„Die Aktienmärkte sind zu Beginn des Jahres 2022 nervöser geworden, wie es von Zeit zu Zeit vorkommt. „Wir sehen die Auswirkungen der Corona-Maßnahmen an den Märkten", erklärt Knut Hellandsvik, Leiter Aktien bei DNB Asset Management. „Wir hatten bereits sehr niedrige Zinssätze, aber aufgrund der umfassenden Corona-Beschränkungen bestand die Lösung in noch niedrigeren Zinssätzen und einer Vielzahl geld- und fiskalpolitischer Anreize“, so Hellandsvik. Damit hätten viele Privatpersonen plötzlich sowohl einen sicheren Arbeitsplatz als auch eine Menge zusätzliches Geld in der Hand.
Unternehmen, die von der Pandemie profitieren wie zum Beispiel Netflix, Zoom und Peloton, verzeichneten 2020 einen Kursanstieg. 2021 folgte dann aber wieder eine Kehrtwende. Es gab zwar einige Ausnahmen, aber die FAAMG-Aktien schnitten in beiden Jahren überwiegend gut ab, fährt er fort.
Pandemie-Spekulation und Investitionsboom
Hellandsvik weist darauf hin, dass es viele Anzeichen dafür gibt, dass wir eine extreme Risikobereitschaft erlebt haben. „Es gab eine Rekordzahl neuer Investoren, Rekordeinlagen in Fonds, und es gab keinen Mangel an Investoren an den Kryptomärkten“, berichtet Hellandsvik. Nicht nur auf den Finanzmärkten sorgte die überschüssige Liquidität für Bewegung. Die hohe Kaufkraft der Verbraucher führte zu einem raschen Anstieg des Konsums, so dass es zeitweise zu einer Verknappung von Holz bis hin zu Computerchips kam. Gleichzeitig kam es aufgrund der Pandemie zu Produktions- und Lieferproblemen. Dies führte zu einem Anstieg der Preise.
Meme-Aktien sind stark gefallen
Die Öl- und Gaspreise sind hoch, ebenso die Emissionsquoten, und die Unternehmen melden einen Mangel an Arbeitskräften. Die Zentralbanken sind aggressiver, als viele im Voraus gedacht haben, die Konjunkturmaßnahmen werden zurückgefahren und die Zinssätze sind in Bewegung geraten. Erhöhte Zinssätze sind keine gute Nachricht für Unternehmen, deren Cashflow weit in die Zukunft reicht, so Hellandsvik. Ein Beispiel aus seinter Sicht sind die so genannten Meme-Aktien, vielleicht das Symbol des Spekulationsbooms schlechthin, die um 70 bis 80 Prozent stark gefallen sind.
Die alte Wirtschaft kehrt zurück
Zu den Gewinnern gehörten im vergangenen Jahr große Qualitätsunternehmen, darunter die amerikanische FAAMG. In der nordischen Region zählte das dänische Pharmaunternehmen Novo Nordisk mit einem Plus von 72 Prozent zu den Gewinnern des Jahres. Viele dieser Qualitätsunternehmen haben in diesem Jahr einen Dämpfer bekommen, es könnte "die Rache der Old Economy" sein. In den Bereichen Energie, Bergbau und Rohstoffe sei zu wenig investiert worden. Aufgrund der hohen Nachfrage und der hohen Rohstoffpreise sind diese Unternehmen inzwischen sehr rentabel.
Nach seiner Prognose könnte der europäische Aktienmarkt den amerikanischen übertreffen. Warum? Das vergangene Jahrzehnt war geprägt von sinkenden Zinssätzen und starken Renditen bei Wachstumswerten. In den Markt, in den wir jetzt eintreten, mit seinen höheren Zinsen und hohen Rohstoffpreisen passt Europa mit einem relativ hohen Anteil dieser "Old Economy"-Unternehmen besser hinein. Außerdem hat Europa einen höheren Anteil an Finanzaktien, die im Allgemeinen von höheren Zinsen profitieren.
Nervosität, Geopolitik und Zentralbanken
Die Märkte sind sehr nervös, was sich in den täglichen Schwankungen widerspiegelt. „Optimisten und Pessimisten streiten sich im Laufe des Tages“, so Hellandsvik. Die gute Nachricht ist, dass die Quartalsberichte recht positiv zu sein scheinen, die Verbraucher viel Geld zur Verfügung haben, dass die Arbeitslosigkeit niedrig ist und die Kreditmärkte gut dastehen.
Auf der negativen Seite sieht er die hohe Inflation und die daraus resultierende Straffung durch die Zentralbanken. Ein großer Teil der gegenwärtigen Inflation ist wahrscheinlich vorübergehend. Wichtig ist aber das ansteigende Lohnniveauzu beobachten. Vor allem in den USA sind viele während der Pandemie in den Vorruhestand gegangen . Zusätzlich gibt es viele junge Menschen, die noch nicht auf den Arbeitsmarkt zurückgekehrt sind, so Hellandsvik weiter.
Auch geopolitische Risiken sind wieder aufgetaucht, wobei die Situation zwischen Russland und der Ukraine am prekärsten ist.