Die Finanzmärkte werden oft mit Wahlen konfrontiert. Bei den bevorstehenden EU-Wahlen werden 751 Abgeordnete in das Europäische Parlament gewählt. Bis vor kurzem wollte das Vereinigte Königreich nicht an diesen Wahlen teilnehmen, nun aber offensichtlich doch. 73 Abgeordnete aus dem Vereinigten Königreich können am 1. Juli 2019 noch Platz nehmen. Ganz gleich, wen die britische Öffentlichkeit wählen wird und aus welchem Grund, eine Protestabstimmung entweder aus mangelnder Beteiligung oder aufgrund der gewählten Vertreter scheint naheliegend. Die Wahlbeteiligung bei diesen Wahlen ist in ganz Europa oft gering. Das aktuelle Rekordtief wurde 2014 in der Slowakei verzeichnet, wo die Wahlbeteiligung nur 13,05 % betrug.
Werden die Europawahlen in irgendeiner Weise Auswirkungen auf die Wirtschaftspolitik im Vereinigten Königreich oder in Europa haben?
Schauen wir zuerst auf das Vereinigte Königreich: Die Zinspolitik wird von der Bank of England festgelegt und in keiner Weise von Politikern in Brüssel beeinflusst, trotz allem, was einige Politiker sagen. Die Fiskalpolitik wird von der britischen Regierung festgelegt. Der Brexit-Prozess ist einen wesentlich größerer Einflussfaktor für die Konjunkturaussichten der britischen Wirtschaft, aber dieser liegt derzeit in den Händen der britischen Parlamentsmitglieder. Es ist zu erwarten, dass es einen Rückschlag gegen die beiden wichtigsten Parteien im Vereinigten Königreich geben wird, was das politische Ende ihrer Führer beschleunigen könnte. Das ist zwar für die Nachrichten interessant, aber nicht für die Bank of England.
In Europa dürften die Wahlen ebenfalls von hohem Medieninteresse sein. Es wird erwartet, dass die populistischen Parteien, Lega in Italien, National Rallye in Frankreich, Sitze gewinnen werden. Dennoch werden vermutlich die beiden größten Gruppierungen, die Europäische Volkspartei (EVP) und die Partei der Europäischen Sozialisten (S&D), die Führung behalten. Die Europäische Zentralbank ist ebenfalls unabhängig von Politikern und wird deshalb genauso wenig auf eine Änderung der Zusammensetzung des Parlaments reagieren. Und die Steuerpolitik bleibt nach wie vor in der Verantwortung der nationalen Regierungen. Die EU-Aufsicht bleibt bestehen, aber trotz allem, was einige Politiker sagen, wird sich wahrscheinlich nichts ändern.
Es ist interessant, laut und kompliziert, aber ändern wird sich nicht viel. Die Zinsen sind niedrig und werden noch lange niedrig bleiben.
Sandra Holdsworth, Head of Rates, Kames Capital