Thematic Insights über Fake Food: Das Geschäft mit dem Etikettenschwindel

«Erst kommt das Fressen, dann die Moral», schrieb 1928 Bertolt Brecht in seiner berühmten Dreigroschenoper. Zum Zitat perfekt passend ist auch der Etikettenschwindel mit Lebensmitteln. Überall in Europa werden gefälschte Lebensmittel gehandelt und verkauft. Letztes Jahr wurden in einer koordinierten Aktion von Europol und Interpol Nahrungsmittel im Wert von mehreren Hundert Millionen Euro beschlagnahmt. | Lesen Sie mehr im aktuellsten "Asset Management Equity Thematic Insights: Schutz und Sicherheit" von Dr. Patrick Kolb, Fondsmanager, Credit Suisse Asset Management. Credit Suisse | 23.12.2019 13:12 Uhr
Dr. Patrick Kolb, Fondsmanager, Credit Suisse Asset Management / © Credit Suisse Asset Management
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«Erst kommt das Fressen, dann die Moral», schrieb 1928 Bertolt Brecht in seiner berühmten Dreigroschenoper. Zum Zitat perfekt passend ist auch der Ettikettenschwindel mit Lebensmitteln. Schon vor Brecht’s Zeiten verwendete man beispielsweise als Streck- und Ersatzstoff die Wurzeln des Löwenzahns und verkaufte es als Zichorienkaffee (auch bekannt als «Mocca faux»)[1]. Heutzutage würde es beim Ettikettenschwindel eher heissen: Gammelfleisch in Gelatine, Fat-Burner mit dem Inhaltsstoff DNP[2] oder Pestizid-Äpfel mit Bio-Siegel. Überall in Europa werden gefälschte Lebensmittel gehandelt und verkauft. Letztes Jahr wurden in einer koordinierten Aktion von Europol und Interpol Nahrungsmittel im Wert von mehreren Hundert Millionen Euro beschlagnahmt. Zollbehörden, Polizei, Lebensmittelinspektoren und Veterinäre überprüften in 78 Ländern zahlreiche Produzenten und Zwischenhändler. Dabei wurden gut 33 Millionen Liter Getränke und 16'000 Tonnen gefälschte Lebensmittel (darunter auch tiefgefrorene, wieder aufgetaute und als frisch deklarierte Fische in Italien, deren Verwesung mit Säure, Phosphat und Wasserstoff verhindert wurde) beschlagnahmt. 672 Personen wurden dabei verhaftet[3]. 

Natürlich nehmen insbesondere die Boulevard-Medien begeistert Notiz von solch spektakulären Lebensmittel-Skandalen wie der Rinds-Lasagne mit Pferdefleisch aus Rumänien oder Fipronil-Eiern aus Holland. Die Öffentlichkeit nimmt diese Vorfälle jedoch leider mehrheitlich als Einzelfälle wahr. Die wenigsten sehen, dass dahinter oft organisierte Kriminalität steckt. Viele Lebensmittel werden heute international gehandelt und miteinander vermischt. Die Betrüger nutzen Schlupflöcher, die durch industrialisierte Landwirtschaft, den Onlinehandel, vernetzter Märkte und isoliert agierende Behörden entstehen. Angelockt werden sie zudem von hohen Gewinnmargen und verhältnismässig tiefen Strafen[4]. Je mehr Lebensmittel gemischt werden, desto eher besteht die Wahrscheinlichkeit einer Verfälschung. Und je länger und undurchsichtiger die Lieferketten sind, desto einfacher ist es für Betrüger, ihre Spuren zu verwischen. Zwar ist es finanziell verhältnismässig wenig lukrativ, eine Packung gefälschter Bio-Erdbeeren in den Umlauf zu bringen. Jedoch ist der Nahrungsmittelmarkt immens und die Täuschungsmöglichkeiten unzählig. Gemäss Angaben der EU belaufen sich die Kosten von Lebensmittelbetrug auf jährlich 30 Milliarden Euro und könnten im schlimmsten Fall sogar die Gesundheit der Konsumenten gefährden[5].  

Die Europäische Kommission hat hierfür eine Hitparade der Lebensmittel erstellt, die am häufigsten gefälscht werden. Ganz vorne dabei ist italienisches Olivenöl. Da am Markt viel mehr italienisches Olivenöl angeboten wird als es tatsächlich aufgrund der in Italien geernteten Olivenmenge geben kann, muss man davon ausgehen, dass ein Teil der angebotenen Produkte zumindest falsch etikettiert ist[6]. Auf den nächsten Plätzen in der Liste folgen Milch, Honig, Safran, Fisch, Kaffee, Orangensaft und Käse[7]. 

Bio-Olivenöl Extra Vergine wird gemäss der EU am häufigsten falsch etikettiert 

Quelle: GEO (2016): Diese Lebensmittel werden besonders häufig gefälscht, GEO 5/16, URL:   https://www.geo.de/natur/nachhaltigkeit/66-rtkl-nahrungsmittelbetrug-diese-lebensmittel-werden-besonders-haeufig; Abrufdatum: 22.10.2019.

