Menschen kaufen online ein, bezahlen mit Bonussammel-Karten, tracken ihre Sportaktivitäten und erfassen jeden ihrer Schritte. Neben vernetzten Geräten wie Smartphones erzeugen auch Stromzähler, Überwachungskameras oder Autos mit Navigationssystemen – um nur eine Auswahl zu nennen – ständig Daten. Diese enormen Mengen können nur mit Hilfe von Methoden aus der Künstlichen Intelligenz (KI) effizient strukturiert, aufbereitet und ausgewertet werden. Im Ergebnis können Marketingstrategen zum Beispiel zielgerichteter werben oder Krankenversicherungen ihren Beitrag am Fitnessstand ihres Kunden bemessen.
Eine neue Datenqualität
Big Data eröffnet auch für die Kapitalmarktanalyse eine neue Dimension. Börsen sind von einem Wettlauf um Informationen geprägt. Diejenigen, die exklusive Informationen haben, sind die Gewinner, weil sie auf dieses Wissen handeln können. Das ist nicht neu – doch es erreicht im digitalen Zeitalter eine neue Qualität. Die Datenwelt um uns herum ist zweifellos eine andere geworden. Schließlich wächst die Menge an verfügbaren Daten enorm. In einer Studie wurde ermittelt, dass sich der Datenverkehr im Internet von 2016 bis zum Jahr 2021 fast verdreifachen wird. Außerdem sind die Daten meist schneller verfügbar. Und es gibt solche, die es früher nicht gab, wie zum Beispiel Likes in den sozialen Medien.
Aber wie kann die Datenflut den Investmentprozess voranbringen? Dazu ein paar Beispiele: Auf Zahlen zum Konsum muss der Analyst nicht mehr warten, bis sie von einem offiziellen Statistikamt erhoben und kommuniziert werden. Suchanfragen im Internet liefern heute quasi in Echtzeit Indikationen zum Konsumverhalten. Wenn eine Zeitreihe von Satellitenbildern beispielsweise zeigt, dass im zweiten Quartal mehr Leute auf den Parkplätzen einer Supermarktkette geparkt haben als noch im Vorjahresquartal, könnte das für einen steigenden Umsatz sprechen – bevor die Quartalszahlen veröffentlicht sind. Ebenso kann der Portfoliomanager bei einer steigenden Anzahl von Suchanfragen für Autoversicherungen auf einen anziehenden Absatz der Automobilfirmen schließen – noch bevor er dazu genaue Zahlen hat. Und wenn die Posts über ein Unternehmen in den sozialen Medien zunehmend negativ werden, könnte das Aktienverkäufe in den kommenden Wochen bedeuten. Erkenntnisse dieser Art kann man bei der Investmententscheidung nutzen – noch bevor es alle anderen Marktteilnehmer tun – wenn man denn zeitnah über die entsprechenden Erkenntnisse verfügt.
Union Investment baut Smart Data-Kompetenz aus
Die Nutzung von Daten wird für die Wettbewerbsfähigkeit eines Asset Managers immer mehr an Bedeutung gewinnen. Union Investment hat sich deshalb auf den Weg gemacht und baut seine Kompetenz mit einem eigenen Team aus Statistikern und IT-Spezialisten aus. Dabei ist für die Experten klar: „Smart Data statt Big Data“, lautet das Motto. Denn es geht um die intelligente Nutzung neuer Datenmöglichkeiten. Im Informationswettlauf gilt es nicht nur, die richtigen Daten zu haben, sondern auch die besten Erkenntnisse daraus zu ziehen und diese effizient in der Entscheidungsfindung zu nutzen.
Gestartet ist die Smart Data Offensive mit der Analyse von sogenannten Textmining-Daten, welche Meinungen und Stimmungen aus öffentlichen und sozialen Medien quantifizieren. Die Experten von Union Investment arbeiten in diesem Feld mit MarketPsych, einem führenden Datenanbieter, zusammen. Pro Tag werten Linguisten und Computerwissenschaftler bei MarketPsych rund zwei Millionen englischsprachige Artikel aus Quellen wie Reuters, Twitter oder Blogs aus. Bei der Sortierung und automatisierten Bewertung der Texte helfen Methoden aus der Künstlichen Intelligenz. Sie bringen die Daten in ein strukturiertes Format. Es entstehen mehr als 400.000 minütlich aktualisierte Zeitreihen, welche nach unterschiedlichen Kriterien Texte mit Bezug auf Aktien, Währungen oder Rohstoffe kategorisieren.
