Ausblick 2019: Zeit für Fiskalpolitik naht

Weltweit hat die Wachstumsdynamik zuletzt nachgelassen. „Deutschland ist von der Verlangsamung besonders betroffen, denn hier kommen fast alle Belastungsfaktoren zusammen“, sagt Jens Wilhelm, Vorstand bei Union Investment und zuständig für Portfoliomanagement sowie Immobilien. Zwar rechnet er nicht mit einer Rezession, plädiert aber für Gegenmaßnahmen. „Die Zeit für fiskalpolitisches Gegenlenken naht.“ Anlegern rät Wilhelm in dieser Lage zu einem aktiven, selektiven Vorgehen. Union Investment | 15.02.2019 10:29 Uhr
Jens Wilhelm, Vorstand, Union Investment / © Union Investment
Jens Wilhelm, Vorstand, Union Investment / © Union Investment
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Am aktuellen Rand ist die konjunkturelle Dynamik nach Einschätzung Wilhelms deutlich zurückgegangen: „Sowohl unsere Frühindikatoren als auch die Echtzeitberechnungen weisen auf eine stark gedämpfte Wirtschaftsaktivität hin.“ Die Gründe dafür reichen nach Meinung des Kapitalmarktstrategen von einschlägigen Branchenthemen, wie etwa den Problemen der Autoindustrie, über Wettereffekte bis hin zur Schwäche im Welthandel. „Deutschland ist dabei besonders betroffen“, analysiert Wilhelm und verweist auf die zuletzt äußerst schwache Industrieproduktion hierzulande. Er rät daher zu fiskalpolitischen Maßnahmen, um der Eintrübung zu begegnen. „Jetzt bietet sich die Gelegenheit, Konjunktur- und Strukturpolitik sinnvoll zu vereinen. Bei den immer noch sehr niedrigen Zinsen kann der Staat die offensichtlichen Defizite bei der Infrastruktur in Deutschland mit niedrigem finanziellen Einsatz beheben und gleichzeitig der zyklischen Schwäche wirkungsvoll begegnen“, skizziert Wilhelm die Vorteile.

Weltwirtschaftswachstum flacht ab

Nach Prognosen von Union Investment dürfte sich das Wirtschaftswachstum in Deutschland 2019 auf 0,8 Prozent belaufen, ein spürbarer Rückgang im Vergleich zum Vorjahreswert von 1,5 Prozent und den 2,5 Prozent von 2017. Auch für die Eurozone wird mit einem geringeren Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gerechnet. „Wir erwarten eine Verlangsamung des BIP-Wachstums im Euroraum auf 1,1 Prozent. Das ist noch keine Rezession, aber ein herber konjunktureller Rückschlag“, sagt Wilhelm. In den übrigen Weltregionen dürfte das Wachstum zwar ebenfalls zurückgehen, aber nicht in gleichem Maße. „Die USA sind eine stark binnenorientierte Volkswirtschaft“, verweist er beispielhaft auf die Vereinigten Staaten. „Daher schlägt der schwache Welthandel dort weniger durch, zumal die Trump’schen Steuerreformen noch ihre letzten Wirkungen entfalten werden.“ Der Vorstand rechnet daher mit einem moderaten Rückgang des BIP-Wachstums von 2,8 Prozent (2018) auf 2,4 Prozent (2019). 

Niedrige Inflation nimmt Druck von der Geldpolitik

Die schwächeren Wirtschaftsdaten nehmen nach Einschätzung Wilhelms in Verbindung mit der nach wie vor geringen Inflation den Straffungsdruck von den Notenbanken. Zwar hat die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) im Dezember zum vierten Mal im Jahr 2018 die Leitzinsen erhöht. Nach Ansicht des Kapitalmarktstrategen steht aber fest: „In diesem Tempo wird die Fed nicht weitermachen. Die Währungshüter werden den Autopilot ausschalten und ihren Kurs stattdessen stärker von der Datenlage abhängig machen.“ Im Ergebnis erwartet Wilhelm für 2019 noch maximal zwei Leitzinsanhebungen. „Im März wird nichts kommen“, prognostiziert er. 

Bei der Europäischen Zentralbank (EZB) rechnet Wilhelm ebenfalls mit einem vorsichtigeren Vorgehen: „Die EZB will weiter ihre Geldpolitik normalisieren. Allerdings stehen die Konjunkturschwäche und die politischen Risiken diesem Ziel entgegen.“ Daher rechnet Wilhelm erst gegen Jahresende 2019 mit ersten Maßnahmen wie einer Anhebung des Einlagezinses. 

„Soft put“ der Fed stützt und begrenzt Aktienmärkte zugleich

Mit Blick auf den Kapitalmarkt sieht Wilhelm begrenztes Potenzial bei den meisten Anlageklassen: „Nach dem scharfen Abverkauf Ende 2018 haben die globalen Aktienmärkte das Börsenjahr 2019 mit einer Aufholrallye begonnen, das Umfeld bleibt herausfordernd.“ Stützend dürften nach Einschätzung des Kapitalmarktstrategen die immer noch gute Gewinnlage bei den Unternehmen sowie die angepasste Politik der US-Notenbank wirken. „Mit ihrem neuen Kurs hat die Fed einen ‚soft put‘ ausgesprochen“, erklärt er. „Das wird die Aktienmärkte einerseits stützen, begrenzt aber andererseits auch das Potenzial.“ Denn sollte sich das Konjunkturbild durchgreifend bessern, dürfte die Notenbank wieder auf ihren ursprünglichen Pfad der Straffung zurückkehren und dem Aktienmarkt den Stimulus somit wieder entziehen. Im Ergebnis sieht Wilhelm die weltweiten Aktienmärkte in den kommenden Monaten seitwärts tendieren. 

Emerging Markets wieder chancenreicher

An den Rentenmärkten rechnet Wilhelm ebenfalls in den kommenden Monaten mit wenig Bewegung. „Der flachere Zinspfad von Fed und EZB wird das Aufwärtspotenzial der Renditen von Bundesanleihen und US-Treasuries deckeln“, meint er und erwartet bei zehnjährigen deutschen Staatspapieren eine Rendite von 0,6 Prozent zum Jahresende bzw. 2,8 Prozent bei laufzeitengleichen US-Titeln. Hingegen sind seiner Einschätzung nach Anlagen in den Emerging Markets wieder interessanter geworden. Auch in den Rentensegmenten mit Renditeaufschlag haben sich die Perspektiven etwas verbessert.

Spätzyklisches Umfeld bestimmt die Geldanlage

„Wir bleiben in einem spätzyklischen Umfeld mit schwachem, aber immerhin positivem Wachstum“, erläutert Wilhelm die Rahmenbedingungen für 2019. Zudem rechnet er nach wie vor mit einem schwankungsintensiven Kapitalmarktbild, nicht zuletzt aufgrund der politischen Unsicherheitsfaktoren rund um Brexit, US-Haushaltsdebatte und Handelsstreit. „Das Potenzial bleibt in den meisten Assetklassen begrenzt. Aktivität und Selektion sind in einem solchen Umfeld Trumpf“, resümiert er. 

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