Die Auswirkungen der Deglobalisierung und der Entstehung einer bipolaren Welt für Anleger

Anleger konzentrieren sich inmitten des schlechtesten Marktumfeldes seit mehr als vierzig Jahren derzeit auf eine potenzielle Erholung in den nächsten drei bis sechs Monaten. Aber mehr denn je ist es nun wichtig, einen Schritt zurückzutreten und die tektonischen Verschiebungen der letzten Jahre zu analysieren. Die Deglobalisierung und das Entstehen einer bipolaren Welt könnten negative Auswirkungen auf die Portfolioperformance haben, wenn sie Anleger unvorbereitet treffen. Alexandre Bouchardy, Leiter Investment Strategy bei Credit Suisse Asset Management, erläutert, wie Anleger aus seiner Sicht Vermögenswerte strategisch allozieren sollten, um sich auf einen möglichen Paradigmenwechsel vorzubereiten. Credit Suisse | 14.11.2022 11:50 Uhr
Alexandre Bouchardy, Head of Investment Strategy bei Credit Suisse Asset Management / © e-fundresearch / Credit Suisse
Alexandre Bouchardy, Head of Investment Strategy bei Credit Suisse Asset Management / © e-fundresearch / Credit Suisse
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In einer deglobalisierten Welt gewinnt Reshoring an Bedeutung

Während die Debatte über einen allfälligen Rückzug der Globalisierung zunehmend Fahrt aufnimmt, gibt es eine Reihe von Indikatoren, die aufmerksamen Anlegern zumindest als Warnzeichen dienen könnten. Der Anteil des Handels am BIP, der seit Mitte der 1980er-Jahre stetig gestiegen war, stabilisiert sich seit der globalen Finanzkrise (siehe Abbildung 1). Handelsbarrieren nehmen zu, während unter der Präsidentschaft von Donald Trump Zölle eingeführt wurden. In jüngerer Zeit wurde Russland massiv sanktioniert mit dem Ziel, das Land von den westlichen Volkswirtschaften und ihrem Finanzsystem abzuschneiden. Die COVID-19-Pandemie hat die Anfälligkeit der globalen Lieferketten offengelegt. Dies hat dazu geführt, dass Regierungen und Unternehmen nach Möglichkeiten suchen, externe Abhängigkeiten besser zu entschärfen. Zahlreiche westliche multinationale Unternehmen ziehen sich zwar nicht aus China zurück, haben ihre Produktionslinien aber zum Beispiel mit Standorten in Vietnam und Indien diversifiziert. Der Wunsch, näher am Ort des Konsums zu produzieren – das sogenannte «Reshoring» – gewinnt zunehmend an Bedeutung, während «Friendshoring» sich zum Schlüsselbegriff einer bipolaren Welt entwickeln könnte.

Deglobalisierung hätte inflationäre Auswirkungen

Da die Globalisierung deflationär war, könnte man davon ausgehen, dass ihre Umkehr inflationär wäre. Unserer Ansicht nach könnte eine Deglobalisierung zu weniger Effizienz sowie einem Rückgang der Produktivität, einer allgemeinen Preissteigerung aufgrund höherer Arbeits- und Inputkosten und einer Margenerosion führen. Im Gegenzug könnte die Inflation in einer ersten Phase ansteigen und sich im neuen Gleichgewicht auf einem höheren Niveau stabilisieren. Dieses Muster hat sich in diesem Jahr teilweise manifestiert, da die größten Industrieländer ihre höchste Inflation seit mehr als 40 Jahren verzeichnen. Es wird angenommen, dass diese Inflation von zwei Schocks verursacht wird: erstens durch die Pandemie und die massiven fiskalischen und monetären Impulse und zweitens durch die russische Invasion der Ukraine, den damit verbundenen Rohstoffund Energieschock und die westlichen Sanktionen. Zum aktuellen Zeitpunkt ist es noch zu früh, um vorherzusagen, ob die Inflation wieder auf das Niveau von vor der Pandemie zurückkehren wird oder ob ein neues Gleichgewicht auf höherem Niveau erreicht wird. Eine Schlussfolgerung kann unserer Ansicht nach jedoch mit größerer Sicherheit gezogen werden: Es entsteht eine bipolare Welt.

