Während etablierte Autohersteller mit rückläufigen Absatzzahlen und wachsendem Preisdruck aus China kämpfen, setzt Tesla auf den nächsten großen Technologiesprung: das Robotaxi. Schon im Juni soll in Austin, Texas, der erste Prototyp vorgestellt werden. Es wäre der Auftakt zu einem Geschäftsmodell, dass das Auto nicht länger als Produkt, sondern als Dienstleistung begreift – mit weitreichenden Folgen für Märkte, Mobilität und Investoren.
Die Pläne sind ambitioniert. Tesla will das Modell Y mit sogenannter Hardware 4 – einer neuen Onboard-Computerplattform – zu einem vollautonomen Taxi aufrüsten. Bis 2030 könnte laut unternehmensnaher Schätzungen eine Flotte von bis zu vier Millionen Robotaxis auf den Straßen unterwegs sein. Das würde einen Paradigmenwechsel einläuten: weg vom Privatbesitz hin zu Mobilität als Dienstleistung.
Technologisch basiert das System auf einem kamera-basierten Ansatz ohne LiDAR. Während viele Experten Zweifel äußern, verweist Tesla auf Fortschritte im maschinellen Lernen und auf ein Netzwerk von weltweit über fünf Millionen Fahrzeugen, die täglich Trainingsdaten liefern. Die Verarbeitung erfolgt auf der unternehmenseigenen Supercomputer-Plattform mit rund 50.000 NVIDIA H100-Chips – der derzeit leistungsstärksten KI-Infrastruktur eines Autoherstellers.
Entscheidend für die Skalierung ist die Produktionskapazität. Tesla plant nach eigenen Angaben, ein Robotaxi alle fünf Sekunden vom Band laufen zu lassen – das entspricht einer Jahreskapazität von 1,6 Millionen Einheiten im Drei-Schicht-Betrieb. Zum Vergleich: Die modernsten Produktionslinien chinesischer Hersteller benötigen aktuell rund 35 Sekunden pro Fahrzeug.
Finanziell könnte das neue Geschäftsmodell hohe Renditen liefern. Ein Robotaxi, das wie ein US-amerikanischer Uber-Fahrer jährlich 35.000 Meilen fährt, würde nach Berechnungen von Investoren eine Kapitalrendite von über 100 % erzielen. Bei einer erfolgreichen Einführung rechnen einige Marktbeobachter mit einem freien Cashflow von 25 bis 27 US-Dollar je Aktie bis 2030 – was bei einem typischen Bewertungsmultiplikator zu Kurszielen von deutlich über 2.000 US-Dollar führen könnte.
Disruption aus dem All
Doch die wahre Disruption könnte aus einer ganz anderen Richtung kommen – aus dem All. Denn parallel zur Entwicklung autonomer Fahrzeuge vollzieht sich im Mobilfunksektor ein ebenso fundamentaler Wandel: die Verlagerung von Basisstationen in den Orbit.
Neue Anbieter setzen auf sogenannte Direct-to-Device-Konzepte via LEO-Satelliten (Low Earth Orbit), die es ermöglichen, herkömmliche Smartphones ohne Hardwaremodifikationen direkt mit dem Satellitennetz zu verbinden. Eine Schlüsselrolle spielen dabei riesige Satelliten mit Antennensystemen, die anstelle von Mobilfunkmasten in Höhen von rund 500 bis 1.000 Kilometern operieren. Tests in Europa – etwa mit Vodafone in Wales – haben gezeigt, dass selbst Videoanrufe in bisher nicht versorgten Regionen erfolgreich durchgeführt werden können.
Weltweit leben laut ITU rund 2,5 Milliarden Menschen in Gebieten ohne stabile Netzabdeckung. Um diese „unconnected“ Bevölkerung zu erreichen, plant ein führender Anbieter, seine bestehende Konstellation von fünf auf bis zu 60 aktive Satelliten auszubauen – mit globaler Netzabdeckung ab Mitte 2026. Die Satelliten sollen künftig über spezialisierte ASIC-Chips verfügen, gefertigt bei TSMC, mit einem zehnfach höheren Datendurchsatz als bisher.
Das Geschäftsmodell: Mobilfunkbetreiber wie AT&T vermarkten die Satellitendienste direkt an ihre Kunden – für rund 10 bis 15 US-Dollar monatlich. Die Umsätze werden im Revenue-Share-Modell 50:50 zwischen Satellitenbetreiber und Netzbetreiber geteilt. Prognosen zufolge könnten bis 2030 rund 50 Millionen Nutzer weltweit auf diesen Dienst zugreifen – bei einem Kundenwert von rund 120 bis 180 Dollar jährlich. Bereits 10 Millionen Nutzer würden für ein nachhaltiges Geschäftsmodell ausreichen.
Auch geopolitisch rückt das Thema in den Fokus. In Europa gibt es Pläne, eine eigene LEO-Satellitenkonstellation für militärische und sicherheitskritische Kommunikation aufzubauen – mit einem Budgetrahmen von bis zu 10 Milliarden Euro. Deutsche Rüstungsplanungen sehen bereits ein eigenes Netz vor. Parallel investieren Technologieunternehmen wie Google Milliardenbeträge in satellitengestützte Infrastruktur, um digitale Dienste auch in Afrika und abgelegenen Regionen Asiens anzubieten.
Für klassische Mobilfunkinfrastrukturhersteller wie Ericsson oder Nokia könnte sich dieser Trend als zweischneidig erweisen. Während der Bedarf an terrestrischen Masten in ländlichen Regionen zurückgehen dürfte, ergeben sich neue Geschäftsfelder im Bereich Bodenstationen und Satelliten-Backhaul.
In Summe zeigt sich: Die Grenze zwischen Technologie- und Infrastrukturkonzernen verschwimmt zusehends. Tesla könnte mit Robotaxis eine neue Mobilitätsära einläuten, während satellitengestützter Mobilfunk den Zugang zur digitalen Welt neu definiert. Beide Entwicklungen basieren auf Skalierung, KI und massiver Rechenleistung. Und beide könnten – wenn sie erfolgreich verlaufen – nicht nur bestehende Geschäftsmodelle überholen, sondern auch völlig neue Märkte schaffen.
Von Audun Wickstrand Iversen, Portfoliomanager bei DNB Asset Management