Zu den gesetzlichen Aufgaben der Zentralbanken gehören typischerweise die Verantwortung für Preisstabilität, Finanzstabilität sowie die Sicherheit und Solidität von Finanzinstituten (z.B. unserer Banken und Versicherer). Sie haben die Aufgabe über den Horizont zu blicken, um strukturelle Fragen zu identifizieren und zu verstehen, die sich auf unsere Finanzsysteme und die Wirtschaft auswirken könnten. Es ist wichtig, dass sie generell unabhängig von unseren politischen Systemen sind.
Zeitrahmen bei der Betrachtung von Risiken wandelt sich
„Der Klimawandel ist ein Marktversagen; Kohlenstoff wird nicht mit den notwendigen wirtschaftlichen Kosten belastet“, so Ryan Smith, Leiter ESG Research von Kames Capital. Zentralbanken, und allen voran Governor Mark Carney von der Bank of England, diskutieren zunehmend auch über die Auswirkungen des Klimawandels auf die Finanzstabilität und die erforderlichen Maßnahmen. Die kumulierten Emissionen ohne weitere Minderungsmaßnahmen stellen ein erhebliches Risiko für wirtschaftliche Störungen dar. Die Ansichten der Zentralbanken darüber, was einen angemessenen Zeithorizont für die Betrachtung von Risiken darstellt, scheinen sich zu ändern.
So waren beispielsweise wetterbedingte "Schocks" für das Finanzsystem in der Vergangenheit kurzfristig, die Auswirkungen auf die Produktion oder Inflation waren vorübergehend und Politiker konnten sie ignorieren. Zentralbanken werden sich zunehmend bewusst, dass die Häufigkeit und das Ausmaß von negativen Wetterschocks nicht länger ignoriert werden kann, die finanzielle Auswirkungen könnten schwer zu bewältigen sein. Unabhängig davon sind die Auswirkungen von klimabedingten Beschäftigungsverschiebungen auf die Lohninflation oder Energiepreisschocks beim Übergang zu erneuerbaren Energien weitere Überlegungen, die die angestrebte Inflation der Zentralbanken in Zukunft erschweren könnten.
Klimabedingte Risiken als eine der Hauptgefahren des europäischen Bankensystems
In ihrer regulatorischen Rolle ändert sich die Sichtweise der Zentralbanken ebenfalls. Versicherer stehen seit langem an vorderster Front, wenn es um die wetterbedingten Auswirkungen des Klimawandels geht. Sie haben ihre Modellierung und Preisgestaltung entsprechend angepasst. Bei den Banken ist dies weniger der Fall. Ende letzten Jahres teilte die EZB den Banken der Eurozone mit, dass sie klimabedingte Risiken als einen wesentlichen Risikofaktor für das europäische Bankensystem identifiziert habe. Ähnliche Nachrichten kommen von der Bank of England.
Was sind das für Risiken? Sowohl die Banken als auch ihre Regulierungsbehörde sind noch dabei, dies zu untersuchen. Aber im Grunde genommen handelt es sich entweder um physische Risiken wie Hypotheken von hochwassergefährdeten Häusern oder Verbraucherkredite für Dieselfahrzeuge usw. oder um Übergangsrisiken, d.h. solche, die mit dem Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft zusammenhängen. Eine Umfrage der Bank of England im vergangenen Jahr zeigte, dass relativ wenige der britischen Banken diese Risiken strategisch steuern, vor allem deshalb, weil sich ihr Geschäftsplanungshorizont nur auf wenige Jahre erstreckt.
Der Zeithorizont ist das gemeinsame Bindeglied zwischen vielen dieser Überlegungen für Zentralbanken und die von ihnen regulierten Finanzinstitute. Bei kurzfristigen Denken gibt es wenig Anreiz, sich mit dem Klimawandel zu befassen. Tue zu wenig, zu spät und du bist möglicherweise nicht in der Lage, die Auswirkungen zu bewältigen. Aber kurzfristiges zu radikales Handeln, birgt das Risiko, ein Unternehmen oder die finanzielle Stabilität des Systems erheblich zu schädigen. Dies ist das Gleichgewicht, das unsere National- und Zentralbanken finden müssen. Immerhin denken sie mittlerweile mehr darüber nach, die Instrumente, die sie zur Bekämpfung des Klimawandels zur Verfügung haben, auch einzusetzen.