Seit Donnerstagnachmittag ist es amtlich: US-Präsident Trump hat eine Direktive unterzeichnet, wonach ein Importzoll von 25 Prozent auf Stahl und 10 Prozent auf Aluminium erhoben wird. Ausgenommen sind zunächst die beiden NAFTA-Partner Kanada und Mexiko, unter anderem, da das Freihandelsabkommen aktuell neu verhandelt wird. An den Kapitalmärkten wurden bereits die Ankündigungen mit Nervosität aufgenommen. Denn: Der möglichst freie internationale Warenaustausch stellt das Rückgrat der Globalisierung dar und ist daher ein unverzichtbarer Bestandteil des Weltwirtschaftssystems. Je ungestörter der grenzüberschreitende Fluss von Waren und Dienstleistungen, umso höher fallen Wachstum, Beschäftigung und Wohlstand aus – und zwar in allen an dem System teilnehmenden Nationen.
Gefahr eines Aufschaukelns
Dabei ist die Höhe der Einfuhrzölle als solche nicht das Problem. Die angepeilten Zollaufschläge würden sich nicht einmal auf zehn Milliarden US-Dollar summieren – ein Betrag, der angesichts der Größe des US-Wirtschaftsraumes kaum ins Gewicht fällt: Die Vereinigten Staaten importieren jährlich Güter im Wert von rund 2,4 Billionen US-Dollar, das heißt Stahl und Aluminium sind nur für etwas mehr als zwei Prozent der Einfuhren (etwa 0,2 Prozent des US-BIP) verantwortlich.
Die größte Gefahr für Weltwirtschaft und Kapitalmärkte liegt aus unserer Sicht vielmehr in möglichen Vergeltungsmaßnahmen der betroffenen Länder. Sollten die EU, Kanada oder Brasilien sich zu einem Gegenschlag hinreißen lassen, wäre ein Aufschaukeln bis hin zum Handelskrieg möglich. Erste öffentliche Äußerungen – zum Beispiel aus der EU-Kommission – lassen eine entsprechende Entwicklung befürchten. So haben die Europäer beispielsweise schon angekündigt, Motorräder und Whiskey mit Strafzöllen zu belegen.
Kanada, Brasilien und Südkorea am stärksten betroffen
In der öffentlichen Debatte heißt es häufig zu Unrecht, dass sich Trumps Stahl-Protektionismus vor allem gegen Peking richtet. Zwar ist richtig, dass China größter Stahlproduzent der Welt ist – allerdings ist es auch der größte Stahlkonsument. Der Anteil Chinas an allen US-Stahlimporten liegt bei gerade einmal zwei Prozent. Die größten Importeure sind Kanada (16 Prozent), Brasilien (14), Südkorea (10) und Mexiko (9). Deutschlands Anteil liegt bei gerade einmal vier Prozent. Bei Aluminium entfällt der mit Abstand größte Anteil (41 Prozent) auf Kanada, gefolgt von China und Russland. Von den aktuell im Raum stehenden Strafzöllen wären also vor allem kanadische, brasilianische und südkoreanische Stahlkocher betroffen. Die direkten Auswirkungen auf China oder Deutschland wären hingegen gering – so lange es bei den derzeitigen Maßnahmen bleibt.
Sektoral dürften vor allem die Margen der Elektronik- und der Fahrzeugindustrie sowie von Maschinenbau und Flugzeugherstellern in den USA durch etwas höhere Inputkosten betroffen sein. Starke Gewinneinbrüche erwarten wir aber nicht. Zur Einordnung: Das in Rede stehende Gesamtvolumen der Zölle summiert sich auf insgesamt weniger als 0,7 Prozent der Gewinne im S&P 500. Das heißt, selbst wenn die Belastungen nicht übergewälzt werden können, wäre der Druck auf die Gewinne der US-Unternehmen überschaubar.
NAFTA-Verhandlungen im Fokus
Für den Moment richtet sich nun der Fokus der Debatte auf die aktuell stattfindenden Verhandlungen zur Verlängerung des NAFTA-Abkommens. Es ist beileibe kein Zufall, dass die USA die Partner in der nordamerikanischen Freihandelszone fürs Erste von den Zöllen ausgenommen haben, will man die Anrainer doch damit zu einem vorteilhaften „Deal“ ködern.
