Die EU-Wahlen: Kurzfristige Auswirkung auf Finanzmärkte begrenzt

Aegon Asset Management | 06.06.2024 11:19 Uhr
Jacob Vijverberg, Portmoliomanager bei Aegon Asset Management / © e-fundresearch.com / Aegon Asset Management
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2024 ist das Jahr der großen Wahlen, welche die politische Landschaft für die kommenden Jahre maßgeblich prägen werden. Die größte Wahl der Welt ist die in Indien, bei der fast eine Milliarde Menschen wahlberechtigt waren. Das Ergebnis wurde am 4. Juni bekannt gegeben und führte zu einem unerwarteten Verlust von Modis Einparteienmehrheit. Dies hat zur Konsequenz, dass sich die Bharatiya Janata Party (BJP) unter Modi auf Koalitionspartner stützen muss, um eine Regierung zu bilden. Ein schwerer Rückschlag für den indischen Premierminister, der die indische Politik seit seiner Machtübernahme vor einem Jahrzehnt dominiert hat. Zwischen dem 6. und 9. Juni sind dann fast 400 Millionen Menschen berechtigt, an den Wahlen zur Europäischen Union (EU) teilzunehmen. Und nicht zuletzt können 240 Millionen Wähler im November über den neuen US-Präsidenten entscheiden. Sie alle haben das Potenzial, die Innen- und Weltpolitik in den kommenden Jahren zu prägen.

Die Wahlen zum Europäischen Parlament sind in der Öffentlichkeit oft weniger präsent als andere Wahlen. Dies ist jedoch ein Trugschluss, da die Integration der EU dazu führt, dass die Bedeutung dieser Wahlen zunimmt. Immer mehr Entscheidungen werden nicht mehr von den nationalen Regierungen, sondern auf EU-Ebene getroffen.

Die Wahl verstehen

Bei den Wahlen zum Europäischen Parlament handelt es sich im Wesentlichen um 27 gleichzeitig stattfindende nationale Wahlen, für die jeweils leicht unterschiedliche Regeln gelten. Insgesamt werden 720 Abgeordnete in das Parlament gewählt. Die Anzahl der Sitze, die jedes Land erhält, ist unterschiedlich, wobei größere Länder mehr Sitze erhalten. Kleinere Länder erhalten jedoch ein Mindestmaß an Vertretung. Die Wähler geben ihre Stimme für nationale Parteien ab. Im Rahmen der Wahlen zum Europäischen Parlament werden auch die Mitglieder der Europäischen Kommission gewählt. Dabei ist jede nationale Partei mit einer politischen Gruppierung im EU-Parlament verbunden. Die politische Gruppierung, die bei der Wahl die meisten Sitze erhält, nominiert in der Regel den nächsten Präsidenten der Europäischen Kommission. Nach der Wahl muss das neue Europäische Parlament die Kandidaten für den Kommissionspräsidenten und die 26 nationalen Kommissare, die die EU in den nächsten fünf Jahren führen werden, bestätigen oder ablehnen.

Signifikante Verschiebung der politischen Landschaft

Die bevorstehende Wahl wird voraussichtlich zu einer signifikanten Verschiebung der politischen Landschaft führen, die mit einer Abkehr vom derzeitigen Fokus der EU auf Umweltfragen hin zu einer stärkeren Unterstützung für eine strengere Einwanderungspolitik und einer weniger zentralisierten Politik einhergehen könnte. Die rechtsextreme ID (Identität & Demokratie), der die französische Partei von Le Pen und die niederländische PVV angehören, könnte insgesamt an Sitzen gewinnen und liegt derzeit bei rund 11% der Stimmen. Umgekehrt hat die Unterstützung für die Alternative für Deutschland (AfD) aufgrund von Spionageskandalen, in die Parteifunktionäre verwickelt waren, nachgelassen. Die ID-Gruppe hat die AfD aufgrund ihrer zahlreichen Skandale vor Kurzem ausgeschlossen und sie zu einem Paria gemacht. Zudem wird erwartet, dass die europaskeptische ECR-Fraktion, die ebenfalls rund 11% der Stimmen erhält, zulegen wird. Die größte Partei in dieser Gruppe ist die PiS aus Polen.

