Die Studie ging der Frage nach, welche Komponenten zum individuell wahrgenommenen Wohlstand beitragen. Einerseits wurde der materielle Wohlstand untersucht, gemessen über die Frage, inwiefern man sich leisten kann, was man haben möchte. Andererseits wurde betrachtet, welche Faktoren zum emotionalen Wohlstand und damit zum Wohlbefinden der Menschen beitragen – gemessen über die Frage nach der allgemeinen Lebenszufriedenheit. „Die Ergebnisse bestätigen, dass emotionaler und materieller Wohlstand wie zwei Seiten einer Medaille zusammengehören und sich daher kaum getrennt voneinander betrachten lassen“, sagt Hans Joachim Reinke, Vorstandsvorsitzender von Union Investment.
Die Studie zeigt, dass bei der Beurteilung der eigenen Lebenssituation materieller Wohlstand eine Rolle spielt, das Thema insgesamt aber umfassender ist: „Die Wohlstandsformel lautet: Es geht nicht nur um Besitz, Einkommen und Vermögen, sondern auch um das allgemeine Wohlbefinden, Lebensziele und was die Menschen antreibt, bestimmte Entscheidungen zu treffen“, so Reinke weiter.
Emotionaler Wohlstand: Was macht Menschen zufrieden?
Zufriedenheit ist häufig abhängig von verschiedenen Ereignissen mit einschneidender Bedeutung für die eigene Biographie. So sind unter anderem die Menschen am zufriedensten, die in den vergangenen zehn Jahren ein eigenes Haus oder eine eigene Wohnung gekauft haben. Bei ihnen liegt der Zufriedenheitswert bei 8,0 auf einer Skala von 0 bis 10. Wer in der vergangenen Dekade sein Wohneigentum abbezahlt hat, kommt auf 7,9. Den gleichen Wert erreichen diejenigen, die in diesem Zeitraum einen Karriereschritt nach oben gemacht haben. Auch die eigene Hochzeit in den vergangenen zehn Jahren verbessert den Zufriedenheitswert auf 7,8. Bemerkenswert: Am zufriedensten sind Menschen, die in den vergangenen zehn Jahren einen größeren Geldbetrag verschenkt haben. Sie bilden mit 8,2 den höchsten Wert auf der Zufriedenheitsskala unter biographischen Gesichtspunkten.
Großen Einfluss auf den emotionalen Wohlstand hat die Familie: Je größer der Haushalt ist, um so zufriedener sind die Menschen. In Haushalten mit vier oder mehr Personen, sagen fast zwei Drittel der Befragten (64 Prozent), dass sie zufrieden sind. Ihr Zufriedenheitswert liegt bei 7,7. Auch auf wichtige Lebensentscheidungen hat die Familie großen Einfluss. Für knapp drei Viertel der Befragten (72 Prozent) ist sie der größte Antrieb für Lebensentscheidungen, gefolgt von Beziehungen (52 Prozent) und Gemeinschaft (47 Prozent) – beides ebenfalls familiennahe Themen. „Die Ergebnisse zeigen, dass die Familie und das nahe familiäre Umfeld eindeutig den Mittelpunkt der Gesellschaft bilden. Was die Deutschen antreibt, orientiert sich an den nächsten Mitmenschen“, kommentiert Reinke.
Auch Bildung sorgt für hohe Werte. 70 Prozent der Deutschen mit einem Universitäts- bzw. FH-Abschluss sind mit ihrem Leben sehr zufrieden. Unter den Realschulabsolventen ist jeder Zweite zufrieden (50 Prozent/Skala 7,2). Unter denjenigen mit Hauptschulabschluss geben nur 41 Prozent an, dass sie sehr zufrieden sind (Skala 6,7). „Das Thema Bildung lässt sich nicht ganz vom Faktor Einkommen trennen. Dennoch deuten die Ergebnisse darauf hin, dass die Bildung unabhängig vom Einkommen einen Einfluss auf die Lebenszufriedenheit hat“, erklärt Oliver Krieg, Senior Director bei Kantar Emnid.
Erwartungsgemäß steigt die Lebenszufriedenheit der Befragten auch mit zunehmendem Einkommen und Vermögen. Wer monatlich nur bis zu 1.000 Euro Haushaltsnettoeinkommen zur Verfügung hat, kommt auf einen Zufriedenheitswert von 5,8. Bei einem verfügbaren Haushaltseinkommen von über 4.000 Euro liegt er bei 8,2. Wer frei verfügbare Gelder von über 100.000 Euro hat, kommt sogar auf einen Skalenwert von 8,4, dem höchsten Wert insgesamt. Diejenigen mit weniger als 10.000 Euro auf der hohen Kante erreichen hingegen nur 6,7.
Bemerkenswert ist, dass Sparer offensichtlich die zufriedeneren Menschen sind. Von den Befragten, die monatlich sparen, sind knapp zwei Drittel mit dem Leben insgesamt zufrieden (63 Prozent) – und zwar unabhängig davon, was sie verdienen. Ganz gleich ob geringes Einkommen, mittleres oder hohes Einkommen äußern Sparer eine größere Lebenszufriedenheit.
