienationen die negativen Meldungen der Schwellenländer überwiegt. Die Kapitalflüsse sollten daher weiterhin die Anlagemärkte der entwickelten Länder begünstigen. Volatilitätsschocks an den Schwellenmärkten werden vermutlich Bestandteil des laufenden Jahres sein und regelmäßige Schwankungen an den übrigen Märkten verursachen. Damit verbundene Schäden dürften sich jedoch auf einzelne Märkte beschränken und kein systemisches Ausmaß annehmen.
Die Globalisierung von Banken und Großunternehmen hat während der letzten zehn Jahre rapide zugenommen. Nach der Finanzkrise beschleunigten viele Unternehmen ihre Expansion in die Schwellenländer, die mit Blick auf die Probleme der Industrieländer als scheinbar relativ sicherer Hafen galten. Es verwundert daher nicht, dass einzelne Unternehmen und Banken sich nun mit den Schwierigkeiten ihrer Auslandsaktivitäten auseinandersetzen müssen.
Es scheint so, als würden anstelle der großen systemischen Themen, welche die Märkte in den letzten Jahren bestimmt haben (Banken- und Eurokrise sowie die US-Geld- und Finanzpolitik), nun spezifischere Aspekte in den Vordergrund rücken. Dazu zählen auf Unternehmensebene Risiken, die z.B. folgende Fragen aufwerfen: In welchen Märkten sind Unternehmen tätig? Wie hoch ist die Vorhersagbarkeit ihrer Einnahmen und in welchem Umfang sind sie anfällig gegenüber volatilen und unvorhersehbaren Faktoren? Im derzeitigen Umfeld gewinnen fundamentale Bottom-up-Analysen und Risikokontrolle immer mehr an Bedeutung. Das dürfte uns entgegenkommen, denn die Erkennung, Analyse und Verwaltung von Risiken ist zentraler Bestandteil unserer Strategie, Mehrwert für unsere Kunden zu schaffen.
Zusammenfassend fällt unser Ausblick für 2014 optimistisch aus. Das passable Wirtschaftswachstum, die niedrige Inflation und die expansive Geldpolitik der Zentralbanken bieten ein günstiges Umfeld für Unternehmensanleihen. Aber in Anbetracht der Mikrorisiken gehen wir vorsichtig bei der Umsetzung unserer Strategie vor. Möglicherweise "optimistisch vorsichtig"?