Vor der Finanzkrise 2007/08 konnten Investmentbanken Anleihenfondsmanagern mehr oder weniger beliebig viel Liquidität einräumen. Die Banken schenkten dem Downside-Risiko, das mit dem Mehrbesitz von Wertschriften und einer größeren Bilanz einherging, wenig Bedeutung, solange sich das Geschäft für sie als lukrativ erwies. Dies hat sich seit 2008 grundlegend geändert.
Erstens wurden Banken praktisch gezwungen, ihren Bestand an Wertpapieren zu verringern, da deren Finanzierung so gut wie unmöglich wurde. Zweitens, und von wesentlicherer Bedeutung, haben die Maßnahmen der Regulierungsbehörden weltweit das Halten von Wertpapieren für Handelszwecke während der letzten sechs Jahre für Banken immer unattraktiver gemacht. Der Besitz von Anleihen ist für Banken mittlerweile viel kapitalintensiver und daher weniger rentabel geworden.
Deshalb haben die bankinternen Wertpapierhändler ihre Anleihebestände deutlich verringert, was Anlegern den Handel größerer Positionen erschwert. Die Reduktion fiel zusammen mit der Suche nach Rendite, die immer mehr Anleger in den Bondssektor zog, wobei diese häufig in ETFs investierten, die besonders anfällig für Stressphasen an den Märkten sind.
Im März 2015 kündigten die Bank of England und die britische Finanzaufsicht (FCA) ihre Absicht an, die Liquidität von Anleihemärkten einer ausführlichen Untersuchung zu unterziehen. Die beiden Behörden wandten sich in diesem Zusammenhang an große Finanzinstitute, um zu erkunden, wie Marktteilnehmer Liquidität wahrnehmen und mit ihr umgehen und welche Folgen damit für das Finanzsystem und Anleger verbunden sind.
Kames Capital zählte zu den ersten Vermögensverwaltern, die innerhalb der Branche das Bewusstsein für mögliche Probleme im Hinblick auf die Liquidität von Unternehmensanleihen schärften. Es ist unseres Erachtens wichtig, dass Anlegern die Bedeutung dieser Problematik und möglicher Folgen für ihre Portfolios bewusst ist.
Was können Anleger also in einem durch weniger liquide Anleihenmärkte geprägten Umfeld tun, um die Interessen ihrer Kunden zu sichern?
1. Das Thema Liquidität sollte zentraler Bestandteil jedes Anlageprozesses sein
Es macht wenig Sinn, Zeit und Geld in die Beurteilung der Bonität eines Schuldners oder einer Anleiheemission zu investieren, wenn entsprechende Anlageideen sich in Ermangelung ausreichender Liquidität nicht umsetzen lassen.
Bei Kames Capital berücksichtigen wir den Liquiditätsaspekt bereits während einer frühen Phase unseres Research-Prozesses und halten beim Kauf einer Anleihenposition stets eine klare Ausstiegsstrategie bereit. Was den Handel anbelangt, greifen unsere Manager und unser zentrales Handelsteam zur Überwachung der Marktliquidität auf zahlreiche Finanzportale zurück. Außerdem unterhalten wir direkte und transparente Beziehungen zu den jeweiligen Gegenparteien, um eine effektive Ausführung von Transaktionen auf den entsprechenden Plattformen zu gewährleisten. Wir haben die Liste unserer Gegenparteien während der letzten fünf Jahre angesichts der Konsolidierung und Neufokussierung im Bankensektor deutlich erweitert. Wir legen uns nicht fest, wo und mit wem wir Handelstransaktionen abschließen, sondern konzentrieren uns stattdessen darauf, bei der Orderausführung das bestmögliche Ergebnis („Best Execution“) für unsere Kunden zu erzielen.
2. Disziplin beim Kapazitätsmanagement
Es besteht das Risiko, dass Fonds mit hohen Mittelzuflüssen zwecks Liquiditätssicherung von ihren Anlagestrategien abweichen müssen.
Kames Capital führt umfassende Kapazitätsanalysen durch, um die optimale Größe jeder Anlagestrategie zu ermitteln. Sollte einer unserer Fonds wegen seiner Größe von Liquiditätssorgen betroffen sein, würden wir den Fonds für neue Anlegergelder schließen. Anfang 2015 beispielsweise begrenzten wir die Mittelzuflüsse durch neue Anleger für einen unserer Absolute Return-Anleihenfonds, um die möglichen Auswirkungen zusätzlicher Einlagen auf Liquidität und Performance des Fonds abzuschwächen und die Interessen bestehender Anleger zu schützen wahren.
3. Berücksichtigung des Marktwertes gewährleistet eine transparente Bewertungspolitik
In Phasen angespannter Märkte, wie etwa 2008 und 2009, sahen sich viele Fondsmanager wegen der Krise gezwungen, eher Anleihen abzustoßen, die sie verkaufen konnten, als diejenigen, die sie verkaufen wollten. In einigen Fällen war dies darauf zurückzuführen, dass Manager nicht darauf vorbereitet waren, Verluste zu realisieren. Hierdurch kann es dazu kommen, dass liquidere Investments von höherer Qualität verkauft werden und weniger liquide Vermögenswerte mit unrealistischen Bewertungen im Portfolio zurückbleiben.
Die Bewertungspolitik des Fondsmanagers stellt einen wichtigen Bestandteil des effektiven Liquiditätsmanagements dar. Wir halten es für unverzichtbar, die Anlagen eines Anleihenfonds zu ihrem Marktwert zu bewerten, anstatt Indexpreise zugrundezulegen. Denn nur auf diese Weise spiegelt der NAV die Börsenkurse wider, die tatsächlich realisierbar sind.
4. Unabhängige Risikokontrolle sicherstellen
Unsere Fondsmanager verwalten das Liquiditätsrisiko aktiv und auf täglicher Basis. Neben dem On-Desk-Risikomanagement kümmert sich unser unabhängiges Risikoteam auch um die Überwachung des Liquiditätsrisikos, das zu den Hauptrisiken zählt. Wir unterziehen unsere Portfolios regelmäßigen Liquiditätsanalysen und begutachten die Liquiditätsfaktoren während unserer Risiko- und Kontrollsitzungen. Darüber hinaus überwacht unser Chief Investment Officer die Liquidität unserer Kundenportfolios. Sollten Liquiditätsprobleme auftreten, werden sie von ihm an die Vorstandsebene eskaliert.
Die derzeitige Liquiditätssituation ist auf das Bestreben der Regulierungsbehörden zurückzuführen, das Finanzsystem zu „entgiften“ und dessen Risikoniveau zu verringern. Im Rahmen dieser Bemühungen haben die Regulierer die Banken zur Reduzierung ihrer Engagements in Handelsbeständen gedrängt. Gleichzeitig haben die quantitativen Lockerungsprogramme der Notenbanken zu überzogenen Bewertungen vieler Anleihen beigetragen, derweil die Märkte für Staatsanleihen sich außergewöhnlich volatil präsentierten, vor allem in Europa.
Wir gehen davon aus, dass die niedrige Liquidität an den Anleihemärkten anhält. Daher sollten Vermögensverwalter die Augen vor der neuen Realität des Marktes nicht verschließen, sondern diese Begebenheiten beim Management ihrer Kundenportfolios berücksichtigen.