Was ist Lebensmittelbetrug?

Gemäss dem deutschen Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit wird Lebensmittelbetrug wie folgt definiert[8]:  

«Unter Lebensmittelbetrug versteht man im Allgemeinen das vorsätzliche Inverkehrbringen von Lebensmitteln mit dem Ziel, durch vorsätzliche Täuschung einen finanziellen oder wirtschaftlichen Vorteil zu erlangen. Durch Verwendung unerlaubter Zusätze, die zu einer Änderung der Zusammensetzung des Lebensmittels führen oder durch bewusste Falschdeklaration, also die absichtliche Verwendung falscher oder unzureichender Angaben auf dem Etikett, soll der Kunde bzw. Verbraucher getäuscht werden».  

Ganz entscheidend ist die Frage der Authentizität und der geographischen Herkunft. Ist es das richtige Lebensmittel, der korrekte Inhaltsstoff? Wurden die Produkte gestreckt oder etwas beigemischt? Im besten Fall sind die Plagiate minderwertig, schlimmer ist es jedoch, wenn sie die Gesundheit gefährden. Einige Beispiele von Lebensmittelbetrug sind etwa: 

  • Die Falschetikettierung minderwertiger Lebensmittel als hochwertige Markenware, wie wenn etwa günstigere Robusta- als teure Arabica-Kaffeebohnen verkauft werden. 
  • Die falsche Bezeichnung geschützter regionaler Marken, wie z.B. Champagner, der gar nicht aus der französischen Region Champagne stammt. 
  • Den tatsächlichen Betrug, wenn etwa Farmlachs plötzlich als Hochseefisch durchgeht.
  • Und schliesslich die Wiedervermarktung bereits ungeniessbarer Lebensmittel, bei denen die Kühlkette unterbrochen wurde oder die Haltbarkeit schon überschritten ist[9]. 

Mögliche Lösungen: Qualitätskontrolle und moderne Analyseverfahren

Im Grunde genommen ist der Lebensmittelbetrug ein altes Phänomen: Schon immer wurde versucht, hochwertige Ware durch preisgünstigere zu ersetzen. Im Mittelalter mischten beispielsweise Bäcker Sägemehl ins Brot oder Gastwirte streckten Bier und Wein mit Wasser. Die Konsumenten können die Gefahr von Lebensmittelbetrug kaum erkennen. Umgekehrt ist es für Nahrungsmittelproduzenten und Händler sehr schwierig, den betrügerischen Machenschaften auf die Schliche zu kommen. 

Um Fälschungen aufzudecken, arbeiten die Lebensmittelproduzenten heute eng mit ihren Lieferanten zusammen. Die Qualitätskontrolle beginnt bevor die Ware überhaupt verschickt wird. Zertifikate, Tests und Inspektionen werden verlangt, um die Mengenangaben zu plausibilisieren. Zudem setzen Behörden auf moderne Analyseverfahren, um Fälschungen zu bekämpfen. Verwendet wird beispielsweise die Kernmagnetresonanz-Spektroskopie (auch bekannt als Nuclear Magnetic Resonance-Profile [NMR-Profile], eine Technologie, die beim Menschen als Kernspintomographie bekannt ist). Diese Technologie erfasst die magnetischen Eigenschaften der Wasseratome und ermöglicht, die Nahrungsmittel in ihre einzelnen Bestandteile zu zerlegen. Je nach Herkunft und Art ergibt sich dadurch ein spezifischer «Fingerabdruck» für Lebensmittel.

Das Max Rubner Institut (MRI) in Karlsruhe beschäftigt etwa 200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Sie forschen im Bereich des gesundheitlichen Verbraucherschutzes mit spezifischem Fokus auf Ernährung. Die Forscher arbeiten daran, die Authentifizierung von Lebensmitteln zu erleichtern. Dabei können die Experten etwa nachweisen, ob die Bio-Milch tatsächlich aus biologischem Anbau stammt oder ob der Lachs, wie deklariert, aus einer ökologischen Zucht kommt. Beim Beispiel Lachs konnte das Institut demonstrieren, dass mit Hilfe der Kombination von delta15N-Wert und Linolsäuregehalt des Fischfilets eine Unterscheidung des Bio-Lachses von in Aquakultur konventionell gehaltenem Lachs beziehungsweise Wildlachs ermöglicht wird. Dadurch lassen sich sogar einzelne Fischfilets mit modernen Labormethoden eindeutig bestimmen[10].

Fazit

Der erhöhte Fokus der Behörden und Konsumenten auf Lebensmittelsicherheit schafft Chancen für Unternehmen in den Bereichen Life Sciences sowie Testierungen, Inspektionen und Zertifizierungen. Die Sicherstellung und Verbesserung der Produktequalität stellt unserer Ansicht nach einen attraktiven langfristigen Wachstumstrend dar. Stringentere Regulierung und wachsende Sicherheitsbedenken seitens der Bevölkerung sind die wichtigsten Treiber zum Schutz der Nahrungsmittel und Trinkwasser vor mikrobakterieller oder chemischer Kontamination. 