Die letzten Wahlen im Jahr 2019 waren von der Sorge um die Umwelt geprägt, was zu einem stärkeren Ergebnis für die Grünen und die Liberalen (Renew Europe) führte. Bei dieser Wahl verlor die „große Koalition“ aus EVP (Europäische Volkspartei) und S&D (Sozialisten und Demokraten) ihre Mehrheit. Die aktuelle Prognose lässt darauf schließen, dass die „supergroße Koalition“, zu der auch die Liberalen gehören, auf 55% der Sitze schrumpfen wird. Obwohl dies immer noch für eine Mehrheit ausreicht, könnte die Versuchung für die EVP darin bestehen, eine Koalition mit den europaskeptischen Parteien rechts von ihr zu bilden.

Auswirkungen auf die Finanzmärkte

Kurzfristig ist nicht mit einer Reaktion der Finanzmärkte auf die Wahlergebnisse zu rechnen, da die erwarteten politischen Änderungen moderat sind und die Macht des EU-Parlaments begrenzt ist. Allerdings sind diese Wahlen Teil eines größeren Trends, sodass die Verlagerung des Schwerpunkts wahrscheinlich einige Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Märkte haben wird. Die Abkehr vom Green Deal wird sich auf Energieunternehmen und Netzinvestitionen auswirken. Zudem ist zu erwarten, dass dieser Rechtsruck die weitere EU-Integration verlangsamt und die Erweiterung des Blocks, einschließlich der möglichen Aufnahme der Ukraine, aufhält. Der Aufstieg populistischer und EU-feindlicher Parteien in der EU und in den nationalen Parlamenten wird die Entscheidungsprozesse erschweren.

Diese Entwicklung ist insbesondere vor dem Hintergrund der möglichen Wiederwahl von Donald Trump in den USA von Bedeutung, da dies mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Handelskrieg führen wird. Zudem ist die EU mit einem groß angelegten Krieg in der Nähe ihrer Grenzen konfrontiert, der sich zu einem größeren Konflikt mit Russland ausweiten könnte. Schließlich nehmen auch die Spannungen mit China zu. In den vergangenen Jahren hat die EU erkannt, dass die Integration Chinas in die Weltwirtschaft nicht zu einer offeneren und demokratischeren Gesellschaft geführt hat. Stattdessen hat sich China zu einem autoritären Staat entwickelt, dem es gelungen ist, mehrere große Abhängigkeiten bei der Versorgung mit Waren und Mineralien zu schaffen.

Die EU sieht sich auch mit Wettbewerbsbedrohungen konfrontiert, da es ihr an erfolgreichen Technologieunternehmen mangelt, die zunehmend von den USA dominiert werden. Dies setzt die EU einer Situation aus, in der sie einen immer größeren Teil ihres Wohlstands für die Nutzung von Produkten und Dienstleistungen bezahlt, ohne die Vorteile in Bezug auf Produktion und Schaffung von Arbeitsplätzen zu haben. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Wirtschaftswachstum hinter dem der anderen großen Wirtschaftsblöcke zurückbleibt, wird durch ein stärker zersplittertes und euroskeptisches Parlament erhöht. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die bevorstehenden EU-Wahlen einen kritischen Punkt für die Region darstellen, mit potenziellen Verschiebungen in der politischen Macht und der politischen Richtung, die die Zukunft der EU für die nächsten Jahre prägen werden. Die zu erwartenden kurzfristigen Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Finanzmärkte sind begrenzt. Langfristig werden jedoch politische Entscheidungen, die den Kurs der EU bestimmen, Auswirkungen auf die Wirtschaft, die Geschäftsbedingungen und die Finanzmärkte haben. Dies kann beispielsweise über den Handelskanal, die Wettbewerbspolitik und den Grad der europäischen Integration erfolgen.

Von Jacob Vijverberg, Portmoliomanager bei Aegon Asset Management

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