Die US-Notenbank (Fed) hat ihr Anleihenaufkaufprogramm (die quantitative Lockerung) genau wie angekündigt beendet und gleichzeitig erneut erklärt, dass die erste Zinserhöhung noch in ferner Zukunft liegt. Am anderen Ende des geldpolitischen Spektrums hat die Bank von Japan entschieden, ihr bereits zuvor aggressives Anleihenankaufprogramm auszuweiten. Zwischen diesen beiden Extremen liegt die Europäische Zentralbank, die die quantitative Lockerung bisher lediglich im Munde führt. Verantwortlich hierfür sind die schwierigen Entscheidungswege und die unterschiedlichen wirtschaftlichen Rahmendaten der Mitgliedsstaaten, die entsprechend unterschiedliche Meinungen vertreten.
Die Fed benötigt die quantitative Lockerung nicht mehr und die EZB benötigt sie noch nicht, zumindest wenn ihr Hauptziel darin liegt, die Kreditkosten niedrig zu halten, denn die Anleihenrenditen liegen in den meisten Ländern auf Rekordtiefs. Die Anleihen- und Aktienmärkte haben zudem nur verhalten auf die Fed-Entscheidung reagiert. Allerdings könnte die EZB mehr tun, unter anderem um nach dem Muster der Bank von Japan den Außenwert des Euro gegenüber dem Dollar und anderen Währungen zu senken und so die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern und eine ausgewachsene Deflation zu vermeiden.
Die schwedische Riksbank hat alle Register gezogen und die Zinsen auf Null gesetzt, vor allem weil das Inflationsziel nach wie vor in weiter Ferne liegt. Brasilien seinerseits erhöhte nach der Wiederwahl von Dilma Rousseff in das Präsidentenamt die Zinsen, genauso wie Russland, das den Abwärtstrend des Rubels stoppen wollte. Einige der anderen Schwellenländer senkten die Zinsen.
Die Anleihenrenditen gaben im Oktober überall leicht nach. Die Aktienmärkte waren sehr volatil, schlossen aber zumeist im Plus. Der Dollar wertete auf, und die norwegische sowie die schwedische Krone werteten ab.
Erwähnenswert ist auch, dass der Ölpreis in USD von Mitte Juli bis Mitte Oktober um etwa 25% gefallen ist. Dadurch werden vor allem Einkünfte von den Ölproduzenten/Exporteuren auf die Ölverbraucher/Importeure umverteilt. Der Nettoeffekt für die Weltwirtschaft ist dennoch positiv, nicht zuletzt weil letztere zusätzliche Mittel tendenziell ausgeben, während erstere die Einkünfte bei steigenden Ölpreisen tendenziell horten. Aktuell wird der Transfer auf annualisiert 1 Billion US-Dollar beziffert (Economist, 25. Oktober).
Die US-Wirtschaft wuchs im vergangenen Quartal nach ersten Schätzungen erneut über dem Trend. Nach 4,6% im zweiten Quartal legte sie im dritten Quartal um 3,5% zu. Einen Abschwächungstrend begründet die Verlangsamung zwischen den beiden genannten Quartalen vermutlich nicht. Tatsächlich trifft wohl eher das Gegenteil zu, zumindest aber ist die Wirtschaft nach wie vor stark. Die besonders hohe Wachstumsrate im zweiten Quartal war die zwangsläufige und temporäre Folge der Flaute im ersten, ungewöhnlich kalten Quartal, als die offiziellen Zahlen eine regelrechte Schrumpfung der Wirtschaft zeigten. Das Beschäftigungswachstum ist relativ robust. Die Arbeitslosigkeit sinkt stetig und betrug im September 5,9%. Die Inflation bleibt nach dem von der Zentralbank bevorzugten Maß bei niedrigen 1,5%. Auch die Löhne steigen lediglich moderat, und die sinkenden Preise für Öl und andere Rohstoffe sollten die Inflation auf kurze Sicht weiter senken.
