Unternehmensanleihen der Industriestaaten waren im zurückliegenden Quartal stark gefragt. Der größte Impulsgeber ging von den Ankaufprogrammen der großen Zentralbanken, allen voran die Entscheidung der US-Notenbank aus, erstmals Unternehmensanleihen zu kaufen. Dies bot einen "Backstop" – zu einem Zeitpunkt, als die Märkte Ende März so tief standen wie seit mehr als 10 Jahren nicht mehr.
Zugleich waren Unternehmensanleihen im Vergleich zu anderen Anlagealternativen attraktiv: Staatsanleihen etwa wurden mit Renditen von Null oder nahe Null gehandelt. Nicht zuletzt unterstrich die Tatsache, dass die Dividenden von Blue-Chip-Aktien unsicherer wurden, die Attraktivität von Unternehmensanleihen für Investoren, die laufende Erträge benötigen.
Ein Teil des Käuferinteresses ging auf opportunistische Anleger zurück, die versuchten, von grundsätzlich gesunden Unternehmen zu profitieren, die aber von der Krise betroffen sind. Der Ausverkauf im ersten Quartal führte zu einem starken Verlust von Anleihen sowohl guter als auch schwacher Unternehmen. Dies schaffte die Gelegenheit, Titel von Unternehmen mit hohem Rating zu historisch günstigen Preisen kaufen zu können.
Noch größer waren die Chancen auf dem Primärmarkt, als Anleihen von McDonalds, Oracle, Boeing und anderen Unternehmen bezogen auf ihr Kreditrisiko sehr attraktive Niveaus erreichten. Der entscheidende Punkt dabei war, dass sich Anleger nicht dazu verleiten ließen, Anleihen von Unternehmen aus Sektoren zu kaufen, deren Geschäftsmodelle durch die Auswirkungen des wirtschaftlichen Zusammenbruchs am meisten in Frage gestellt werden, wie beispielsweise Einzelhandel, Freizeit und Reisen.
Finanztiteln und zyklischen Sektoren im Blick
Aktuell überzeugt das Risiko-Ertrags-Verhältnis von Unternehmensanleihen – auch wenn sich die Kreditspreads etwas eingeengt haben. Da die Konjunkturrisiken nach wie vor hoch sind, begünstigt dies auf risikobereinigter Basis Anleihen mit Investment-Grade-Rating gegenüber High Yields, die in der Regel empfindlicher auf Konjunkturzyklen reagieren und deren aktuelle Risikoprämien gegenüber Investment-Grade-Anleihen möglicherweise nicht ausreichen. Da einige defensive Sektoren derzeit mit vergleichsweise engen Spreads gehandelt werden, liegen die Chancen künftig vermehrt in Finanzwerten und einigen zyklischen Sektoren.
Der Stimmungsumschwung der Anleger beruht stärker auf der Politik der Zentralbanken und Regierungen als auf makroökonomischem Optimismus. Derzeit wissen wir noch nicht, wie tief die Talsohle des BIP-Wachstums sein wird. Darüber hinaus ist es sehr schwierig, mit Sicherheit zu sagen, wie eine wirtschaftliche Erholung aussehen wird. Allein auf dieser Grundlage zu investieren, erscheint zu riskant. Andererseits gibt die Unterstützung der Regierungen und Zentralbanken Anlass zum Optimismus gegenüber Unternehmensanleihen, da der Umfang der Stützungsmaßnahmen dazu beitragen kann, einen Großteil der wirtschaftlichen Unsicherheit auszugleichen.
Mit Blick auf eine mögliche zweite Welle des Virus sind die Investoren momentan davon überzeugt, dass die unterschiedlichen Staaten besser mit einem Wiederaufflammen des Virus fertig werden, da die Gesundheitssysteme bereits in der ersten Phase auf die Probe gestellt worden sind. Zusammen mit der Unterstützung und den Stimuli der Zentralbanken deutet dies auf eine nur geringe Gefahr hin, dass die Märkte so stark fallen wie im März.
Colin Finlayson, Co-Manager des Kames Strategic Global Bond Fund