Union Investment: Die Notenbanken gehen aufs Ganze

Die Europäische Zentralbank (EZB) und die Federal Reserve (Fed) haben eine Reihe geldpolitischer Lockerungsmaßnahmen beschlossen und neue Wertpapierkaufprogramme aufgelegt. Damit versuchen sie die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie einzugrenzen. Eine Einordnung der verschiedenen Notenbank-Maßnahmen: Union Investment | 24.03.2020 09:33 Uhr
© Photo by Paul Fiedler on Unsplash
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Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Die Schritte der Fed

Die US-Notenbank diagnostiziert schwere Störungen für die US-Wirtschaft aufgrund des Corona-Virus und hat am Montag neue Maßnahmen zur Stützung der Finanzmärkte beschlossen. Dazu gehört eine im Prinzip unbegrenzte quantitative Lockerung (QE) sowie umfangreiche Stützungsmaßnahmen für die Kreditversorgung der Realwirtschaft. Bereits zuvor hatte sie auf einer außerordentlichen Sitzung eine vergleichsweise aggressive Zinssenkung sowie eine Ausweitung des Ankaufprogramms beschlossen. In Folge verabschiedete sie zudem weitere gezielte Maßnahmen, um die Liquiditätsversorgung in den Finanzmärkten sowie für Unternehmen aufrecht zu erhalten. Die Entscheidungen umfassten unter anderem folgende Punkte:

  • Leitzinssenkung um 100 Basispunkte auf die Spanne von null bis 0,25 Prozent

  • Unlimitierter Kauf von US-Staatsanleihen und verbrieften Immobilienkredite (MBS) von staatlichen Emittenten, und zwar in der Höhe, die für ein „reibungsloses Funktionieren des Marktes und eine wirksame Übertragung der Geldpolitik“ erforderlich ist. Zudem wird die Notenbank verbriefte Gewerbe-Immobilienkredite aufkaufen.

  • Auflage von zwei Kreditfazilitäten zur Liquiditätsbereitstellung am Markt für Unternehmensanleihen (Primary Market Corporate Credit Facility für Neuemissionen im Investment-Grade-Bereich sowie Secondary Market Corporate Credit Facility für ausstehende Investment-Grade-Anleihen)

  • Erleichterung der Ausleihbedingungen für Geschäftsbanken (z.B. durch temporäre Erleichterung der Eigenkapitalvorschriften, längere Ausleihzeiträume etc.)

  • Auflegung eines Main Street Business Lending Program zur Kreditvergabe an klein- und mittelgroße Unternehmen

  • Bereitstellung von US-Dollarliquidität durch Swap-Vereinbarungen mit anderen Zentralbanken ab 23. März

  • Auflage von Fazilitäten zur Stützung des Geldmarkts und der Kreditvergabe an Unternehmen (Commercial Paper Lending Facility, Money Market Mutual Fund Liquidity Facility)

  • Kreditlinie für Primary Dealer (Primary Dealer Credit Facility - PDCF): zur Liquiditätserhöhung in den Anlageklassen, die von der US-Notenbank nicht direkt erworben werden können.

Was bedeuten die Entscheidungen? Die US-Währungshüter haben ihren Handlungsspielraum damit praktisch ausgeschöpft; mehr geht im Rahmen ihres Mandates kaum. Die US-Notenbank kann beispielsweise den Unternehmens-Kreditmarkt nur stützen, indem sie Fazilitäten auflegt, die vom US-Finanzministerium garantiert werden. Der Kauf nicht staatlich garantierter Wertpapiere ist ihr bislang untersagt. Ohne eine Änderung der Fed-Satzung (Fed Act) durch den Gesetzgeber kann sie also kaum weitere Schritte zur Stützung der US-Unternehmen beschließen.

Inwiefern die beschlossenen geldpolitischen Unterstützungsmaßnahmen der Realwirtschaft im aktuellen Krisenmodus helfen können, bleibt abzuwarten. Nach den jüngsten Fed-Maßnahmen verringerten sich die Risikoprämien im US-Unternehmensanleihenmarkt, und die Renditen von US-Staatspapieren sanken. Die Aktienmärkte verzeichneten anhaltend hohe Kursschwankungen.

Der Schwerpunkt der Notenbank in ihren Maßnahmen liegt in der Aufrechterhaltung offener Kreditkanäle, wie Fed-Chef Jerome Powell betonte. Man wisse, dass das Virus seinen Verlauf nehmen werde und dass die US-Volkswirtschaft danach zu einem normalen Aktivitätslevel zurückkehren werde. Die Pandemie führe bereits zu einer enormen wirtschaftlichen Notlagen in den USA und in der Welt. In der Zwischenzeit werde man die zur Verfügung stehenden Instrumente zur Aufrechterhaltung des Kreditflusses für die Realwirtschaft nutzen.