Künftig sollte die US-Wirtschaft wie allgemein erwartet um etwa 3% wachsen können. Möglich wird dies durch eine gute Dynamik, die expansive Geldpolitik und niedrige Anleihenzinsen, das Ende der restriktiven Fiskalpolitik und positive strukturelle Faktoren wie die Erholung des Häusermarktes und der starke Anstieg der Gas- und Ölproduktion. Dadurch bewegt sich die Arbeitslosenquote allmählich in Richtung der Fed-Zielmarke. Das Ende der quantitativen Lockerung ist daher nur logisch, und die erste Zinserhöhung könnte in der zweiten Jahreshälfte 2015 erfolgen. Derzeit hat es den Anschein, als könnte die Fed maßvoll vorgehen.
Die japanische Wirtschaft wuchs im ersten Quartal im Vorfeld der Umsatzsteuererhöhung im April sehr stark und gab im zweiten Quartal ebenso stark nach. Danach waren die Konjunkturdaten uneinheitlich. Die Bank von Japan ist offenbar nicht zufrieden, denn sie hat aggressivere Lockerungsmaßnahmen angekündigt, wodurch der Yen sofort gesunken und der Aktienmarkt in Tokio gestiegen ist.
China ist im dritten Quartal laut offiziellen Angaben weiter stark gewachsen (7,3% ggü. VJ.) Die Privatwirtschaft allerdings schätzt das Wachstum generell geringer ein und erwartet eine weitere, wenn auch maßvolle Verlangsamung. Die Inflation ist auf 1,6% gefallen. Die anderen BRIC-Länder haben jedes auf seine Art zu kämpfen. Russland leidet stark unter den sinkenden Ölpreisen, die das schwache Wachstum und die hohe Inflation noch problematischer machen. Die wiedergewählte brasilianische Präsidentin wird sich einiges einfallen lassen müssen, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Indien kämpft immer noch mit zu hoher Inflation, gehört aber zu den großen Nutznießern des niedrigeren Ölpreises, und die Erwartungen an die Modi-Regierung bleiben ungebrochen.
Für den Euroraum wurden im September und Anfang Oktober schwache Konjunkturdaten und pessimistische Umfrageergebnisse besonders aus dem bisher wachstumsstarken Deutschland veröffentlicht. Sie erklären vermutlich einen Großteil der drastischen Korrektur an den globalen Aktienmärkten seit Mitte Oktober. Danach signalisierten die Umfragen eine Stabilisierung, und die europäischen Aktienmärkte legten ebenfalls wieder zu. Die Inflation und die Arbeitslosenquote sind unverändert. Erstere ist zu niedrig und letztere zu hoch. Die meisten Beobachter rechnen für nächstes Jahr mit einem realen Wachstum von 1,2%. Das ist machbar, aber nur unter Vorbehalt. Die geldpolitischen Maßnahmen nicht umfangreich genug, um wirklich etwas auszurichten, werden aber trotzdem von speziellen Interessengruppen bekämpft. Insgesamt gesehen bewegt sich die Wirtschaft gefährlich nahe am Rand der Deflation, wodurch die hohen Schulden nur schwer zu bewältigen sind.
Die Auswirkungen der Nullzinspolitik der Riksbank sind vermutlich uneinheitlich. Die (heute seit Jahresbeginn gegenüber dem Dollar um fast 15%) günstigere Krone stellt die Wettbewerbsfähigkeit wieder her. Gleichzeitig sind die Häuserpreise wieder (zu?) hoch. Die Zentralbank hat dieses schwierige Thema der neuen Regierung übertragen, aber bisher wurden keine neuen Maßnahmen angekündigt. Der neue Vorschlagshaushalt ist etwas „linkslastiger“, eine drastische Abkehr von der bisherigen Politik ist aber nicht zu erkennen. Das Budget geht für 2015 und 2016 von einem realen Wachstum von etwa 3% aus und ist damit etwas optimistischer, als die Mehrzahl der Prognosen.