Wir glauben, dass strengere regulatorische Vorschriften im Nahrungsmittelbereich folgen werden. Technologien zur Überprüfung der Nahrungsmittelherkunft und Trace-and-Track-Methoden entlang der gesamten Produktionskette werden daher unserer Meinung nach an Bedeutung gewinnen. Aus diesem Grunde halten wir Aktien von führenden Unternehmen in den Bereichen Sensorik, Diagnostik sowie Testierung, Inspizierung und Zertifizierung. Daneben sind auch Hersteller von wissenschaftlichen Instrumenten und Verbrauchsgütern in einer attraktiven Position.

Dr. Patrick Kolb, Fondsmanager, Credit Suisse Asset Management 

[1] Als «Mocca feux», «Muckefuck» im Deutschen, wird ein nicht aus Kaffeebohnen gebrühter, auch als Blümchenkaffee bekannter Ersatzkaffee bezeichnet. Heute wird Muckefuck nicht nur aus der Zichorie hergestellt, sondern auch aus gemälzter Gerste (Malzkaffee) oder geröstetem Roggen.

[2] DNP (2.4 Dinitrophenol) ist ein gelbes Pulver, welches häufig in der Bodybuilderszene zur Fettverbrennung angewendet wird. In der Industrie nutzt man DNP beispielsweise zur Synthese von Farbstoffen, Holzschutzmitteln, Insektiziden und Sprengstoffen. In den 1930er-Jahren wurde es als Arzneimittel zur Anregung des Stoffwechsels und zur Gewichtsabnahme eingesetzt. Aufgrund seiner schwerwiegenden Nebenwirkungen wurde die medizinische Verwendung jedoch kurz darauf wieder verboten (Quelle: Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (2019): 2.4-Dinitrophenol (DNP), URL: https://www.blv.admin.ch/blv/de/home/lebensmittel-und-ernaehrung/lebensmittelsicherheit/stoffe-im-fokus/unerlaubte-stoffe/2-4-dinitrophenol-dnp.html, Abrufdatum: 17.10.2019.

[3] Quelle: Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (2019): OPSON Operationen, URL: https://www.bvl.bund.de/DE/01_Lebensmittel/03_Verbraucher/16_Food_Fraud/06_OPSON_Operationen/OPSON_Operationen_node.html, Abrufdatum: 17.10.2019. 

[4] Siehe beispielsweise die Präsentation von Food Safety Authority of Ireland (2019): Future Challenges in the Fight against food fraud, IE Response, URL: https://ec.europa.eu/food/sites/food/files/safety/docs/food-fraud-reports_20190408_pres03.pdf, Abrufdatum: 17.10.2019.

[5] Quelle: Europäische Kommission (2019): Agri-food fraud, URL: https://ec.europa.eu/food/safety/food-fraud_en, Abrufdatum: 17.10.2019.

[6] Siehe bspw. Neue Zürcher Zeitung vom 24.10.2010: Italienisches Olivenöl, made in Spain, URL: https://www.nzz.ch/italienisches_olivenoel_made_in_spain-1.8120243, Abrufdatum: 23.10.2019. zudem, gemäss Öko-Test sollte echtes Olivenöl keine Schadstoffe enthalten. Jedoch nicht überall, wo «Extra Vergine» draufsteht, ist gutes Öl drinnen: Eine Überprüfung hat ergeben, dass von 19 Olivenöle der höchsten Qualitätsklasse fast die Hälfte mit Mineralöl verunreinigt ist, einige schmeckten zudem ranzig (Quelle: Öko-Test (2019): Olivenöl-Test: Knapp jedes Zweite mit Mineralöl belastet, 21.10.2019, URL: https://www.oekotest.de/essen-trinken/Olivenoel-Test-Knapp-jedes-Zweite-mit-Mineraloel-belastet-_111646_1.html; Abrufdatum: 22.10.2019.

[7] Quelle: Schimanski et al. (2019): Lebensmittelbetrügern auf der Spur: Eine Herausforderung für die Lebensmittelüberwachung, 12.7.2019, URL: https://www.git-labor.de/forschung/lebensmittel/lebensmittelbetruegern-auf-der-spur, Abrufdatum: 17.70.2019

[8] Quelle: Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (2019): Was ist Lebensmittelbetrug?, URL: https://www.bvl.bund.de/DE/01_Lebensmittel/03_Verbraucher/16_Food_Fraud/02_Was%20ist%20Lebensmittelbetrug/Was%20ist%20Lebensmittelbetrug_node.html, Abrufdatum: 23.10.2019.

[9] Gemäss Wirtschaftswoche haben Betrüger in einem Fall gefrorene, aber schlecht gekühlte und als Tierfutter gedachte Oktopusse mit Chemikalien dermassen bearbeitet, bis diese wieder gut aussahen und als frische Delikatesse auf dem Markt verkauft wurden (Quelle: Wirtschaftswoche (2019): Fake Food, 5.7.2019, S. 18).

[10] Quelle: MRI (2019): Authentifizierung von Bio-Fisch, URL: https://www.mri.bund.de/de/nrz/forschung/authentifizierung-von-bio-fisch/, Abrufdatum: 17.10.2019.

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