"Die Mehrwertsteuersenkung bei Zugtickets macht das Reisen auf der Schiene günstiger – mehr als eine Million zusätzliche Fahrgäste zählte die Bahn alleine im Januar. Schon ab April müssen Reisende aber auch tiefer in die Tasche greifen: Die Steuer auf Flugtickets steigt, je nach zurückgelegter Strecke um bis zu 74 Prozent. Wer fliegt, zahlt drauf. Wer Bahn fährt, spart. Das Klimapaket kann ohne Frage eine Lenkungswirkung entfalten. Dass damit, unseren Analysen entsprechend, auch eine Verteilungswirkung einhergeht, unterstreicht: Klimaschutz funktioniert am besten, wenn die ganze Bevölkerung daran beteiligt ist.
Die richtig großen Be- und Entlastungen werden indes erst im kommenden Jahr spürbar. Dann nämlich, wenn die sogenannte CO2-Bepreisung eingeführt wird. Ab dem 1. Januar 2021 kostet die Emission einer Tonne CO2 im Verkehrs- und Gebäudebereich 25 Euro. Für Konsumenten bedeutet das: Benzin und Diesel, aber auch Heizöl und Erdgas werden erheblich teurer. Ausgehend vom aktuellen Niveau beträgt der Aufschlag immerhin bis zu sieben Cent pro Liter und Kilowattstunde. Das macht sich nicht nur im Geldbeutel jedes Einzelnen bemerkbar, sondern wirkt als Ganzes auch auf eine ökonomisch zentrale Größe: die Inflation.
CO2-Preis treibt Inflation
Die Effekte bei Bahn- und Flugtickets auf das Preisniveau dürften sich in etwa ausgleichen – beide haben mit rund 0,5 Prozent zudem einen recht geringen Anteil am genormten „Warenkorb“. Demgegenüber fällt der Aufschlag bei den fossilen Energieträgern deutlich stärker ins Gewicht. Die Preisanstiege bei Benzin (2,9 Prozent im Warenkorb), Diesel (1,1 Prozent), Heizöl (1,4 Prozent) und Erdgas (2,7 Prozent) wirken sich auch auf die ansonsten wenig dynamische Teuerungsrate aus. Allein aufgrund dieser Effekte dürfte die Inflation im Jahr 2021 um rund 0,3 Prozentpunkte höher ausfallen als 2020.
„Das Klimapaket macht sich nicht nur im Geldbeutel jedes Einzelnen bemerkbar, sondern wirkt auch auf die Inflation.“
Dr. Jörg Zeuner, Chefvolkswirt
Für das laufende Jahr erwarten wir einen moderaten Anstieg der Teuerung um 1,5 Prozent. 2021 werden dementsprechend in der Spitze 1,8 Prozent erreicht. Das dürfte zwar auch dazu führen, dass die europäische Inflationsrate von erwarteten 1,2 Prozent (2020) auf dann 1,5 Prozent ansteigt, dennoch bleibt sie damit deutlich unter dem Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von rund zwei Prozent. Das deutsche Klimapaket sollte also kein Grund für die EZB sein, an der Zinsschraube zu drehen. Ohnehin ist der Anstieg nur temporär, denn schon ab 2022 wird der dann in Deutschland auf 30 Euro je Tonne angehobene CO2-Preis vollständig durch eine Senkung der Stromkosten kompensiert.
Analyse zeigt: Verteilungswirkung nicht zu unterschätzen
Kosten und Einsparungen halten sich also die Waage. Aber gilt das auch für jeden Einzelnen? Die „Gelbwesten“-Proteste in Frankreich haben gezeigt, dass die sozialverträgliche Ausgestaltung einer CO2-Abgabe von immenser Bedeutung für die Akzeptanz von Klimamaßnahmen in der Bevölkerung ist. Aus diesem Grund haben wir die Einzelmaßnahmen darauf untersucht, wie sie auf verschiedene Einkommensgruppen wirken.
Dabei zeigt sich, dass die Abweichungen im Nutzungsverhalten der Bahn groß sind. Besserverdienende nutzen die Bahn etwa 2,5 Mal so oft wie Geringverdiener. Allerdings ist die Streuung beim Flugverkehr noch deutlich ausgeprägter. Denn Besserverdienende fliegen etwa acht Mal so viel wie Geringverdiener. Die Folge: Geringverdiener profitieren durch die Senkung der Bahnpreise überproportional vom Klimapaket. Besserverdiener werden wegen ihres ausgeprägten Flugverhaltens stärker zur Kasse gebeten. Die Schere zwischen Arm und Reich schließt sich durch das Klimapaket also etwas.
Das lässt sich auch an anderer Stelle erkennen: Die Verteilungswirkungen durch die CO2-Steuer auf fossile Energieträger hat ganz ähnliche Implikationen. Denn die Steuer wird durch eine Absenkung der Umlage für Erneuerbare Energien und damit der Stromkosten ausgeglichen. Interessanterweise ist die Streuung hier zunächst gering, der Stromverbrauch also weitgehend unabhängig vom Einkommen. Dies überrascht insofern wenig, als dass Strom größtenteils für Grundbedürfnisse wie Kochen, Kühlen, Waschen oder Medien genutzt wird.
Beim Blick auf die Bereiche Verkehr und Heizen zeigt sich die Verteilungswirkung deutlicher: Hier liegt der Energieverbrauch von Gutverdienern knapp zwei Mal so hoch wie bei Geringverdienern. Unterm Strich entsteht also auch beim Thema CO2-Abgabe eine deutliche Nettoentlastung für Haushalte mit einem vergleichsweise niedrigen Einkommen, weil diese überproportional von sinkenden Strompreisen profitieren. Die Nettobelastung für Gutverdiener hingegen nimmt wegen höherer Heizkosten aufgrund des größeren Wohnraums und insbesondere höherer Mobilitätsansprüche zu.
Die Verteilungswirkungen sind nachhaltiger Natur
Das Klimapaket der Bundesregierung setzt also die richtigen Anreize – und das betrifft neben den Unternehmen eben auch die Konsumenten stark. Während der Inflationsanstieg ein einmaliger Ausreißer sein dürfte und damit den Geldbeutel nicht überbordend belastet, sind die darüber hinausgehenden Verteilungswirkungen nachhaltiger Natur. Das ist eine gute Nachricht. Denn die soziale Komponente sollte die Akzeptanz einer auch ökologisch sinnvollen Klimapolitik in der Öffentlichkeit deutlich erhöhen. Und grundsätzlich gilt: Besserverdienende haben einen doppelt so hohen CO2-Ausstoß wie Geringverdiener und von daher ist Klimapolitik stets mit Verteilungsfragen verbunden!"
Dr. Jörg Zeuner, Chefvolkswirt sowie Leiter Research & Investment Strategy bei Union Investment