Auf die Datenanalyse kommt es an
Für die Spezialisten von Union Investment beginnt dann die eigentliche Arbeit: Wie kann aus der enormen Datenmenge ein konkreter Nutzen für die Anlageentscheidung abgeleitet werden? Ein Beispiel sind automatisierte Weltkarten mit Warnhinweisen für potenzielle geopolitische Krisenherde. Die selbstprogrammierten Analysen schlagen immer dann Alarm, wenn in sozialen Medien oder auf Nachrichtenseiten Wörter wie „Protest“, „Gewalt“ oder „Korruption“ in Verbindung mit einem Land gehäuft auftreten. Diese Informationen helfen den Portfoliomanagern einerseits dabei, die Anlagechancen und -risiken in einer bestimmten Region noch umfassender bewerten zu können. Andererseits zeigen sie umgehend an, wenn sich etwas ändert.
Ähnliches können die Experten auch auf Unternehmensebene darstellen: Wo sind Entlassungen oder Umstrukturierungen im Gespräch? Und wo wird über eine Pleite spekuliert? Auf all diese Fragen liefern die Textmining-Daten Antworten.
Eine große Herausforderung ist die Entscheidung, welche Informationen überhaupt für den eigenen Investmentprozess relevant sind. Denn nur weil man etwas erfassen kann, liefert es nicht automatisch einen Mehrwert. Im nächsten Schritt geht es deshalb darum, den systematischen Informationsgehalt von Daten hinsichtlich konkreter Preisbewegungen an den Kapitalmärkten zu identifizieren und wiederkehrende Muster gezielt zu nutzen. Hierbei kommt es nicht nur auf die Daten an, sondern vor allem auf die Analyse durch die Experten – Kreativität ist gefragt. Daran wird deutlich, wie wichtig es ist, dass kompetente Experten die Analysen steuern. Künstlichen Intelligenz kann entscheidend helfen, große Datenmengen zu strukturieren und zu bewerten, was aber wie ausgewertet wird, muss der Mensch vorgeben. Und es ist auch seine unverzichtbare Aufgabe, die gewonnenen Erkenntnisse geeignet in die Anlageentscheidungen einfließen zu lassen.
Wichtiger Zukunftspfeiler
Smart Data Analysen werden den Investmentprozess bei Union Investment, neben der traditionellen Analyse, um eine weitere Dimension anreichern. Das gilt es auszubauen, soviel ist klar. Die gestartete Offensive ist hochgradig innovativ und versteht sich deshalb sehr ergebnisoffen. Es gibt nicht nur viele potenziell interessante Daten, sondern auch eine Vielzahl methodischer Möglichkeiten in der Analyse. Zudem ändern sich die Wirkungszusammenhänge an den Kapitalmärkten erfahrungsgemäß häufig. Intensive Analysen müssen deshalb zeigen, welcher Mehrwert wann in welchen Datentypen steckt.
In welcher Weise die durch Smart Data gewonnenen Erkenntnisse in den Investmentprozess integriert werden können und welche Bedeutung sie in der Entscheidungsfindung haben werden, wird sich in den kommenden Jahren zeigen. Entscheidend ist es, bei diesem richtungsweisenden Thema früh auf dem Weg zu sein, um im Daten-Wettlauf nicht in Rückstand zu geraten.
Schon gewusst?
Künstliche Intelligenz (KI)
Künstliche Intelligenz bezeichnet den Versuch, menschenähnliche Intelligenz nachzubilden. Das bedeutet, einen Roboter zu bauen oder einen Computer zu programmieren, der selbständig Probleme lösen und seine Handlung aufgrund von Erfahrungen anpassen kann. Die KI ist ein Teilgebiet der Informatik. Schon heute begegnet uns im Alltag KI. Der Roboter-Rasenmäher, der die Rasenfläche hinter dem Haus eigenständig mähen kann. Der Kühlschrank, der die Milchbestellung aufgibt, bevor der letzte Schluck getrunken ist. Oder die selbstfahrenden Autos, die neben vollautomatischen Einparkhilfen, wie es sie heute schon gibt, irgendwann Ampeln überflüssig machen sollen. Sie können perspektivisch die Geschwindigkeit der Fahrzeuge so anpassen, dass der Verkehr optimal fließen kann.