Allerdings stehen bereits im Juli Präsidentschaftswahlen in Mexiko an, das heißt das Zeitfenster ist denkbar knapp. Hinzu kommt, dass in der mexikanischen Innenpolitik entsprechende Vorstöße der USA oft als „Erpressungsversuche“ interpretiert werden. Es ist insofern fraglich, ob das Kalkül der USA aufgeht – zumal die Vereinigten Staaten selbst als größter NAFTA-Profiteur gelten dürfen. Seit Schaffung der Freihandelszone sind nach Berechnungen der NAFTA insgesamt 40 Millionen Arbeitsplätze durch verstärkten wirtschaftlichen Austausch geschaffen worden, davon 25 Millionen in den USA. Das alles schränkt die Möglichkeiten einer „harten“ US-Verhandlungsposition stark ein.
Handelsbilanzdefizit vor allem gegenüber China und der EU
Ohnehin besteht ein Großteil des US-Handelsbilanzdefizits gegenüber China und der EU, wie Trump nicht müde wird zu betonen. Es liegt auf der Hand, dass der US-Präsident darin unter Umständen ein potenzielles Ziel für weitere Maßnahmen sehen könnte. Seine jüngsten Aussagen richten sich dabei insbesondere in Richtung der (deutschen) Autobauer. Allerdings ist auch hier die Realität komplizierter, als es auf den ersten Blick den Anschein hat.
So verschiffen Daimler, BMW & Co. nicht nur 555.000 PKW aus Deutschland nach Amerika, sondern produzieren auch weitere 854.000 Einheiten direkt in den USA. Mehr als die Hälfte dieser Wagen wird wiederum aus den Vereinigten Staaten ins Ausland exportiert – und verringert damit das US-Handelsdefizit. Je teurer die Stahlversorgung und komplizierter die Zulieferung von Einzelteilen aus internationalen Fabriken, umso weniger sinnvoll dürfte langfristig die Produktion in den US-Werken aus deutscher Sicht sein. Paradoxerweise könnte damit sogar ein Anstieg der US-Fahrzeugimporte aus Deutschland ein mögliches Resultat verschärften Protektionismus sein.
Verabschiedete Zölle verkraftbar, weitere Eskalation als Risikoszenario
Solange es also nicht zu weiteren Runden in der Auseinandersetzung kommt und eine Spirale gegenseitiger Vergeltungsschläge verhindert werden kann, sollte die Weltwirtschaft die jüngst verabschiedeten Zölle gut verkraften können. Eine Eskalation wäre hingegen sowohl für die USA als auch für den Rest der Welt keine gute Nachricht, denn jeder Handelskrieg kostet Wohlstand und Wachstum.
Das weiß man auch in Washington, wie die Protestwelle in der Republikanischen Partei zeigt. Insofern ist zu hoffen, dass an einer Verschärfung niemand ein Interesse hat. Auch die vorübergehenden Ausnahmeregelungen für Kanada und Mexiko können so interpretiert werden, dass die Amerikaner durchaus an einer Verhandlungslösung interessiert sind. Offenbar will man den Gesprächsfaden zur Verlängerung der NAFTA mit diesen beiden Ländern nicht abreißen lassen.
Fazit: Besonnen, aber mit Augenmerk agieren
Als Aktieninvestor sollte man die Entwicklung mit Argwohn betrachten. Denn gerade die großen Unternehmen profitieren vom Freihandel. Das gilt für deutsche Automobile im Übrigen kein Stück weniger als für IT-Produkte aus den Vereinigten Staaten. Und es ist keinesfalls so, als ob die Handelspartner sich nicht zu wehren wüssten. Denn bei aller Unwucht in der Leistungsbilanz: Die USA produzieren Exportgüter von immensem volkswirtschaftlichen Wert. Umso dramatischer könnte sich eine Zuspitzung auswirken: Ein Handelskrieg birgt die Gefahr, auch eine Wirtschaftsmacht wie die USA in die Rezession zu stürzen, denn die Zölle machen die Waren teurer, die Zinsen steigen und die wirtschaftliche Dynamik ebbt ab. Vor diesem Hintergrund wären im Falle der Eskalation zyklische Aktien mit Vorsicht zu genießen.
Für den Moment gibt es aber Anzeichen dafür, dass sich am Ende die wirtschaftspolitische Vernunft durchsetzen wird. Wir empfehlen Anlegern deshalb, Ruhe zu bewahren und nicht hektisch oder gar aktionistisch zu handeln. Das weltwirtschaftliche Umfeld ist derzeit so gut wie lange nicht – das stützt die Aktienmärkte. Für 2018 rechnen wir mit einem globalen Gewinnanstieg der Unternehmen von rund 15 Prozent. Damit ist gewinnseitig durchaus Potenzial für weitere Kursanstiege vorhanden. Die aktuellen Entwicklungen beobachten wir weiterhin eng und werden – falls erforderlich – situative Anpassungen sowohl in unserer Risikoausrichtung als auch in unserer Positionierung vornehmen.