An den Rentenmärkten mehren sich die Erwartungen, dass die US-Notenbank ab Juli in einen Lockerungszyklus übergehen wird. Auch die Marktpreise deuten darauf hin, dass die Zinsen bis zum Jahresende um 0,75% niedriger sein werden als auf dem derzeitigen Niveau.
Bislang hat Fed-Chef, Jerome Powell, bei jeder Gelegenheit seine neutrale Haltung mit dem Versprechen bestätigt, gegebenenfalls in beide Richtungen zu reagieren. Das Fed tritt diese Woche zusammen, und Analysten werden jegliche Äußerungen, die Zusammenfassung der wirtschaftlichen Prognosen sowie die gesamte Pressekonferenz nach weiteren Hinweisen durchleuchten. Unserer Meinung nach bestehen gute Chancen, dass die Märkte noch etwas länger über die Haltung der Fed spekulieren und die neutrale Position beibehalten wird.
Solide Wirtschaftsdaten
Auf der Basis der veröffentlichten Wirtschaftsdaten kommen wir zu der Einschätzung, dass die US-Wirtschaft nach wie vor solide ist und sich besser entwickelt, als die US-Notenbank es für dieses Jahr bisher erwartet hatte. Das Wirtschaftswachstum ist 2019 zwar etwas geringer als im Vorjahr, bleibt aber weiterhin positiv. Die Wirtschaftsprognosen, die veröffentlicht werden, dürften eine Verbesserung des Wachstums vorhersagen. Die Inflation hingegen dürfte leicht nach unten korrigiert werden. Ein Ergebnis, mit dem die Fed zufrieden sein sollte und welches darauf hindeutet, dass es derzeit nicht notwendig ist, die Zinssätze zu erhöhen oder zu senken.
Die berüchtigte "Punkt"-Plot, welcher aufzeigt, wie die Ausschussmitglieder die Zinsentwicklung in den nächsten Jahren sehen, wird aller Voraussicht nach bis 2020 einen weiteren Aufwärtstrend der Zinsen zeigen, der völlig im Widerspruch zur Marktpreisgestaltung steht. Die Plausibilität des Punktdiagramms ist in einem Lockerungszyklus in Frage zu stellen, da die Fed keine Zinssenkungen plant, sondern in der Regel auf Ereignisse wie eine Krise oder Rezession reagiert. Die Fed prognostiziert auch einen langfristigen Zinssatz, die derzeit bei 2,75 % liegt und sich wiederum deutlich von der Preisentwicklung am Rentenmarkt unterscheidet.
Auf Überraschungen vorbereitet sein
Warum sollte sich die Fed also in Richtung einer einfacheren Geldpolitik orientieren und was würde sich aus dem Wechsel zu einer lockereren Politik ergeben? Vor allem würde die Signalisierung und Lockerung der Auswirkungen zeigen, dass wir die Obergrenze des Zinszyklus erreicht haben. Das würde sicherlich bedeuten, dass der langfristige Zinssatz erheblich gesenkt werden muss. Vielleicht näher an den Durchschnittssatz der letzten 10 Jahre, der nur 0,5 % beträgt, was etwas extrem ist, da er die Zeit unmittelbar nach der Krise einschließt, aber selbst in den letzten 5 Jahren immer noch weniger als 1 % beträgt. Über 100 Basispunkte tiefer als der Markt und über eine markante 175 Basispunkte Differenz zur aktuellen Schätzung der Fed.
Die Wiederaufnahme einer entspannteren Haltung ist daher von großer Tragweite. Eine Aussage zu diesem Zeitpunkt abzugeben, in dem sich die US-Wirtschaft gut entwickelt, die Beschäftigung weiter steigt und sich die finanziellen Bedingungen entspannen, halte ich für zu gewagt. Sollte die Fed dennoch eine Aussage machen, haben die Renditen im gesamten Fixed Income Bereich einen langen Weg vor sich. Eine solche Kursänderung könnte auch für risikoreichere Anlagen positiv sein. Die Kursänderung könnte weniger als Reaktion auf Bedenken wahrgenommen werden, sondern eher als eine "Neukalibrierung" der Fed, die darüber nachdenkt, was ein "neutraler" Zinssatz für die Wirtschaft ist. Im internationalen Vergleich sind die US-Zinsen weit höher als in Europa und Japan, wie Präsident Trump gerne betont.
Die Beschlüsse der Fed haben uns in diesem Jahr mehrmals überrascht. Wir sollten aufmerksam auf weitere Überraschungen achten, sie könnten noch bedeutender werden als die, welche wir bereits gesehen haben.
Sandra Holdsworth, Head of Rates, Kames Capital