Entstehung einer bipolaren Welt wird durch erhöhtes Risiko eines militärischen Konflikts verschärft

Der Februar 2022 könnte als entscheidender Moment in die Geschichte eingehen – ein Wendepunkt, an dem die Welt begann, sich zwischen dem Westen – demokratischen Ländern unter Führung der USA und ihrer Verbündeten – und dem autokratischen Osten unter Führung von China und Russland aufzuspalten1 . Unserer Ansicht nach sind die Spannungen jedoch seit Jahren gewachsen. Wir stehen vor einer Situation, in der China die Vormachtstellung des etablierten Hegemonen USA herausfordert. Chinas Ziel ist es, die globale Weltordnung in ein System umzustrukturieren, das die Bedeutung des Landes in der Welt besser widerspiegelt und stärker auf seine Werte eingestimmt ist. Die Geschichte legt nahe, dass jede geopolitische Situation, in welcher eine Vormachstellung infrage gestellt wird, instabil ist. Gleichzeitig nimmt der Populismus in den Demokratien zu, während autokratische Länder eine Machtkonzentration erleben. Beide Entwicklungen untergraben die globale Stabilität.

Strategische Asset Allocation auf Paradigmenwechsel ausrichten

Womöglich ist es für Anleger noch zu früh, den Kurs radikal zu ändern. Denn ein Dialog und Vereinbarungen auf der Grundlage gegenseitigen Respekts könnten positive Ergebnisse bringen. Allerdings sollte man zumindest beginnen, bei der strategischen Asset Allocation eine radikale Veränderung der Weltordnung einzuplanen. Es gibt eine Reihe von Warnzeichen, die an schwierige Zeiten erinnern. Das sollte nicht ignoriert werden. Was kann also getan werden? Anleger sollten die Situation weiterhin genau beobachten, um die Entwicklung beurteilen zu können. Wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Indikatoren sind dabei von entscheidender Bedeutung. So hat beispielsweise ein Anstieg der Militärausgaben in Verbindung mit einer Verringerung des wirtschaftlichen Austauschs zwischen den Ländern militärische Konflikte vorweggenommen. Ebenso führt eine Machtkonzentration ohne oder mit nur wenigen Anreizen für eine öffentliche Diskussion problematischer Themen (z.B. Meinungsfreiheit) zu Misswirtschaft und sozialen Unruhen.

Realwerte sollten bevorzugt werden

Wir sind der Meinung, dass aus langfristiger Anlegersicht der Hauptfokus darauf liegen sollte, herauszufinden, welche Arten von Vermögenswerten gut abschneiden und welche im Falle eines Paradigmenwechsels negativ beeinflusst würden. Unserer Ansicht nach sollten Realwerte wie Rohstoffe, Gold, inflationsgebundene Anleihen, ausgewählte Immobilien und Aktien bevorzugt werden. Multinationale Unternehmen wären nachteilig betroffen, während Unternehmen mit Inlandsfokus von der Deglobalisierung profitieren würden. Schuldverschreibungen (Bills) und Anleihen sollten gänzlich gemieden werden, da die Regierungen ihre Probleme tendenziell durch Inflation lösen – je existenzieller die Situation, desto höher die Wahrscheinlichkeit. Seit den 1900er-Jahren führten Phasen, die durch Finanzrepression2 gekennzeichnet waren, zu einer positiven Performance von realwertbelegtem Eigenkapital und negativen Nominalanleihen (siehe Abbildung 2).

Schließlich sollten Anleger entscheiden, wann es Zeit ist, den Kurs zu ändern. Dies sollte auf Wahrscheinlichkeitsbasis erfolgen und die historische Entwicklung sowie die Risikoprämien für alle Vermögenswerte mitberücksichtigen. Abhängig von den Bewertungen, wie etwa den Risikoprämien, können sich einige Risiken trotz der schwierigen Situation lohnen. Im Gegensatz dazu sollten andere Anlageklassen möglicherweise gänzlich gemieden werden, weil die Risikoprämien den Paradigmenwechsel nicht widerspiegeln. Als Einzelpersonen und verantwortliche Institutionen müssen wir handeln und uns auf ein möglichst friedliches Ergebnis der aktuellen Konflikte vorbereiten. Gleichzeitig sollten wir mit der Planung des richtigen Anlagemix beginnen, der darauf abzielt, unsere Portfolios vor den negativen Folgen der Entfaltung der Deglobalisierung und einer bipolaren Welt zu schützen.

Alexandre Bouchardy, Head of Investment Strategy bei Credit Suisse Asset Management

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