Gold ist wie der Hund, der nicht gebellt hat. Das liegt vor allem daran, dass es einige wichtige Faktoren gibt, die gegen Gold sprechen. Gold konkurriert mit US-Staatsanleihen in seiner Funktion als sicherer Hafen. Bis vor kurzem hatten die niedrigen US-Zentralbankzinsen Gold relativ attraktiv gemacht. Doch der rasche Anstieg der US-Zinsen sowie die wieder positive Realrendite inflationsgebundener Anleihen führten zu höheren Transportkosten gegenüber US-Staatsanleihen, wodurch Gold seinen Glanz verlor.
Ein weiteres Problem ist, dass Gold in US-Dollar denominiert ist, was die Nachfrage von Käufern aus Übersee beeinträchtigt hat, da der Dollar stärker geworden ist. Weltweit kommen über 50 % der Goldnachfrage aus China und Indien. Die starke Aufwertung des US-Dollars - verursacht durch geopolitische Unruhen und die zunehmende Zinsdifferenz zwischen dem Dollar und anderen wichtigen Währungen - hat diesen Käufern in Landeswährung Gegenwind beschert.
Da der Vorsitzende der US-Notenbank, Jay Powell, kürzlich in Jackson Hole eine aggressive Stellungnahme abgab und die Marktpreise für Zinssenkungen im Jahr 2023 nach unten drückte, gibt es keinen Grund, warum der Dollar in naher Zukunft schwächer werden sollte. Das wird die Aussichten auf einen kurzfristigen Anstieg des Goldpreises weiter einschränken.
Angesichts des anhaltenden Aufwärtstrends bei den US-Zinsen und den Realrenditen sowie der hohen Wahrscheinlichkeit, dass die derzeitigen geopolitischen Unruhen noch einige Zeit anhalten werden, ist auf absehbare Zeit eine anhaltende Dollarstärke zu erwarten. Zur Zeit der großen Inflation in den 1970er Jahren hat man gesehen, dass sich der Goldpreis in der ersten Hälfte des Jahrzehnts ebenfalls unterdurchschnittlich entwickelte. Erst als der Dollar an Wert verlor, begann der Goldpreis zu steigen. Das zeigt, dass der 'König Dollar' erst schwächer werden muss, bevor Gold zu glänzen beginnen kann.
Robert-Jan van der Mark, Investment Manager bei Aegon Asset Management