Die nordischen Länder weisen zwar die gleiche sektorale Zusammensetzung auf wie das übrige Europa, aber auf lange Sicht haben sie den Rest des Kontinents in den Schatten gestellt. Viele ausländische Investoren betrachten den skandinavischen Markt als eine Art „Gewürz“ in ihrem Portfolio. Denn nordische Aktien bieten die höchsten Durchschnittsrenditen in Europa und stellen insbesondere mit Blick auf den bevorstehenden Zinssenkungszyklus eine attraktive Anlageoption dar. Angesichts des deutlich höheren Anteils variabel verzinster Hypotheken in den nordischen Ländern gehen wir davon aus, dass die Erholung des real verfügbaren Einkommens und des BIP in der Region deutlich stärker ausfallen wird, wenn der Zinssenkungszyklus an Fahrt gewinnt. Die Bewertung der Region entspricht in etwa dem historischen Durchschnitt, was einen günstigen Einstiegszeitpunkt für die in den kommenden Jahren zu erwartende relative Outperformance darstellen dürfte.
Zealand Pharma könnte zum Mini-Novo werden
Im Hinblick auf interessante Einzelunternehmen sticht die Pharmabranche hervor. Hier boomt der Markt für Abnehmspritzen. Praktisch aus dem Nichts entstanden hat der Markt Experten zufolge weltweit das Potenzial, einen Umsatz von 130 bis 140 Milliarden Dollar zu erreichen. Die Nachfrage ist riesig, Adipositas-Spritzen sind das iPhone der Pharmabranche. Branchenführer Novo Nordisk ist zum wertvollsten Unternehmen Europas avanciert und verfügt zusammen mit Eli Lilly über einen Marktanteil zwischen 80 und 90 Prozent. Sie sind die Pioniere in diesem Markt – und der Konkurrenz fünf Jahre voraus. Der Fettweg-Boom befeuert auch die Biotechnologie. Zealand Pharma etwa könnte zum Mini-Novo werden. Die Dänen konzentrieren sich ebenfalls auf Diabetes und Adipositas, sind aber in einer lukrativen Nische tätig und stehen damit nicht in direkter Konkurrenz zu den Produkten von Novo Nordisk. Zealand Pharma, das sich bereits auf Magen-Darm- und Stoffwechselerkrankungen (die mit Ernährung und Gewicht zusammenhängen) spezialisiert, hat mit der Entwicklung von Alternativen zu den mittlerweile berühmten Ozempic, Wegovy und Mounjaro begonnen.
Gute Investitionschancen bietet auch der Trend, Wertschöpfungsketten so weit wie möglich in die eigene Region zu verlagern. Immer mehr Komponenten werden als strategisch wichtig angesehen und in benachbarten Märkten produziert. Dies sollte skandinavischen Unternehmen wie der Konecranes aus Finnland zugutekommen, die mit chinesischen Lieferanten konkurrieren. Profitieren dürften auch Auftragsfertiger von Elektronikbauteilen wie die norwegische Kitron ASA oder die schwedische Note AB.
Die Reindustrialisierung der westlichen Welt spielt dem wichtigsten Teil des nordischen Universums in die Hände. Dies gilt insbesondere für schwedische Industrieunternehmen, die in vielen Bereichen weltweit führend sind. Beispiele sind Atlas Copco und Alfa Laval. Erstere bietet Kompressoren, Vakuumlösungen, Generatoren, Elektrowerkzeuge und Montagesysteme an, während der Maschinenbauer Alfa Laval in den Bereichen Energie, Umwelt und Lebensmittel tätig ist.
Schwedisches Datenschutz-Unternehmen in den USA erfolgreich
Ein weiterer Trend, den Anleger im Auge behalten sollten, ist die stetig steigende Nachfrage nach der Sicherheit für Daten. Gerade vor dem Hintergrund zunehmender geopolitischer Spannungen werden die Anforderungen an den Datenschutz immer wichtiger. Zudem nimmt die Zahl der Cyberangriffe rapide zu. Hier bietet Yubico Lösungen an. Mit dem Yubikey hat das schwedische Unternehmen einen Sicherheitsschlüssel entwickelt, der höchsten Anforderungen für sichere Authentifizierungen erfüllt. Die YubiKey Bio Serie etwa unterstützt die biometrische Authentifizierung mit Fingerabdruckerkennung für das Anmelden ohne Kennwort. Yubico wächst schnell und verkauft seine Produkte bereits an über 30 Prozent der 500 umsatzstärksten Unternehmen der Vereinigten Staaten.
In Bezug auf künstliche Intelligenz (KI) liegen die nordischen Länder zwar etwas hinter den USA zurück. Im Gegenzug haben sie Zugang zu traditioneller und grüner Energie, die für die effektive Nutzung von KI unerlässlich ist. Denn KI erfordert eine Vielzahl von Rechenzentren, die enorme Mengen an Strom benötigen. Gewinner des Booms sind in diesem Zusammenhang nicht zuletzt Firmen wie die schwedisch-schweizerische ABB, die alles liefern kann, was für den Anschluss eines Rechenzentrums ans Stromnetz erforderlich ist.
Die in Kopenhagen ansässige NKT wiederum partizipiert mit ihren Nieder-, Mittel- und Hochspannungskabeln am Aufstieg der künstlichen Intelligenz. Vielversprechend erscheint auch das Konzept der Munters Group. Ursprünglich lieferten die Schweden Entfeuchtungssysteme für die unterschiedlichsten Einsatzgebiete: von der Holzverarbeitung bis hin zu industriellen Anwendungen. Doch inzwischen hat sich Munters auf die Kühlung von Rechenzentren spezialisiert - ein großes Geschäft. Kürzlich übernahm man die italienische Geoclima, um die wachsende Nachfrage nach Luft- und Flüssigkeitskühlungen für Data Center bedienen zu können.
Von Andreas Bertheussen und Oyvind Fjell, Portfoliomanager bei DNB Asset Management