Edelmetalle erfreuen sich gerade einer regen Nachfrage – allen voran Gold und Silber. Der Preis des gelben Metalls verzeichnete am 31. Juli 2020 mit einem Schlusskurs von 1.975,86 US-Dollar ein neues Allzeithoch und übertraf damit den vorherigen Rekordpreis von 1921 Dollar aus dem Jahr 2011. Getrieben wurde die Nachfrage durch massive Zuflüsse in physisch hinterlegte ETFs von westlichen Investoren seit Beginn der Corona-Krise. Sie betrugen im ersten Halbjahr 2020 650 Tonnen, mehr als in jedem Gesamtjahr zuvor. Im gleichen Zeitraum ist laut World Gold Council die Schmucknachfrage um 46 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum eingebrochen. Die Nachfrage der Schmuckindustrie kommt in erster Linie aus asiatischen Märkten, allen voran Indien.
Gold als klassischer sicherer Hafen
Investoren nutzen Gold als sicheren Hafen, um sich gegen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise abzusichern. Das große Interesse spiegelt die Verunsicherung durch die Pandemie wider. Hinzu kommen historisch niedrige Realrenditen durch die dauerhaft niedrigen Zinsen. Was für europäische Anleger über die vergangenen Jahre zum Normalfall geworden ist, gab es in den USA zuletzt in den Jahren 2010 bis 2012, während des ersten Anleihekaufprogramms der Federal Reserve. Dort sind die Realrenditen zuletzt auch deutlich stärker gefallen als in Europa. Das erklärt die starke nachfrage aus den Vereinigten Staaten.
an den Realrenditen ist Gold mittlerweile im historischen Vergleich teuer bewertet. Das erreichte Preisniveau dämpft daher das weitere Potenzial. Gleichzeitig sollte der Goldpreis aber im laufenden Jahr weiterhin gut unterstützt bleiben, zumindest solange die Corona-Unsicherheit an den Märkten anhält. Denn: Nur wenn noch 2020 ein Impfstoff gefunden wird, der hilft, die Pandemie wirksam einzudämmen, und damit die Unsicherheit aus den Märkten weicht, ist noch in diesem Jahr mit nennenswerten Abflüssen aus den ETFs und einem deutlich niedrigeren Goldpreis zu rechnen.
Negative US-Realzinsen sorgen für hohe Nachfrage nach Gold
Goldpreis versus Realzinsen
Quelle: Bloomberg; Stand: 30. Juli 2020.
Silber beliebter als Gold
Der Silberpreis hatte zu Beginn der Corona-Krise zunächst deutlich stärker nachgegeben als die Gold-Notierung. Durch den Einbruch der Elektroniknachfrage und Panikverkäufe am Terminmarkt stieg die Ratio zwischen Gold und Silber zeitweise auf mehr als 120. Das historische Mittel liegt bei 60-65. Aufgrund dieses Gefälles – und dem dahinter stehenden Bewertungsunterschied in relativer Hinsicht – dürften viele Investoren jetzt auch das helle Edelmetall wieder entdeckt haben. Die Zuflüsse waren in diesem Jahr noch deutlich höher als die in Gold. Allein seit Anfang Juli sind bereits mehr als 2.800 Tonnen in ETFs geflossen. Seit Mitte Juli gab es daher eine Aufholrallye gegenüber Gold. Silber stieg zwischenzeitlich auf mehr als 24 US-Dollar je Feinunze und ist damit so teuer wie zuletzt im Herbst 2013. Dennoch hat der Silberpreis noch Luft nach oben, auch wenn der Großteil der Aufholbewegung bereits stattgefunden haben dürfte. Die Gold-/Silber-Ratio könnte von aktuell rund 84 womöglich noch in den Bereich zwischen 70 und 75 fallen.
Für Silber gelten die gleichen Argumente wie für Gold. Zudem spricht der Industriemetallcharakter, den Silber zusätzlich hat, dafür, dass der Preis durch die steigende Nachfrage in einer zyklischen Erholung nach der Krise weiter anziehen dürfte. Allerdings spielt die industrielle Nachfrage heute wegen des technologischen Fortschritts eine geringere Rolle als noch vor zehn Jahren. Heute werden zum Beispiel deutlich geringere Mengen des Metalls im Bereich Fotografie gebraucht. Das wichtigste Wachstumsfeld ist die Verwendung beim Bau von Solarzellen, allerdings wird auch hier stetig versucht, den Silber-Einsatz je Solarzelle zu verringern. Dennoch könnte aus dieser Richtung zusätzliche Phantasie in den Markt kommen. Der Präsidentschaftskandidat der US-Demokraten, Joe Biden, will verstärkt auf alternative Energien setzen. Das sollte die Nachfrage nach Silber weiter steigen lassen.
Platin attraktiver als Palladium
Auch Platin und Palladium haben sich zuletzt nach dem Einbruch zu Beginn der Corona-Krise deutlich erholt. Ein maßgeblicher Grund dafür ist, dass das Angebot noch stärker zurückgegangen ist als die Nachfrage. In Südafrika waren wegen der Pandemie viele Minen geschlossen.
Palladium hat mit 2.040 US-Dollar je Feinunze bereits wieder ein ambitioniertes Preisniveau erreicht. Das gilt gerade im Vergleich mit Platin, das aktuell nur rund 895 US-Dollar kostet. Beide Metalle werden in Katalysatoren verwendet. Wenn die Automobilindustrie wieder anspringt, spricht viel dafür, dass die Hersteller wegen des Preisunterschiedes wieder mehr Platin verarbeiten könnten. Auch in Brennstoffzellen wird Platin verbaut, was langfristig die Phantasie auf zusätzliches Nachfragepotenzial nährt.
Zudem ist es das vielseitigere Metall mit der breiteren Nachfragebasis. Anders als Palladium ist es auch für Investoren und die Schmuckindustrie interessant, nicht nur für die Industrie. Im Vergleich zu Gold, mit dem Platin in dieser Hinsicht konkurriert, ist es aktuell historisch günstig. Es kostet derzeit rund die Hälfte des „gelben Edelmetallklassikers“, war aber in der Vergangenheit auch schon einmal doppelt so teuer. Außerdem ist der Abbau mit einem Anteil von 70 Prozent der Gesamtförderung stark auf Südafrika konzentriert. Dort sind Produktionsunterbrechungen, zum Beispiel durch Stromausfälle oder Streiks, an der Tagesordnung. Auf mittlere Sicht dürfte der Platinpreis nach der Aufholrallye von Silber daher mit über die stärksten Auftriebskräfte im Edelmetallbereich verfügen.
Stand aller Informationen, Erläuterungen und Darstellungen:
31. Juli 2020, soweit nicht anders angegeben.