Die umfangreichen Lockdowns vom vergangenen Frühjahr führen zu einem interpretationsbedürftigen Phänomen: Im Sommer werden die dann anstehenden Wirtschaftsdaten im Vergleich zu 2019 den Anschein erwecken, dass der Konjunkturmotor in den Industriestaaten brummt. Wenn sich der erste Schub der aufgestauten Nachfrage entladen hat, wird es jedoch entscheidend sein, was danach geschieht. Die Optimisten spekulieren auf eine umfassendere Version dessen, was auf den Wohnimmobilienmärkten passiert – etliche Experten beurteilen sie als unheimlich erhitzt. Die Pessimisten wiederum rechnen damit, dass die Sparquote hoch bleibt und der Konsum zurückgeht. Isoliert betrachtet, sehen die Aktienmärkte "erschreckend" teuer aus. Die hohen Aktienbewertungen spiegeln jedoch außergewöhnlich niedrige risikofreie Anleiherenditen, enge Kreditspreads und nun auch eine deutliche fiskalische Lockerung wider. Im Kontext können die Bewertungen der Risikomärkte höher ausfallen.
JP Morgan analysierte kürzlich die wichtigsten Risikomärkte der letzten 40 Jahre und stellte fest, dass jeder Konjunkturzyklus mindestens zwei Blasen hervorbringt. Die Märkte neigen dazu, wirklich extremen Bewertungen im Durchschnitt mehr als ein Jahr lang standzuhalten - gelegentlich sogar weit darüber hinaus. Und selbst wenn ein Markt implodiert, erreichen 80 % der Märkte mit Blasenbildung im nächsten Konjunkturzyklus neue Allzeithochs.
Die Märkte werden immer von der Politik der Zentralbanken geprägt und diese wiederum von den Inflationsaussichten. In den letzten zehn Jahren haben die US-Verbraucherpreise das Ziel der US-Notenbank unterschritten. Die anhaltend niedrige Inflation, selbst nach der geldpolitischen Lockerung im Anschluss an die Kreditkrise, hat eine neue Ära der akkommodierenden Politik eingeleitet, die sich in der Annahme eines durchschnittlichen Inflationsziels (2 %) durch die US-Notenbank widerspiegelt. Die Renditen 10-jähriger US-Anleihen liegen derzeit bei 1,6 %, was darauf hindeutet, dass die Anleger aufgrund ihrer Erfahrung daran zweifeln, dass die Fed die für das Erreichen des Inflationsziels erforderliche Inflation von 3 % in den nächsten drei Jahren erreichen kann.
Bidens neuester Fiskalplan wird unweigerlich zu einer höheren Inflation führen
Die Zentralbanken haben gezeigt, dass eine Lockerung des Liquiditätsangebotes nicht zu einer Erhöhung des trendmäßigen Wirtschaftswachstums, einer Senkung der Arbeitslosigkeit, einer Verringerung der Ungleichheit und einer Verbesserung der Lebensbedingungen führen muss, wenn es sich um Bargeld handelt. Geld mag in unendlicher Menge und zum Nulltarif zur Verfügung stehen, aber Privatpersonen und Unternehmen zögern weiterhin, zu konsumieren bzw. zu investieren – es sei denn, es geht um den Kauf von Finanzanlagen. Seit der großen Finanzkrise fehlt uns die letzte Instanz als Käufer von Waren und Dienstleistungen.
Die USA führen die große Politik an. Bidens neuester Fiskalplan schlägt vor, in den nächsten zehn Jahren rund 4 Billionen Dollar auszugeben. Das allein ist ein Drittel des mittleren Einkommens für jeden Mann, jede Frau und jedes Kind. Das unvermeidliche Ergebnis dieser noch nie dagewesenen fiskalischen Expansion in Friedenszeiten wird eine höhere Inflation sein. Die tatsächliche Form der Inflation, die wir bekommen, wird irgendwo auf einem Niveau zwischen Entwertung – auf Kosten aller (Argentinien) und einer starken Lohn-Preis-Spirale – auf Kosten der Sparer – liegen. Diese extremen Möglichkeiten sind keine akademischen Überlegungen.
Werden die heutigen Politiker umsichtig handeln?
Der Anleihenmarkt ist der Grund für die ausgelassene Stimmung. Er bestimmt, wann die Party endet. Während die US-Renditen in diesem Jahr gestiegen sind, bleiben sie weit unter dem von der Fed prognostizierten Niveau von 2,5 %. Ein schneller Anstieg über dieses Niveau aufgrund positiver Wirtschaftsdaten sollte die Risikomärkte herausfordern, indem die finanziellen Bedingungen in den USA und weltweit verschärft werden. Es könnte jedoch mehr als eine zentrale Maßnahme nötig sein, um die Anleihe-Bären in Schach zu halten.
Befürworter einer uneingeschränkten fiskalischen Expansion sehen in frühzeitigen Steuererhöhungen eine Möglichkeit, die wirtschaftlichen Verhältnisse im Gleichgewicht zu halten. Leider zeigt die Vergangenheit, dass Regierungen zu viel Geld ausgeben und zu wenig Steuern erheben. Es ist fraglich, ob die heutigen Politiker das nötige Geschick, die Weisheit und die Moral besitzen, um umsichtig zu handeln.
Wenn die Euphorie nachlässt und wir beginnen, uns mit den Aussichten für 2022/23 zu befassen, sollten wir eine bessere Vorstellung davon bekommen, ob die Investoren, die derzeit Seifenblasen platzen lassen, die Auswirkungen dieses neuen politischen Systems vollständig verstehen oder einfach nur ungeduldig sind. In der Zwischenzeit ist der Frühling endlich angekommen.
Stephen Jones, Global CIO Equities, Multi-Asset & Solutions bei Aegon Asset Management