Rolle der Fiskalpolitik

Überdies verwies der US-Notenbankchef in seinem Statement auf die Rolle der Fiskalpolitik bei der Stabilisierung von in Schieflage geratenen Branchen und Unternehmen sowie bei der Unterstützung betroffener Arbeitnehmer. Außerdem erwähnte der Fed-Chef in diesem Zusammenhang lobend die bereits getroffenen Maßnahmen in den USA. Zuvor hatte US-Präsident Donald Trump den nationalen Notstand ausgerufen. Allein dadurch werden Bundesmittel in Höhe von bis zu 50 Milliarden US-Dollar zur Bekämpfung des Corona-Virus auf Ebene der Bundesstaaten freigesetzt. Zudem arbeitete der Gesetzgeber zu Wochenbeginn an einem umfassenden Fiskalpaket von bis zu 2 Billionen US-Dollar Volumen. Diese Hilfen sind beträchtlich, und übersteigen die während der Finanzkrise 2008 geschnürten Stützungspakete.

Die Corona-Notmaßnahmen der EZB

Auch die EZB hat Stützungsmaßnahmen von historischen Dimensionen beschlossen. In der Nacht zum Donnerstag, 19. März, hat die Notenbank überraschend die Ausweitung ihrer Wertpapierankäufe angekündigt. Das neu geschaffene „Pandemie Emergency Purchase Programme“ (PEPP) sieht ein zusätzliches Ankaufvolumen von 750 Milliarden Euro vor. Die EZB begründet die Maßnahme mit der Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen des Corona-Virus. Der EZB-Rat bekräftigt, „alles Notwendige“ zu tun und im Bedarfsfall Umfang, Dauer und Zusammensetzung des Programms anzupassen. Man prüfe außerdem alle Optionen, um die Wirtschaft der Eurozone bei der Überwindung des Corona-Schocks zu unterstützen.

Die Bestandteile der beschlossenen Maßnahmen im Einzelnen:

  • Ausweitung der Anleihekäufe um 750 Milliarden Euro, bestehend aus Staats- und Unternehmensanleihen
  • Alle bereits bislang ankauffähigen Papiere fallen auch unter PEPP

  • Aufteilung der Staatsanleihekäufe grundsätzlich nach Kapitalschlüssel, aber bei erhöhter Flexibilität

  • Dauer so lange wie notwendig, mindestens aber bis Ende 2020

  • Lockerung der Anlagerestriktionen unter dem „Corporate Sector Purchase Programme“ (CSPP) und Erweiterung der ankauffähigen Papiere

  • Erleichterungen für Geschäftsbanken bei den Collateral-Bestimmungen

Außerdem betonte die EZB ausdrücklich ihre Bereitschaft, „ihre Rolle bei der Unterstützung aller Bürgerinnen und Bürger des Euroraums in diesen herausfordernden Zeiten zu spielen“. Man werde daher gewährleisten, dass bei der Überwindung der Krise Familien, Firmen, Banken und Regierungen von günstigen Finanzierungsbedingungen profitieren können. Sollten „selbstgesetzte, Beschränkungen“ der Erreichung dieses Ziels entgegenstehen, werde man eine Änderung dieser Vorschriften in Erwägung ziehen.

Hilfen drastisch erhöht

Mit dem Maßnahmenpaket hat die EZB ihre Bemühungen noch einmal drastisch intensiviert. Nachdem EZB-Chefin Christine Lagarde bereits vorher Hilfen verkündet hatte, legte sie letzte Woche in Umfang und Breite nochmal deutlich nach. Hinzu kam eine viel stärkere verbale Untermauerung der Entschlossenheit der Zentralbank. Vertrauen und Zuversicht bei Öffentlichkeit, Regierungen und Finanzmärkten sind eindeutig das Ziel dieser Entscheidung. Daher erinnern die Schritte nicht nur in der Wortwahl an Mario Draghis „Whatever it takes“-Rückversicherung.

Bei Union Investment halten wir sowohl die Entscheidungen als auch die Betonung der Entschlossenheit der EZB für richtig. Für eine nachhaltige Beruhigung an den Kapitalmärkten dürfte der PEPP-Beschluss aber nicht sorgen. Hierfür sind unserer Einschätzung nach in erster Linie eine deutliche, weltweite Beruhigung bei den Infektionszahlen notwendig. Gleichzeitig gehen wir aber davon aus, dass sowohl Real- als auch Finanzwirtschaft perspektivisch davon profitieren sollten. Daher sind die Beschlüsse von letzter Woche wichtige Bestandteile bei der wirkungsvollen Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen des Corona-Virus. Mittel- bis langfristig schätzen wir die Aussichten an den Kapitalmärkten daher weiter als konstruktiv ein.

Fazit

Die Notenbanken reagieren nun schnell und umfangreich auf die aktuellen Marktturbulenzen im Rahmen des bestehenden Instrumentariums. Eine zentrale Herausforderung ist allerdings, dass die Notenbanken teilweise keinen direkten „Zugriff“ auf diejenigen Teile der Realwirtschaft haben, die besonders von der Corona-Krise betroffen sind. Hier tut sich die EZB leichter und das neue Kaufprogramm sollte helfen, Marktverwerfungen einzudämmen. Aus Sicht der Fed wird dagegen entscheidend sein, dass die bereitgestellte Liquidität von den Banken auch weitergereicht wird und somit hilft, destruktive Zweitrundeneffekte zu lindern. Eine nachhaltige Erholung an den Aktienmärkten ist aber erst zu erwarten, wenn sich die Corona-Infektionszahlen in wichtigen Volkswirtschaften deutlich verlangsamen.

Stand aller Informationen, Erläuterungen und Darstellungen:
23. März 2020, soweit nicht anders angegeben.

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