Wer mit seinem Leben zufrieden ist, spart durchschnittlich 481 Euro pro Monat. Das entspricht einer Sparquote von 14,6 Prozent. Alle anderen Sparer kommen auf eine Quote von 11,8 Prozent und legen 316 Euro monatlich beiseite. Hinzu kommt: Unzufriedene Menschen sparen häufig gar nicht. Fast zwei Drittel (61 Prozent) der Unzufriedenen sparen nicht. „Über alle Einkommensklassen hinweg sind Sparer zufriedener als Nichtsparer“, meint Krieg.
Materieller Wohlstand: Zufriedenheit plus Optimismus bei den finanziellen Möglichkeiten
Auch mit Blick auf ihre finanziellen Möglichkeiten sind die meisten Deutschen eher zufrieden. Immerhin jeder vierte Deutsche (26 Prozent) glaubt, dass er sich alles leisten kann, was er haben möchte. Noch nicht einmal jeder Zehnte (9 Prozent) gibt an, dass er sich im Moment nur das Nötigste leisten kann. Die größte Mehrheit (65 Prozent) ordnet sich zwischen diesen beiden Extremen ein. Allerdings gibt es hier eine auffällige Diskrepanz zwischen den ostdeutschen und den westdeutschen Bundesländern. Im Osten Deutschlands sagen beinahe doppelt so viele Befragte wie im Westen, dass sie sich nur das Nötigste leisten können (Ost: 14 Prozent, West: 8 Prozent).
Was macht unzufrieden?
Die größten Zufriedenheitskiller sind negative Lebensereignisse in den zurückliegenden zehn Jahren. Den stärksten Einfluss haben Themen, die in der Familie oder im persönlichen Umfeld für große Veränderungen oder Belastungen sorgen. Besonders gravierend sind einschneidende Ereignisse, die mit der Pflege zu tun haben. Ganz vorne liegt dabei die eigene Pflegebedürftigkeit: Menschen, die auf Pflege angewiesen sind, haben mit 5,6 den niedrigsten Wert auf der Zufriedenheitsskala. Aber auch diejenigen, die Angehörige pflegen, sind mit ihrem Leben wenig zufrieden. Sie kommen auf 6,9.
Hinzu kommt: Wer sein Leben allein bestreitet oder bestreiten muss, ist damit nicht zufrieden. Diejenigen, die im Laufe der vergangenen zehn Jahre eine Scheidung durchgemacht haben, kommen in ihrer Lebenszufriedenheit nur auf einen Wert von 6,3. Menschen, deren Lebenspartner verstorben ist, erreichen lediglich einen Wert von 6,8 auf der Zufriedenheitsskala. Auch wer als Single lebt, äußert sich eher unzufrieden: Befragte, die in einem Ein-Personen-Haushalt leben, kommen auf der Zufriedenheitsskala nur auf 6,7. Wer hingegen im (mindestens) Vier-Personen-Haushalt lebt auf 7,7.
Wie sich Zufriedenheit auswirkt
Die Studie zeigt, dass zufriedenere Menschen optimistisch nach vorn blicken. Wer zufrieden ist, glaubt zudem häufiger, seine finanzielle Zukunft selbst in der Hand zu haben. Drei Viertel (75 Prozent) der zufriedenen Menschen geben an, dass sie durch ihr eigenes Sparverhalten beeinflussen können, wie sie in zehn Jahren finanziell aufgestellt sind. Unter denen, die unzufrieden sind, glauben dies nur 36 Prozent. Nur rund ein Drittel der Deutschen (34 Prozent) glaubt nicht daran, die eigene finanzielle Zukunft selbst gestalten zu können.
Zufriedene Menschen haben andere Sparziele als unzufriedene: Das Sparziel Notgroschen ist für viele Menschen (im Durchschnitt für 54 Prozent der Befragten) wichtig. Unter denen, die mit ihrem Leben nicht zufrieden sind, spielt die Notfallreserve jedoch eine größere Rolle (67 Prozent) als unter zufriedenen Menschen (53 Prozent). Wer mit seinem Leben zufrieden ist, spart häufig auch für Reisen (47 Prozent) oder größere Anschaffungen (47 Prozent). Unter den Unzufriedenen nennen diese Sparziele nur 19 bzw. 41 Prozent.
Welche Studienergebnisse waren so nicht unbedingt zu erwarten?
Der Blick auf die allgemeine Lebenszufriedenheit zeigt, dass die Westdeutschen tendenziell etwas zufriedener sind als die Ostdeutschen (54 Prozent vs. 46 Prozent). Allerdings ist der Unterschied nicht so stark ausgeprägt, wie der Blick auf die unterschiedliche finanzielle Leistungsfähigkeit in Ost und West hätte erwarten lassen. Keinen Unterschied gibt es auf der Zufriedenheitsskala zwischen Frauen und Männern. Der emotionale Wohlstand ist bei beiden Geschlechtern mit einem Wert von 7,2 identisch. Gleiches gilt für den materiellen Wohlstand. Er ist ebenfalls beinahe gleich: 26 Prozent der Männer sagen, sie können sich alles leisten, was sie haben möchten. Bei den Frauen sind es 25 Prozent. Beim Blick in die finanzielle Zukunft gibt es eine geringe Abweichung von vier Prozentpunkten: 38 Prozent der Männer glauben, dass sie sich in zehn Jahren alles leisten können, was sie möchten. Bei den Frauen sind es 34 Prozent.